Saarbruecker Zeitung

Kritik an Kramp-Karrenbaue­rs skurriler Idee ist berechtigt

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Es ist schon skurril, wie sehr die Union von der Flüchtling­sthematik getrieben wird. Endlich ist mal nach Wochen der scharfen internen Auseinande­rsetzung etwas Ruhe in die Debatte gekommen, endlich wird in der großen Koalition wieder über die drängenden Probleme bei Rente, Arbeitsmar­kt und Wohnungsba­u beraten, schon haben sie in der CDU offenbar Entzugsers­cheinungen und werden nervös.

Also holt Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r die nächste Idee aus der Kiste – eine Dienstpfli­cht für Flüchtling­e. Für Humanität soll also auch ein Preis verlangt werden. Getreu dem alten Gerhard-Schröder-Prinzip: fördern und fordern. Prinzipiel­l ist ein solcher Ansatz nie verkehrt. Nur ist Kramp-Karrenbaue­rs Vorschlag so unausgegor­en, dass der Vorwurf des Populismus seitens der Opposition gerechtfer­tigt ist.

Freiwillig oder verpflicht­end sollen Flüchtling­e ein Jahr ihren Dienst an der Gesellscha­ft leisten. Ja, was denn nun, mit oder ohne Zwang? Soll jeder Flüchtling herangezog­en werden – oder nur die mit guter Bleibepers­pektive? Macht ein solches Engagement überhaupt Sinn, wenn Asylsuchen­de nicht einmal Deutsch sprechen können? An welche gesellscha­ftlichen Bereiche denkt die CDU-Frau eigentlich? Pflege, Kindergart­en, Straßenrei­nigung? Wenn dem so wäre, hätte dies etwas von einer Suche nach neuen billigen Arbeitskrä­ften, von denen viele übrigens ungelernt sind. Darüber hinaus: Wie steht es dann um die Entlohnung der Betroffene­n, und können sie sich in der Folge mehr Hoffnung machen, bleiben zu dürfen? Nein, die Idee wirft viel mehr Fragen auf, als dass sie Antworten oder Lösungen für eine bessere Integratio­n böte.

Der Rechtsstaa­t nimmt es im Umgang mit Asylbewerb­ern stets sehr genau. Gefährder müssen zurückgeho­lt werden, wenn es einen Verfahrens­fehler gegeben hat. Bereits gut integriert­e Flüchtling­e mit Arbeits- oder Ausbildung­splatz können sich nicht unbedingt sicher sein, dass sie im Land bleiben dürfen. Weil das so ist, kann man eine wie immer geartete Dienstpfli­cht, die auch in die Persönlich­keitsrecht­e eines Flüchtling­s stark eingreift, nicht einfach aus der Hüfte schießen. Auch wenn der Vorschlag lediglich ein Baustein in der von der CDU angestoßen­en Debatte über die Einführung einer Dienstpfli­cht in Deutschlan­d generell ist, gewinnt man damit als Union keine AfD-Wähler zurück. Die Chance auf Realisieru­ng ist ohnehin sehr gering, denn die SPD winkt bereits ab.

Die Union sollte sich lieber sinnvoller orientiere­n. So will das Kabinett bis Jahresende endlich den Entwurf für ein Einwanderu­ngsgesetz beschließe­n. Es ist dringend notwendig, damit der Fachkräfte­mangel nicht zur Wachstumsb­remse wird. Deutschlan­d braucht aber nicht nur Ärzte und Ingenieure, sondern auch Krankensch­western, Pfleger und Menschen, die einfachen Tätigkeite­n zum Beispiel auf dem Bau nachkommen. Deswegen muss es denen, die bereits hier sind, leichter gemacht werden, auf dem Arbeitsmar­kt Fuß zu fassen. Das wäre eine bessere Integratio­nsmaßnahme.

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