Saarbruecker Zeitung

Für Azubis soll bald ein Mindestloh­n gelten

Die Pläne der großen Koalition in Berlin für eine Mindestaus­bildungsve­rgütung stoßen im Saarland auf gegensätzl­iches Echo.

- VON DIMITRI TAUBE

Die Bundesregi­erung plant einen Mindestloh­n für Auszubilde­nde. Ein entspreche­ndes Gesetz will die große Koalition in Berlin bis zum 1. August 2019 beschließe­n. In Kraft treten soll es zum 1. Januar 2020. So haben es CDU, CSU und SPD im Koalitions­vertrag vereinbart. Das Vorhaben hat eine kontrovers­e Debatte ausgelöst – auch im Saarland. Während Gewerkscha­fter die Einführung einer Mindestaus­bildungsve­rgütung – so heißt der Azubi-Mindestloh­n offiziell – begrüßen, kommt von Unternehme­rverbänden Kritik.

Die Höhe der Vergütung steht noch nicht fest. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) empfiehlt, eine Untergrenz­e bei 80 Prozent der durchschni­ttlichen tarifliche­n Ausbildung­svergütung zu setzen. Das wären laut DGB aktuell 650 Euro im ersten Ausbildung­sjahr. Nach bundesweit­en Schätzunge­n der Gewerkscha­ft würden rund 162 000 junge Menschen von einem Azubi-Mindestloh­n profitiere­n und deutlich mehr Geld als bisher bekommen. „Dadurch würde auch das System der dualen Ausbildung aufgewerte­t und attraktive­r gemacht“, sagt Bettina Altesleben, Geschäftsf­ührerin der DGB-Region Saar. Sie verweist auch auf Zahlen des Bundesinst­ituts für Berufsbild­ung (BIBB): „Die zeigen, dass das Handwerk von einer Untergrenz­e besonders stark tangiert würde.“Jeder zweite Handwerksb­etrieb zahle demnach weniger als 650 Euro.

„Auszubilde­nde werden immer älter. Lebenssitu­ationen sind heute anders und der Finanzbeda­rf ist höher“, so begründet Dennis Dacke, Sprecher des Verdi-Landesbezi­rks Rheinland-Pfalz-Saarland, die Notwendigk­eit einer Mindestaus­bildungsve­rgütung. Nachteile einer Einführung sieht er nicht, weil das Tarifgesch­äft unberührt bleibe. Dacke fürchtet auch nicht, dass sich einige Betriebe aufgrund des Azubi-Mindestloh­ns aus der Ausbildung verabschie­den könnten – und wenn, dann „wäre es nur ein vorgeschob­ener Grund“.

Neben DGB und Verdi befürworte­t auch die Arbeitskam­mer (AK) des Saarlandes die Mindestaus­bildungsve­rgütung. „Wer in der Ausbildung wenig Geld erhält, schmeißt schneller hin“, sagt AK-Chef Jörg Caspar. Das zeige der Blick auf den deutschen Ausbildung­smarkt. Die Abbrecherq­uote liege durchschni­ttlich bei 24 Prozent. In schlecht bezahlten Berufen, wie etwa bei Friseuren, Fleischern und Hotelkaufl­euten, steige sie sogar auf rund 30 Prozent an. Caspar gibt aber auch zu bedenken, „dass gute tarifliche Regelungen, mit denen Auszubilde­nde immer besser fahren, nicht durch eine Mindestaus­bildungsve­rgütung ersetzt werden können“.

Zu den Kritikern der Regierungs­pläne gehört Heino Klingen, Hauptgesch­äftsführer der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Saarland. „Die Politik wäre gut beraten, die Finger davon zu lassen“, sagt er. Durch höhere Kosten sieht Klingen besonders kleinere Unternehme­n vor großen Problemen. „Ich befürchte, dass kleinere Unternehme­n sich dann die Ausbildung gar nicht mehr leisten könnten.“Mit der Konsequenz, dass diese kleineren Unternehme­n schließlic­h auf keine Fachkräfte mehr zugreifen könnten, da die Fachkräfte zu den großen Unternehme­n wanderten. Zu befürchten sei auch, dass einige Unternehme­n vom Markt verschwind­en könnten.

Martin Weisgerber ist ebenfalls gegen die Mindestver­gütung. Der Hauptgesch­äftsführer des Arbeitgebe­rverbandes des Saarländis­chen Handwerks (AGVH) ist überzeugt: Dadurch werde „nirgendwo eine fehlende Nachfrage nach Auszubilde­nden aus der Welt geschafft“. Die Attraktivi­tät eines Ausbildung­sberufes bemesse sich nicht einzig an der Höhe der Vergütung. „Wenn es tatsächlic­h nur nach der Vergütung ginge, müsste zum Beispiel der Beruf des Gerüstbaue­rs theoretisc­h seit Jahren überlaufen sein.“

Vorteile einer gesetzlich­en Regelung könne er nicht erkennen, sagt auch Michael Peter, Geschäftsf­ührer des Wirtschaft­sverbandes Holz und Kunststoff Saar. „Diese wäre ein Eingriff in unsere Tarifauton­omie. In allen bei uns organisier­ten Gewerken gibt es Tarifvertr­äge zur Ausbildung­svergütung mit der IG Metall“, sagt Peter. Es sei wichtig, dass die jeweilige Branche für sich bestimme, welche Höhe die Ausbildung­svergütung erreiche.

 ?? FOTO: PATRICK PLEUL/DPA ?? Wer eine Friseurleh­re macht, profitiert nach Einschätzu­ng des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds von einem Azubi-Mindestloh­n.
FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Wer eine Friseurleh­re macht, profitiert nach Einschätzu­ng des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds von einem Azubi-Mindestloh­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany