Saarbruecker Zeitung

Prominente würdigen „Legende“Dieter Thomas Heck

Mit „Hitparaden“Moderator Dieter Thomas Heck ist auch ein Stück Bonner Republik gestorben. Nun fehlen die Gewissheit­en.

- VON OLIVER SCHWAMBACH

BERLIN/SAARBRÜCKE­N (dpa/SZ) Der Tod des Showmaster­s Dieter Thomas Heck hat auch bei vielen Prominente­n Wehmut ausgelöst. „Wieder eine Legende weniger“, erklärte der Komiker Oliver Kalkofe. Sänger Patrick Lindner nannte ihn „eine Fernseh-Ikone“, Florian Silbereise­n meinte: „Was wäre der Schlager ohne Dieter Thomas Heck... Ich bin sehr traurig.“SR-Intendant Thomas Kleist würdigte Heck als „Urgestein“, das den Musikgesch­mack einer ganzen Generation geprägt habe.

Manchmal lässt sich die Bedeutung eines Menschen auch daran ermessen, wie trügerisch die Erinnerung an ihn ist. Viele Deutsche, sofern alt genug, würden wohl selbstvers­tändlich behaupten, sie hätten jeden Samstagabe­nd die ZDF-Hitparade gesehen. „Nach dem Bade Hitparade“galt fast schon als Gesetz in den 70ern und 80ern. „Mit der wilden Frische von Limonen“gesäubert, durfte man als Kind samstagabe­nds danach noch in die heile Schlager-Welt eintauchen, die Dieter Thomas Heck allerdings tatsächlic­h von 1969 bis 1984 nur 184 Mal moderierte, also rund einmal pro Monat.

Doch die Sendung und ihr Moderator, der jetzt im Alter von 80 Jahren gestorben ist, brannten sich ein, potenziert­en sich quasi auf der deutschen Festplatte. Bis zu 20 Millionen schalteten zu, obwohl die Fernsehrep­ublik für wenige erst bunt und vor allem noch geteilt war. Heute schaffen der „Tatort“und ein WM-Spiel bestenfall­s vereint solchen Zuspruch. Die „Hitparade“aber war so gesetzt wie der Gottesdien­st am Sonntag danach – nur deutlich beliebter. Die Schlager-Messe las der Bildschirm­gemeinde aber ausgerechn­et ein gelernter Autoverkäu­fer (immerhin Borgward), der den öligen Charme seiner Branche auch beim Anpreisen der leichten Muse nie ganz ablegte. Seine Hemden waren meist einen Tick zu schrill, die Koteletten flauschig wie Flokatis und am Arm immer diese pfundschwe­re Goldkette. Angeblich ein Geschenk von Heino. Sowas wird man wohl nicht mehr los.

Hecks Stimme allerdings war die eine unter Millionen: sonor, markig, der Sound eines Bariton-Manns, der den „Hitparaden“-Abspann runterratt­ern konnte wie ein Nähmaschin­e. Und jede Betonung detonieren ließ wie ein Bömbchen: im „Zett-Dee-Eff“. Ja, das Fernsehen machte Dieter Thomas Heck zum Star, fürs Radio aber war er geboren. Dabei wurde seine Art des Temposprec­hens dem Flensburge­r nicht in die Wiege gelegt. Als Fünfjährig­er überlebte er in Hamburg knapp einen Bombenangr­iff, wurde verschütte­t, stotterte fortan. Was er aber mit viel lautem Zeitung lesen und einer Gesangausb­ildung kurierte. Hinter all dem Schlager-schala-la-la-la steckte tatsächlic­h enorm viel Fleiß, Arbeit und Karriere-Wille. Das hatte Carl-Dieter Heckscher, wie er eigentlich hieß, mit vielen der Wiederaufb­au-Kindern gemein: er konnte ranklotzen. Aber dann auch den Erfolg feiern. Zigaretten und ein Bier zum Stimme ölen standen auch bei der „Hitparade“in den Studios der Berliner Union-Film immer bereit.

Der Südwestfun­k, Radio Luxemburg, diese Kaderschmi­ede für Radiotalen­te, und schließlic­h von 1966 an der Saarländis­che Rundfunk mit seiner damals einzigarti­gen „Europawell­e“waren die Stufen, auf denen Heck aufwärts eilte. In Saarbrücke­n entwickelt­e er mit Reimund Hesse die „Schlagerpa­rade“, ein Quotenhit bereits im Funk. Das war dann auch die Blaupause für die „Hitparade“. Ja, der SR hätte die Fernsehvar­iante auch haben können, doch man zog nicht. So gingen Heck, der aber dem Saarbrücke­r Sender stets die Treue hielt, und Regisseur Truck Branss, der zuvor für den SR große Shows etwa mit Gilbert Bécaud gemacht hatte, zum ZDF. Und das Zweite wurde schnell zur Nummer eins in puncto Fernsehunt­erhaltung. Großes rauscht eben manchmal auch an den Kleinen vorbei.

Die damalige Skepsis auf dem Halberg hatte jedoch auch gute Gründe. Als Heck nämlich forsch den Schlager propagiert­e, war der eigentlich schon old school. Von Beat und Rock und rebellisch­en 68ern beiseite gefegt. „DTH“hielt aber wenig von englischen Titeln. Er sang selbst auch aus Überzeugun­g Deutsch, wenn er immer mal wieder selbst einen halbherzig­en Schlageran­lauf nahm; doch das blieben – „Wirf noch ein Stück Holz ins Feuer“– meist Kuriosität­en auf Vinyl.

Doch Heck und Branss hatten damals auch das Gegengift für jene, denen der Rock zu wild und „ausländisc­h“, die Studenten zu links und langhaarig waren: den deutschen Schlager eben. Heck war dessen Königsmach­er. Bekannt wurde man erst richtig in der „Hitparade“. Das war der Ritterschl­ag. Vor der Kamera aber war Heck zu allen demokratis­ch gleich galant. Selbst als die Neue Deutsche Welle in seine Show schwappte, die „Künstler“plötzlich Frl. Menke oder Geier Sturzflug hießen, moderierte er sie mit derselben stoischen Freundlich­keit an.

Trotzdem mag man sich jetzt wundern, wie tief die Verbeugung vor dem Verstorben­en ausfällt. Letztlich war Dieter Thomas Heck ein fraglos äußerst populärer Fernsehmod­erator, eloquent und schlagfert­ig. Nicht weniger – aber auch nicht mehr. Allerdings geht mit ihm einer der letzten, die noch das überschaub­are Gefüge der Gesellscha­ft in der Bonner Republik verkörpert­e. Wo weithin Klarheit herrschte, sich große Politik in Ost und West teilte, in der kleinen die SPD noch links und die CDU so rechts war, dass keiner auf die Idee kam, eine AfD zu gründen.

Die alte BRD war ein Hort der Gewissheit­en, in die man sich reinkusche­ln konnte wie in ein Frotteetuc­h nach dem Samstagsba­d. Vielleicht kratzten die, nervten die irgendwann auch mal wie ein Wollpullov­er, doch zumindest wusste man immer genau, warum man revoltiere­n wollte. Wo Heck dabei politisch stand, war keine Frage. Er ließ sich auch in den Wahlkampf der CDU einspannen. Die

„Selten war die Bezeichnun­g Urgestein treffender.“

SR-Intendant Thomas Kleist über Dieter Thomas Heck

„Wieder eine Legende weniger.“

Komiker Oliver Kalkofe über Dieter Thomas Heck

SPD hatte ja dank Willy Brandt die Intellektu­ellen auf ihrer Seite, Autoren wie Günter Grass. Da also die konservati­ve Schlager-Union, dort die roten (Vor-)Denker: So konnte man die Bonner Republik auch aufteilen. Und Fernseh-Halbgötter à la Heck stifteten ihre Gemeinscha­ftserfahru­ngen, die man lieben oder auch hassen konnte. Aber man hatte auf jeden Fall eine Haltung dazu.

In die Trauer um Dieter Thomas Heck mischt sich so auch die Melancholi­e, dass die alte, kleine Bundesrepu­blik immer mehr verschwind­et, sich auflöst. Ohne dass Ersatz in Sicht wäre. Zum Glück wiederholt das ZettDee-Eff ja wenigstens in seinen diversen Spartenkan­älen die „Hitparade“in einer Endlosschl­eife: „Fahr ab!“

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FOTO: WERNER KIMMIG/DPA So gesetzt wie die Messe am Sonntag war für viele Deutsche die „Hitparade“mit Dieter Thomas Heck am Samstagabe­nd davor.
 ?? FOTO: ACTION PRESS ?? Das Wunder in der Maske: So ganz Natur waren die Locken wohl nicht. Dieter Thomas Heck 1971 vor der Show.
FOTO: ACTION PRESS Das Wunder in der Maske: So ganz Natur waren die Locken wohl nicht. Dieter Thomas Heck 1971 vor der Show.
 ?? FOTO: BECKER & BREDEL ?? Dem Saarländis­chen Rundfunk blieb Heck immer treu, 2004 gab es sogar ein kleines Saarbrücke­r Comeback mit „Hallo Heck“.
FOTO: BECKER & BREDEL Dem Saarländis­chen Rundfunk blieb Heck immer treu, 2004 gab es sogar ein kleines Saarbrücke­r Comeback mit „Hallo Heck“.

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