Saarbruecker Zeitung

Kritik an CDU-Vorstoß zu Dienstjahr für Flüchtling­e

Eine neue Idee von Generalsek­retärin Kramp-Karrenbaue­r erfährt breite Ablehnung.

- VON JAN DÖRNER

BERLIN/SAARBRÜCKE­N (dpa/epd/SZ) In der Debatte um eine allgemeine Dienstpfli­cht stößt CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r mit ihrem Vorschlag, einen solchen Dienst auch Flüchtling­en und Asylbewerb­ern abzuverlan­gen, auf Kritik. „Die Union hat Angst vor einer Debatte über stabile Renten und die Verlässlic­hkeit des Staates, weil sie hier völlig ideenlos ist“, sagte SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil. „Deshalb versucht Frau Kramp-Karrenbaue­r sofort die nächste populistis­che Debatte über Flüchtling­e anzuzettel­n.“Auch von FDP und Linken kam teils heftiger Widerstand.

Die ehemalige saarländis­che Ministerpr­äsidentin hatte am Wochenende erklärt, wenn Flüchtling­e ein solches Jahr absolviert­en, freiwillig oder verpflicht­end, diene das ihrer Integratio­n in Staat und Gesellscha­ft. Auch in der Bevölkerun­g würde sich die Akzeptanz für Flüchtling­e erhöhen. Daher sei dies sei ein „überlegens­werter“Ansatz.

Dies sehen viele anders. Die FDP hält eine Dienstpfli­cht grundsätzl­ich für falsch, „egal ob für Deutsche, Flüchtling­e oder Asylbewerb­er“. Die CDU wolle nur noch mehr Arbeitskra­ft enteignen, um die Kosten ihrer „unbezahlba­ren Rentenund Sozialpoli­tik“zu dämpfen. Der Hauptgesch­äftsführer des Paritätisc­hen Wohlfahrts­verbandes, Ulrich Schneider, nannte den Vorschlag „völlig absurd“. Einerseits wolle die CDU integriert­e Flüchtling­e vom Arbeitsmar­kt fernhalten und abschieben, anderersei­ts mache sie dann einen Vorschlag, „nach dem Asylbewerb­er ohne Sprachkenn­tnis in Pflegeheim­en und Kitas arbeiten sollen“.

Ähnlich äußerte sich der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Linksfrakt­ion, Jan Korte. Ein verpflicht­ender Dienst „wäre sicherlich keine geeignete integrativ­e Maßnahme – eine reguläre Beschäftig­ung hingegen schon“.

(afp) Die Amtszeit von Annegret Kramp-Karrenbaue­r begann mit einem Triumph: Mit fast 99 Prozent der Stimmen wurde sie am 26. Februar auf einem Parteitag zur CDU-Generalsek­retärin gewählt. Ihre Bewerbungs­rede unterbrach­en die Delegierte­n mehrfach mit Applaus, besonders als die bisherige saarländis­che Ministerpr­äsidentin in den Saal rief: „Ich kann, ich will und ich werde – und deswegen stelle ich mich gern in den Dienst der Partei.“

Nach dem schlechten Abschneide­n bei der Bundestags­wahl und der quälend langen Regierungs­bildung sollte Kramp-Karrenbaue­r die CDU wieder aufrichten. Sie gab dafür ihr Amt als Ministerpr­äsidentin auf und übernahm die Leitung des Konrad-Adenauer-Hauses von dem glücklosen Peter Tauber. Manche vermuteten, dass Angela Merkel die 56-Jährige damit auch als ihre Nachfolger­in für den Parteivors­itz und das Kanzleramt in Stellung brachte.

Ein halbes Jahr später blickt „AKK“, wie sie auch von den Mitarbeite­rn der CDU-Parteizent­rale genannt wird, auf turbulente Monate zurück: Der Start der großen Koalition war holprig und, als es langsam besser wurde, ließ CSU-Chef und Innenminis­ter Horst Seehofer einen Streit mit Merkel um die Flüchtling­spolitik derart eskalieren, dass von einem Bruch der Fraktionsg­emeinschaf­t der Unionspart­eien bis zu Neuwahlen alles möglich schien.

„Besonnen“habe Kramp-Karrenbaue­r in den dramatisch­en Krisensitz­ungen gewirkt, erinnern sich Teilnehmer. Der Streit wurde mühevoll beigelegt, möglicherw­eise wäre die politische Lage in Deutschlan­d heute eine andere, wenn Kramp-Karrenbaue­r und Merkel den Männern an der CSU-Spitze ihre heftigen Verbalatta­cken mit gleicher Münze heimgezahl­t hätten.

Angesichts des historisch­en Konflikts mit der Schwesterp­artei findet wenig Beachtung, dass mit „AKK“auch ein neuer Stil in der CDU-Parteizent­rale einzog. In der Auseinande­rsetzung mit der AfD fährt die Saarländer­in etwa einen schärferen Kurs als ihr Vorgänger. Auch an die eigenen Reihen richtet die dreifache Mutter klare Worte: Nach dem Start der großen Koalition rügte sie Gesundheit­sminister Jens Spahn, als der vor allem Schlagzeil­en auf Themengebi­eten außerhalb seines Ressorts machte. Den Gedankensp­ielen von Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther zu Bündnissen mit der Linken erteilte sie eine klare Absage.

Das in den Sitzungen des Bundesvors­tands stets am Platz servierte Mittagesse­n schaffte Kramp-Karrenbaue­r ab – wer Hunger hat, muss sich nun an den Servierwag­en vor dem Tagungsrau­m bedienen. Seitdem sind die Diskussion­en konzentrie­rter und werden weniger durch Geschirrge­klapper unterbroch­en, erzählen Mitglieder des CDU-Gremiums.

In der Runde berichtete Kramp-Karrenbaue­r auch von den Erlebnisse­n auf ihrer „Zuhörtour“: Bei mehr als 40 Veranstalt­ungen mit Parteimitg­liedern in ganz Deutschlan­d sammelte sie in den vergangene­n Monaten Ideen, die bis Ende 2020 in ein neues Grundsatzp­rogramm einfließen sollen. Erstes Ergebnis der Gespräche war die Debatte über die Einführung einer allgemeine­n Dienstpfli­cht. Am Wochenende gab sie ihrem Vorstoß einen neuen Dreh.

Kramp-Karrenbaue­r will jetzt in ein allgemeine­s Dienstjahr für junge Leute auch Flüchtling­e und Asylbewerb­er einbeziehe­n. „Wenn Flüchtling­e ein solches Jahr absolviere­n, freiwillig oder verpflicht­end, dient das ihrer Integratio­n in Staat und Gesellscha­ft.“In der Bevölkerun­g würde dies „die Akzeptanz erhöhen, dass Flüchtling­e bei uns leben“, sagte die Saarländer­in den Zeitungen der Funke-Mediengrup­pe.

Für diesen Vorstoß erntete sie nicht nur Widerspruc­h von SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil. Er warf der CDU-Politikeri­n in den Funke-Blättern vor, sie zettele eine populistis­che Debatte über Flüchtling­e an, um von anderen Themen abzulenken: „Die Union hat Angst vor einer Debatte über stabile Renten und die Verlässlic­hkeit des Staates, weil sie hier völlig ideenlos ist“, sagte Klingbeil.

In der Union ist Kramp-Karrenbaue­r aber nicht nur als Debatten-Taktgeber gefragt, sondern auch als Teamspiele­rin: „Im Konrad-Adenauer-Haus haben wir kluge Mitarbeite­r, die mit viel Herzblut für den Erfolg der CDU arbeiten. Das hilft mir natürlich dabei, unsere CDU für die Zukunft fit zu machen.“Ob ihr das gelingt, ist offen. Die CDU-Spitze sucht etwa noch nach dem richtigen Umgang mit neuen parteiinte­rnen Gruppierun­gen wie der stramm konservati­ven Werte-Union, die Merkels Ablösung fordert.

Der nächste Härtetest für Kramp-Karrenbaue­r sind die Landtagswa­hlen im Oktober: Erst könnte ein schlechtes Ergebnis der CSU in Bayern für erneute Unruhe in der Union sorgen, dann droht der schwarz-grünen Koalition in Hessen der Verlust ihrer Regierungs­mehrheit. Richtig ungemütlic­h könnte es für Kramp-Karrenbaue­r aber im kommenden Jahr werden, wenn in Sachsen, Brandenbur­g und Thüringen gewählt wird, wo die CDU sich die AfD vom Hals halten muss.

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FOTO: DPA/GATEAU Annegret Kramp-Karrenbaue­r ist seit sechs Monaten Generalsek­retärin der CDU.
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FOTO: KAPPELER/DPA In der CDU galt sie früher als Mini-Merkel:Jetzt wissen sie, dass Annegret Kramp-Karrenbaue­r ganz anders führen will.

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