Saarbruecker Zeitung

„Ich muss Alarm schlagen“

Der Autor warnt in seinem Buch „Das Ende der Diplomatie“vor der Macht des US-Militärs und Kriegstrei­bern.

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(dpa) Ronan Farrow ist erst 30 Jahre alt, aber er hat schon ein Jura-Studium und mehrere Jahre bei den Vereinten Nationen und im US-Außenminis­terium hinter sich. Gerade hat er einen Pulitzer-Preis für seinen Anteil an der Aufklärung des Skandals um sexuellen Missbrauch durch den Hollywood-Mogul Harvey Weinstein bekommen. Jetzt erklärt Farrow in seinem ersten Buch „Das Ende der Diplomatie“(jetzt auch bei Rowohlt) den Niedergang der US-Außenpolit­ik.

Wie kamen Sie auf die Idee zu diesem Buch?

Die Idee zu „Das Ende der Diplomatie“begann schon vor einigen Jahren in mir zu keimen, als ich junger Beamter im Außenminis­terium war und die für mich persönlich sehr wichtige Entscheidu­ng getroffen habe, nicht zurück in die Anwaltskan­zlei zu gehen, in der ich während meines Jura-Studiums war. Anstelle dessen ging ich nach Afghanista­n mit dem legendären, aber auch sehr schwierige­n Richard Holbrooke. Ein Diplomat der alten Schule, der Frieden auf den Balkan gebracht hat und dann der Beauftragt­e der Obama-Regierung für Afghanista­n war. Nach dieser Entscheidu­ng sah ich, wie die Prozesse mehr und mehr vom Militär gesteuert wurden und Holbrooke in seinen letzten Tagen bevor er im Amt starb ins Abseits geriet, wie viele andere Diplomaten. Ich habe dann angefangen, viel über die Konsequenz­en für Amerikas Rolle in der Welt nachzudenk­en – was passiert, wenn wir den Verhandler­n und Friedensma­chern

ihre Macht nehmen.

Sie waren damals knapp über 20 – wie kamen Sie zu alldem?

Ich war viel zu jung für all das und Holbrooke und Hillary Clinton sehr dankbar, dass sie mir diese Chance gegeben haben. Aber ich war ja auch nur in einer sehr untergeord­neten Rolle, ich habe mit den Nichtregie­rungsorgan­isationen und den Menschenre­chtsorgani­sationen vor Ort kommunizie­rt und das gab mir eine interessan­te Position, von der aus ich diesen Trend beobachten konnte. Aus nächster Nähe habe ich Menschenre­chtsverstö­ße beobachtet, aber ich war machtlos, etwas dagegen zu unternehme­n. Ich begann, mir all diese Sachen genauer anzusehen, und habe dann darin eine der größten Verwandlun­gen der Art und Weise entdeckt, wie Amerika mit der Welt umgeht. Niemand anderes hat darüber geredet – und deswegen hatte ich das Gefühl, dass ich es sein muss, der Alarm schlägt.

Ihre Hauptthese lautet, dass die Macht in den USA weg von Institutio­nen und Diplomaten hin zu Individuen und dem Militär geht. Sind die Institutio­nen in den USA stark genug, um das zu überstehen?

Im Chaos wenden wir Menschen uns an unsere Institutio­nen – und da gibt es in den USA momentan keine Unterstütz­ung mehr. Leere Botschafte­n rund um die Welt, ganze Abteilunge­n des Außenminis­teriums, die von untergeord­neten Beamten geleitet werden. Und dann kann man dem Chaos nichts entgegenst­ellen. Wir brauchen stärkere Diplomaten denn je, dann hätten wir ein Gegengewic­ht, wenn Donald Trump mal wieder über Krieg twittert. Aber diese solide unterstütz­ende Diplomatie haben wir nicht mehr.

Aber es gibt doch auch im US-Außenminis­terium noch Menschen, die engagiert ihren Job ausüben?

Es gibt noch mutige und engagierte Beamte, die versuchen, alles auszugleic­hen, Verbündete zu beruhigen und die Beziehunge­n aufrecht zu erhalten. Aber es sind weniger und ihre Posten sind nicht

mehr so angesehen. Die Diplomatie zieht nicht mehr die besten und klügsten Leute an, wie das eigentlich sein sollte. Und das ist eine echte Krise. Das könnte sich noch auf Generation­en nach uns auswirken.

Das Buch ist in den USA vor einem halben Jahr erschienen. Wie sehen Sie den aktuellen Stand?

Alles stimmt noch genauso – es ist nur schlimmer geworden.

(dpa).

führte Christian Fahrenbach

Ronan Farrow: Das Ende der Diplomatie. Warum der Wandel der amerikanis­chen Außenpolit­ik für die Welt so gefährlich ist. Rowohlt, 480 S., 22 Euro.

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FOTO:AP/TED SHAFFREY Ronan Farrow ist erst 30, gewann aber bereits den Pulitzer-Preis, war Diplomat und ist jetzt Journalist.

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