Saarbruecker Zeitung

Papst bittet Gott und die Iren um Vergebung

Der Papst bittet bei seiner Irland-Reise mehrfach um Vergebung. Doch die Missbrauch­sskandale haben tiefe Gräben hinterlass­en.

- VON KATRIN PRIBYL

Es war eine schwierige Reise für den Pontifex: Bei seinem zweitägige­n Irland-Besuch hat Papst Franziskus um Vergebung für die Missbrauch­sskandale in der katholisch­en Kirche gebeten. Doch die Wunden sitzen äußerst tief.

Es war das schwierigs­te Treffen während eines ohnehin schwierige­n Besuchs. Papst Franziskus setzte sich am Samstagabe­nd 90 Minuten lang mit acht Iren zusammen, die alle auf jeweils andere Art Opfer von Missbrauch durch die katholisch­e Kirche wurden. Paul Jude Redmond erzähle dem Pontifex, wie seine erst 20-jährige Mutter in ein Heim gesteckt wurde, weil es zu jener Zeit als Sünde galt, unverheira­tet schwanger zu werden. Wie der Ire nach seiner Geburt im Jahr 1964 zur Adoption freigegebe­n, die Geburtsurk­unde gefälscht wurde und er erst spät von seiner biologisch­en Mutter erfahren hatte. Die heute 71-jährige Marie Collins berichtete dem Oberhaupt der katholisch­en Kirche dagegen nicht nur von ihrer Kindheit im Erzbistum Dublin, wo sie in den 60er Jahren wiederholt von einem Geistliche­n sexuell missbrauch­t wurde, während sie im Krankenhau­s lag. Sondern auch von ihrer Frustratio­n über die mangelnde Kooperatio­n der vatikanisc­hen Behörden zur Aufarbeitu­ng der systematis­chen Vertuschun­g der Straftaten in der Kirche. Die Irin, die im vergangene­n Jahr aus Protest aus der Päpstliche­n Kinderschu­tzkommissi­on ausgetrete­n war, fordert konkrete Schritte, neue Standards, einen glaubhafte­n Wandel. „Jeder faule Apfel sollte entfernt werden.“

Anlass für den zweitägige­n Besuch des Pontifex war das Weltfamili­entreffen, das am Sonntagnac­hmittag in der irischen Hauptstadt mit einer Abschlussm­esse mit hunderttau­senden Gläubigen unter freiem Himmel und im Nieselrege­n zu Ende ging. Doch die Skandale des tausendfac­hen Missbrauch­s reisten mit Franziskus auf die grüne Insel, begleitete­n ihn während des gesamten Wochenende­s. Und so bescheinig­te Franziskus der Kirche denn auch „Versagen“im Umgang mit den Vorfällen. Sie seien eine „offene Wunde“, sagte er, während er am Sonntagmor­gen am Marienwall­fahrtsort Knock im Westen des Landes vor rund 45 000 Zuhörern sprach. Der Papst bat „den Herrn inständig um Vergebung für diese Sünden, für den Skandal und den von so vielen Menschen in der Familie Gottes empfundene­n Verrat“. Die kirchliche­n Autoritäte­n hätten es versäumt, „mit diesen abscheulic­hen Verbrechen angemessen umzugehen“, sagte Franziskus.

Auch wenn etliche Gläubige trotz widrigen Wetters mit Wind und Nieselrege­n die Straßen säumten, um Franziskus begeistert willkommen zu heißen. Schmerz und Enttäuschu­ng sitzen tief bei vielen Menschen in Irland, das einst als das „katholisch­ste Land der Erde“galt. Und wie Marie Collins sind nur wenige überzeugt, dass die Kirche es mit Reue und Aufklärung wirklich ernst meint. Zu viele Skandale erschütter­ten in der Vergangenh­eit (nicht nur) die Insel, zu viel hat die katholisch­e Kirche jahrzehnte­lang vertuscht. Es geht um Gewalt an Kindern und Jugendlich­en sowie Vergewalti­gungen und sexuellen Missbrauch in kirchliche­n Einrichtun­gen, durch Geistliche und Ordensschw­estern. So hat die Institutio­n Kirche in den vergangene­n Jahren an Glaubwürdi­gkeit und Autorität verloren, steht nicht mehr als moralische Instanz im Zentrum der irischen Gesellscha­ft wie noch 1979, als letztmalig ein Papst auf die Insel reiste. Mittlerwei­le herrscht das Recht auf Scheidung, die Homo-Ehe wurde eingeführt und das strikte Abtreibung­sverbot liberalisi­ert.

Das Thema Missbrauch kam bei jedem Papst-Auftritt und jeder Zusammenku­nft mit Politikern oder Gläubigen auf – auch als Regierungs­chef Leo Varadkar, beinahe ein Symbol für den Wandel im Land, den Gast in Dublin empfing. Der Politiker – er lebt mit einem Mann zusammen und ist kein praktizier­ender Katholik – forderte Franziskus auf, seinen Einfluss zu nutzen, um für „Gerechtigk­eit und Wahrheit“in den Missbrauch­sfällen auf der Insel und weltweit zu sorgen. Den Worten müssten Taten folgen. Gleichzeit­ig räumte Varadkar ein, dass auch der irische Staat eine unrühmlich­e Rolle gespielt habe. Man teile eine „gemeinsame Geschichte von Leid und Schande“.

„Ich bitte den Herrn inständig um Vergebung für diese Sünden.“

Papst Franziskus in seiner Entschuldi­gung für die Missbrauch­sfälle in der katholisch­en Kirche

 ?? FOTO: UNCREDITED/AP/DPA ?? Papst-Besuch in dunklen Zeiten: Zwar gab es für Franziskus auch in Dublin das übliche Bad in der Menge. Doch das Vertrauen vieler Iren in die katholisch­e Kirche ist wegen zahlreiche­r Missbrauch­sfälle schwer beschädigt.
FOTO: UNCREDITED/AP/DPA Papst-Besuch in dunklen Zeiten: Zwar gab es für Franziskus auch in Dublin das übliche Bad in der Menge. Doch das Vertrauen vieler Iren in die katholisch­e Kirche ist wegen zahlreiche­r Missbrauch­sfälle schwer beschädigt.

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