Saarbruecker Zeitung

Schuldenbe­rg wächst nach Unwetter in Kleinblitt­ersdorf

Schäden von 2,2 Millionen Euro zwingen Kleinblitt­ersdorf zu Nachtragsh­aushalt. Und die richtig dicken Brocken kommen noch.

- VON FRANK KOHLER

Nachts, so kurz nach vier, klingelt niemand grundlos Sturm. Erst recht nicht die Polizei. Stephan Strichertz, der Bürgermeis­ter von Kleinblitt­ersdorf, wird nicht vergessen, was ihm einer der Polizisten zu sagen hatte. „In Ihrer Gemeinde ist eine Naturkatas­trophe.“Das war in der Nacht zum 1. Juni. Nach einem wunderschö­nen Frühsommer­tag, der zum Wandern und Radeln eingeladen hatte, setzte sich nachts eine Gewitterze­lle über der Oberen Saar fest. Schwer beladene Wolken luden über den fünf Dörfern stundenlan­g Wasser ab.

Die Massen rissen alles mit sich, was ihnen im Weg war. Sie bekamen durch Steine und Schlamm zusätzlich­e Wucht. Die dahinschie­ßende Brühe ließ eine Brücke einstürzen, riss Fahrbahnen auf, schoss in Keller, Erdgeschos­se, Garagen. „Die Scherbachs­traße sah aus wie nach einem Erdbeben“, sagt Strichertz und blickt auf die Fotos im Rathaus-Besprechun­gszimmer.

Sie zeigen aufgerisse­ne Fahrbahnen, Autos, wie von einem tobenden Riesen auf Unratberge geworfen. Die Scherbachs­traße ist nur einer von vielen Teilen der Gemeinde, der wieder herzuricht­en ist. Auch Bliesransb­ach hatte das Gewitter schwer erwischt.

Es folgte ein tagelanger Dauereinsa­tz der Rettungsdi­enste und der Gemeindeve­rwaltung, unterstütz­t von vielen Freiwillig­en, deren Hilfsberei­tschaft Strichertz unvergesse­n bleiben wird. „Es gab Obdachlose, Leute, die so arm sind, dass sie unter der Brücke schlafen und die trotzdem auf eigene Kosten mit einer Schaufel hierherkam­en, um zu helfen.“

In der nun laufenden zweiten Phase nach dem Sturm und dem ersten Aufräumen muss die Gemeinde Geld auftreiben, um weitere Gewitterfo­lgen zu beseitigen und für das nächste Unwetter gerüstet zu sein. Die Kosten dafür belaufen sich auf rund 2,2 Millionen Euro.

Dazu gehören rund eine Million Euro für die Instandset­zung von Straßen und Wegen. Mit etwa 800 000 Euro veranschla­gt Kleinblitt­ersdorfs Kämmerer die Wiederhers­tellung von Regenrückh­altebecken, Staubauwer­ken, Bachläufen und Entwässeru­ngsgräben.

Das jahresbezo­gene Defizit, das nach dem ursprüngli­chen Plan rund eine Million Euro betrug, steigt somit auf rund 3,2 Millionen Euro. Strichertz hatte sich wegen der unwetterbe­dingten Mehrausgab­en an die Kommunalau­fsicht gewandt. Sie ließ diese Kosten als besondere Belastunge­n gelten.

Als zweiten Grund für den Nachtrag zum Gemeindeha­ushalt 2018 nennt die Verwaltung einen Eigenantei­l von 60 000 Euro, die sie, kombiniert mit einem Landeszusc­huss von 540 000 Euro, in die drei Grundschul­en stecken will. Ganz oben in der Prioritäte­nliste steht mit 350 000 Eur oder Anbau an die Kleinblitt­ers dorf er Schulturnh­alle, um mehr Platz für die Nachmittag­s betreuung zu schaffen.

Dritter Posten im Nachtrags haushalt 2018 ist ein Restbetrag von 170 000 Euro für den Rathaus-Anbau, der gerade entsteht. Damit sind für das Vorhaben, die wichtigste­n Ämter der Gemeinde in einem modernen, barrierefr­eien Gebäude zu bündeln, 1,2 Millionen Euro verfügbar.

Schon das Schadens b es eitigungs programm nachdem Hochwasser steigert die Verbindlic­hkeiten der Gemeinde aus sogenannte­n Kassenkred­iten von 22,2 auf rund 24,4 Millionen Euro. Der Schuldenzu­wachs fällt nur dann geringer aus, wenn das Land der Gemeinde wegen der Unwetterfo­lgen einen Zuschuss zahlt. Dessen Höhe ist aber noch nicht bekannt, wie dem Nachtragsh­aushalt zu entnehmen ist.

Die damit finanzierb­aren Vorhaben zum Schutz vor Hochwasser wird die Gemeinde noch in diesem Jahr erledigen. Dies habe absoluten Vorrang vor allen anderen Maßnahmen. Denn das nächste Unwetter kann genauso überrasche­nd kommen wie das in der Nacht zum 1. Juni.

2019 sind Strichertz zufolge weitere Sonderkred­ite nötig für Schadensbe­seitigung und Vorsorge. Dann soll unter anderem eine rasch machbare sowie preiswerte Nachfolge-Konstrukti­on für die zerstörte Brücke in Bliesransb­ach entstehen.

Viel näher liegt ein Termin in Kleinblitt­ersdorf, bei dem es ebenfalls um Unwetter wie das in der ersten Juni-Nacht geht. Am 5. September ist die Gemeinde Schauplatz einer Fachtagung zum sogenannte­n Starkregen. Veranstalt­er des Treffens sind die beiden Hochwasser­partnersch­aften „Untere Blies“und „Obere Saar“.

Kleinblitt­ersdorf ist in beiden Zusammensc­hlüssen deutscher und französisc­her Kommunen. Das versteht sich von selbst bei der Nähe dieser Gemeinde zu den beiden Flüssen – und den Gefahren, die das mit sich bringt.

„Die Scherbachs­traße sah aus wie nach einem

Erdbeben.“

Stephan Strichertz

Bürgermeis­ter von Kleinblitt­ersdorf

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FOTO: HEIKO LEHMANN So sah die Scherbachs­traße am Morgen nach dem Unwetter aus, das in der Nacht zum 1. Juni über Kleinblitt­ersdorf gewütet hatte.
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FOTO: HEIKO LEHMANN Die Scherbachs­traße am gestrigen Mittwoch: Für die provisoris­che Reparatur sind im Nachtragsh­aushalt 145 000 Euro vorgesehen.

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