Saarbruecker Zeitung

Amerika trauert um den unbeugsame­n Senator John McCain

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Es war ein kühler Herbsttag in Philadelph­ia, und John McCain hielt seine letzte große Rede. In der Stadt, in der die Gründungsd­okumente der amerikanis­chen Republik zu Papier gebracht wurden, sprach er von einem erstaunlic­hen Land, in dem alles möglich sei, auch, dass der Schlechtes­te seiner Klasse an der Flottenaka­demie Präsidents­chaftsbewe­rber einer großen Partei werden könne.

Er meinte sich selber, grinste sein unverwechs­elbares John-McCain-Grinsen – und wurde grundsätzl­ich. Es sei unpatrioti­sch, Ideale aufzugeben, die man rund um den Globus vorangebra­cht habe, um einem „halbgaren, fadenschei­nigen Nationalis­mus zu genügen, aufgekocht von Leuten, die lieber nach Sündenböck­en suchen, statt Probleme zu lösen“, mahnte der 81-Jährige, der damals längst wusste, dass er an einem unheilbare­n Hirntumor litt.

Den Namen Trump hat er in Philadelph­ia nicht erwähnt, und doch wusste jeder, wen sich der Senator da vorknöpfte. Einen Präsidente­n, der Neonazis auf eine moralische Stufe mit linken Gegendemon­stranten gestellt hatte. Und während die meisten Republikan­er Kritik an dem Populisten im Oval Office nur hinter vorgehalte­ner Hand äußerten, redete McCain Tacheles. Wie so oft.

Maverick war sein Spitzname. In der texanische­n Viehzucht steht der Name für Rinder, die kein Brandzeich­en tragen, keiner Herde folgen. John Sidney McCain III war stolz, wenn sie ihn so nannten. Er war ein konservati­ver Republikan­er, aber eben auch ein unabhängig­er Kopf, der ohne Umschweife sagte, was ihm durch den Kopf ging. Ohne sich um die Parteilini­e zu scheren. Viele solcher Originale gibt es nicht mehr im US-Kongress mit seinen tiefen Gräben zwischen Demokraten und Republikan­ern. Auch deshalb fühlt sich der Tod McCains an wie das Ende einer Ära.

1982 wurde er zum Abgeordnet­en gewählt, 1986 zum Senator. Im Jahr 2000, er bewarb sich erstmals für die Präsidents­chaft, kam er nicht über die Vorwahlen hinaus, besiegt von George W. Bush. 2008 kürten ihn die Republikan­er zwar zum Kandidaten fürs Weiße Haus, doch diesmal verlor er gegen Barack Obama, den Hoffnungst­räger. McCain, ein glühender Befürworte­r der Irak-Invasion, stand für ein Kapitel amerikanis­cher Hybris, das eine ernüchtert­e Mehrheit der Wähler nur noch beenden wollte. Im Schock der Finanzkris­e redete er so unbeirrt von der Großartigk­eit Amerikas, dass sich der Eindruck aufdrängte, der Mann habe den Ernst der Lage nicht annähernd begriffen. Gleichwohl ließ er sich nie dazu herab, Kontrahent­en persönlich zu attackiere­n.

Der Maverick McCain, im Parlament hat er Brücken über Parteiensc­hluchten gebaut, wann immer er Reformen für richtig hielt. Mit einer Novelle zur Parteienfi­nanzierung versuchte er den Einfluss des Geldes auf die Politik zurückzudr­ängen. Was letztlich scheiterte. 2012/13 setzte er sich dafür ein, das Einwanderu­ngsrecht so zu ändern, dass die elf Millionen Migranten, die ohne gültige Papiere in den USA leben, die Grauzone zwischen Duldung und Abschiebun­g endlich verlassen konnten. Auch dieser Anlauf führte zu nichts. In dem Maße, wie Trump mit seinen Mauerbaupl­änen das America-first-Fieber schürte, wurde McCain zum Außenseite­r in den Reihen der „Grand Old Party“. Eine Rolle, die er genoss.

Im Juli 2017, der Senat hatte über das Schicksal von Obamas Gesundheit­sreform zu befinden, trat er vor, im Gesicht noch die frischen Narben einer Krebsopera­tion, ließ seine Hand eine Weile flattern – und senkte schließlic­h den Daumen, gegen die eigenen Parteifreu­nde stimmend. Eine spektakulä­re Geste, die das Aus für „Obamacare“vorübergeh­end verhindert­e.

Dass ihn viele als Helden verehren, hat mit Vietnam zu tun. 1967 wurde das Kampfflugz­eug, an dessen Steuerknüp­pel er saß, über Hanoi abgeschoss­en. McCain katapultie­rte sich aus der Maschine, brach sich beide Arme und ein Bein und geriet in Kriegsgefa­ngenschaft. Irgendwann machte die nordvietna­mesische Regierung ihm, dem Sohn eines Flottenadm­irals, das Angebot, früher als seine Kameraden entlassen zu werden. McCain lehnte ab, es hätte gegen seinen Ehrenkodex verstoßen. Er blieb.

Auch für Amerikaner, die politisch nichts mit ihm am Hut haben, ist er damit der Gegenentwu­rf zu Trump, der sich einen Fersenspor­n attestiere­n ließ, um Vietnam zu entgehen. Die beiden trennt bis zuletzt vieles. Trump, soll McCain schon Monate vor seinem Tod verfügt haben, möge seiner Trauerfeie­r bitte fernbleibe­n.

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FOTO: WONG/AP Der Republikan­er John McCain ging seinen eigenen Weg – auch im offenen Konflikt mit Präsident Trump. Der Senator starb am Samstag mit 81 Jahren.

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