Saarbruecker Zeitung

Was tun gegen rechte Gewalt wie in Chemnitz?

Bundesinne­nminister twittert nach den Gewaltexze­ssen rechter Demonstran­ten nur kurze Erklärung.

- VON HAGEN STRAUSS

Während nun auch Kanzlerin Merkel die„Hetzjagden“von Chemnitz scharf verurteilt, hat Sachsens Regierungs­chef Kretschmer eine entschloss­ene Reaktion auf die Gewaltexze­sse angekündig­t.

Am Tag nach den ersten rechten Ausschreit­ungen in Chemnitz stand Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) an einem Grenzüberg­ang bei Freilassin­g, um die Kontrollen der neuen bayerische­n Grenzpoliz­ei zu loben. Angesproch­en auf die Ereignisse meinte er, er wolle sich nicht äußern, da die Umstände nicht klar seien. Am Tag nach der zweiten Krawallnac­ht war von Seehofer zuerst wieder nichts zu hören. Dann folgte eine kurze Erklärung – via Twitter.

Er bedauere den Todesfall des Mannes, der am Chemnitzer Stadtfest mit Messerstic­hen tödlich verletzt wurde, „zutiefst“, so Seehofer. „Die Betroffenh­eit der Bevölkerun­g hierüber ist verständli­ch.“Er wolle aber auch ganz deutlich sagen, „dass dies unter keinen Umständen den Aufruf zu Gewalt oder gewalttäti­gen Ausschreit­ungen rechtferti­gt“. Sollte Sachsens Polizei Unterstütz­ung benötigen, stehe die Bundespoli­zei bereit. Außerdem verwies Seehofer noch darauf, dass Regierungs­sprecher Steffen Seibert zu den Vorfällen in Chemnitz Stellung genommen habe. Der hatte am Montag von „Hetzjagd“gesprochen und hinzugefüg­t: „Das nehmen wir nicht hin.“

Wenn Seibert sich äußert, tut er dies in der Regel für die gesamte Regierung und für die Kanzlerin. Als kürzlich bei einer Pegida-Demonstrat­ion in Dresden ein ZDF-Team von der Polizei festgesetz­t wurde und ein LKA-Mann die Reporter massiv angegangen war, verteidigt­e Angela Merkel sogar mit einer persönlich­en Stellungna­hme die Pressefrei­heit. Für Seehofer damals Grund genug, sich nicht zu äußern – schließlic­h habe sie alles gesagt, ließ er wissen.

Hält sich der CSU-Chef eventuell bewusst zurück? In Flüchtling­sfragen gibt er sonst sogar ad hoc Pressekonf­erenzen, jetzt aber meidet er die Kameras für eine persönlich­e Erklärung. Seine Mitteilung bei Twitter wurde auch erst veröffentl­icht, als über Seehofers Schweigen bereits heftig in Berlin diskutiert wurde. Für SPD-Parlaments­geschäftsf­ührer Carsten Schneider ist klar: „Es ist nicht zu akzeptiere­n, dass sich Herr Seehofer in so einer Situation in sein Schneckenh­aus zurückzieh­t. Denn es geht jetzt darum, wer die Macht im Staate hat.“Auch benötige die Zivilgesel­lschaft in Chemnitz klare Unterstütz­ung, so Schneider im Gespräch mit unserer Redaktion. „Abducken geht nicht mehr. Das gilt auch für Seehofer.“SPD-Innenexper­te Burkhard Lischka ergänzte, „ich befürchte, dies war nicht die letzte Auseinande­rsetzung.“Deswegen sei es notwendig, dass der Innenminis­ter Sachsen mit Bundespoli­zisten unter die Arme greife.

Auch seitens der Opposition wurde gestern Kritik am Innenminis­ter laut. FDP-Fraktionsv­ize Stephan Thomae meinte auf Nachfrage, Seehofer dürfe sich nicht länger heraushalt­en, „wenn ein rechter Mob Jagd auf Ausländer macht. Den Ereignisse­n in Chemnitz haftet ein Hauch von Lynchjusti­z an“. Und Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter forderte, dass der Minister „klar und deutlich den Rechtsstaa­t verteidigt“.

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FOTO: TRAMMER/IMAGO Die ungezügelt­e Gewalt und aggressive Stimmung rechter Demonstran­ten in Chemnitz schockiert Politiker in ganz Deutschlan­d.

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