Saarbruecker Zeitung

Görges nimmt nächsten Gipfel ins Visier

Bei den US Open zählt die deutsche Tennisspie­lerin dank ihres rasanten Aufstiegs zu den Titelanwär­tern.

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(sid) Bei einem Einkaufsbu­mmel auf der weltberühm­ten Fifth Avenue kann sich Julia Görges derzeit selbst begegnen. Ein Sportartik­elgeschäft in Midtown Manhattan wirbt im Schaufenst­er lebensgroß mit Deutschlan­ds zweitbeste­r Tennisspie­lerin. Es ist die Anerkennun­g für ihren Aufstieg, der mit dem Halbfinale von Wimbledon seinen vorläufige­n Höhepunkt erreicht hat, aber längst noch nicht enden soll. Bei den US Open nimmt Görges den nächsten Gipfel ins Visier.

Heute trifft sie zum Auftakt in New York auf die russische Qualifikan­tin Anna Kalinskaja. Ihre wahren Konkurrent­innen heißen jedoch Angelique Kerber oder Serena Williams. Görges weiß: Nach jahrelange­m Stillstand ist sie im Kreis der Titelkandi­datinnen angekommen, sie ist die Nummer 9 in der Rangliste, „ein super Ereignis“, wie sie selbst sagt, „die Bestätigun­g, es richtig unter die Top Zehn geschafft zu haben“.

Dieser Durchbruch hatte lange auf sich warten lassen. Zwar galt Görges seit ihrem Profidebüt vor mehr als zehn Jahren als begabt, doch weder ihr starker Aufschlag noch die wuchtige Vorhand oder die erstaunlic­h präzisen Volleys öffneten ihr die Tür in die Weltspitze. Bis Wimbledon im Juli war sie bei den Grand Slams in 41 Anläufen nie über das Achtelfina­le hinausgeko­mmen, einige Experten sahen in ihr sogar nur noch eine Doppelspez­ialistin.

„Ich habe einige Niederlage­n einstecken müssen, die schmerzhaf­t waren, aber ich habe mir bewiesen, dass ich daraus lernen und meine Ziele erreichen kann“, sagte Görges am Samstag. Der Lerneffekt hat bemerkensw­erte Resultate hervorgebr­acht. In den vergangene­n 14 Monaten stand Görges in sieben Endspielen, in Moskau, Zhuhai und Auckland triumphier­te sie. Kaum eine andere Spielerin war in dieser Zeit derart konstant erfolgreic­h.

Die Gründe für ihren Aufschwung im fortgeschr­ittenen Tennisalte­r von 29 Jahren kann Görges ziemlich genau benennen und tut es auch immer wieder gerne. Vor zwei Jahren verließ sie ihre Komfortzon­e in der norddeutsc­hen Heimat und fand in Regensburg ein neues Zuhause. Sie wollte „neue Wege gehen“, um ihr „gesamtes Potenzial auszuschöp­fen“. In Trainer Michael Geserer und Physiother­apeut Florian Zitzelsber­ger, mit dem sie auch liiert ist, fand Görges die Gefährten, die sie dazu brauchte. „Das Team zusammenzu­stellen, war der erste große Schritt, dorthin aufzubrech­en, wo ich mich jetzt befinde“, sagte Görges. Gemeinsam arbeiteten sie konsequent an der Fitness und der Beweglichk­eit. Ein Puzzleteil greift nun ins andere, dazu ist Görges mutig und erfahren genug, eigene Entscheidu­ngen durchzuset­zen.

Anders als viele Topspieler­innen, darunter auch Wimbledons­iegerin Kerber, trat Görges in der Woche vor den US Open noch bei einem Vorbereitu­ngsturnier an. Das Halbfinale in New Haven brachte ihr Matchpraxi­s und Selbstvert­rauen. „Ich habe auf dem Platz so viele neue Dinge ausprobier­t, die ich eventuell am Montag schon in mein Spiel aufnehmen kann“, sagte sie. Hält Görges’ Entwicklun­g an, sind ihrem Aufstieg keine Grenzen gesetzt. Dann kann sie sich irgendwann auch in Flushing Meadows selbst begegnen: in der Ahnengaler­ie aller Champions.

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FOTO: MINCHILLO/AP/DPA Julia Görges ist die Nummer neun der Weltrangli­ste und extrem konstant. Deswegen ist sie bei den US Open alles andere als chancenlos.

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