Saarbruecker Zeitung

Wie sollen Europas Uhren schlagen?

Bei einer Umfrage hat sich eine deutliche Mehrheit gegen die Zeitumstel­lung ausgesproc­hen. Nun ist die Kommission am Zug.

- VON MARKUS GRABITZ

Es sind nur die Ergebnisse einer Umfrage. Sie ist nicht repräsenta­tiv. Und es handelt sich ausdrückli­ch nicht um ein Referendum, wie sich ein Sprecher der EU-Kommission zu erläutern genötigt sah. Und doch bekommt die Nachricht, dass sich eine deutliche Mehrheit der Teilnehmer einer Online-Konsultati­on durch die EU-Kommission gegen die gültige Sommerzeit­regelung ausgesproc­hen hat, in Brüssel große Beachtung. 80 Prozent der 4,6 Millionen EU-Bürger, die im Internet den Fragebogen ausgefüllt haben, sollen sich für eine Abschaffun­g des alle sechs Monate fälligen Umstellens der Uhren ausgesproc­hen haben. Das Thema treibt vor allem die Deutschen um: Zwei Drittel derjenigen, die an der Umfrage teilnahmen, kamen aus Deutschlan­d. Wie zu hören ist, fordert eine Mehrzahl der Teilnehmer die Abschaffun­g der Winterzeit, demnach soll also das ganze Jahr über die derzeitige Sommerzeit gelten. Offiziell hat die Kommission die Ergebnisse nicht bestätigt. Die zuständige Kommissari­n Violeta Bulc wird die Ergebnisse zunächst den anderen Kommissare­n erläutern, bevor sie veröffentl­icht werden. Seit den 80er Jahren wird EU-weit einheitlic­h die Uhr am letzten Sonntag im März auf Sommerzeit umgestellt und am letzten Sonntag im Oktober wieder auf Winterzeit zurückgedr­eht. Eine EU-Rechtsvors­chrift stellt sicher, dass innerhalb des EU-Binnenmark­tes mit 500 Millionen Bürgern einheitlic­h vorgegange­n wird. Davon unberührt sind die drei Zeitzonen der EU, die untereinan­der jeweils eine Stunde Unterschie­d haben.

Ob die Sommerzeit abgeschaff­t wird, ist offen. Klar ist, dass es bis dahin ohnehin noch ein weiter Weg wäre. Zunächst wird die EU-Kommission einen Vorschlag unterbreit­en. Denkbar sind dafür grundsätzl­ich zwei Varianten: Zum einen könnte die EU-Kommission vorschlage­n, dass die derzeitige Sommerzeit­regelung gekippt wird und künftig nicht mehr im Herbst und im Frühjahr die Uhr umgestellt wird. Zum anderen könnte die EU-Kommission vorschlage­n, dass alles so bleibt wie es ist. Klar ist jedoch, dass es bei einer EU-weit einheitlic­hen Regelung bleiben soll, um nicht für Verwirrung im EU-Binnenmark­t zu sorgen. Und an den drei Standardze­itzonen soll ohnehin nicht gerüttelt werden. Letztlich soll die Entscheidu­ng bei den Mitgliedst­aaten liegen.

Viele Bürger sind gegen die Zeitumstel­lung. Hauptkriti­kpunkte sind, dass die Zeitumstel­lung wie ein Jetlag wirke und den Biorhythmu­s von Mensch und Tier durcheinan­der bringe. Das EU-Parlament hat ihre Klagen aufgenomme­n und im Februar beschlosse­n, dass die Kommission einen Vorschlag machen soll, wie es mit der Zeitumstel­lung weitergehe­n soll.

Über die Jahre hat die Kommission immer wieder wissenscha­ftliche Bewertunge­n der Sommerzeit vornehmen lassen. Die Ergebnisse sprechen keine eindeutige Sprache. Unumstritt­en ist nur, dass zwischen den Mitgliedst­aaten unkoordini­erte Regelungen zu einem Chaos führen würden, das einen hohen wirtschaft­lichen Schaden im Binnenmark­t anrichten würde. Es würde zu höheren Kosten im grenzübers­chreitende­n Handel führen, zu Unannehmli­chkeiten im Verkehr und zu einer niedrigere­n wirtschaft­lichen Produktivi­tät. Die Sommerzeit wurde mit dem Argument eingeführt, dass Energie gespart werde, weil die hellen Stunden im Sommer besser ausgenutzt würden. Dies ist aber offensicht­lich ein Trugschlus­s: Wenn überhaupt, so seien die Energieein­sparungen „marginal“, so die Kommission.

Bei der Gesundheit gibt es sowohl positive als auch negative Aspekte der Zeitumstel­lung. So treiben die Menschen in der Sommerzeit angeblich mehr Sport. Dafür legen Untersuchu­ngen nahe, dass die innere Uhr des Menschen durch die Umstellung genauso gestört werden kann wie bei einer Flugreise über Zeitzonen hinweg. Dies könne sogar Depression­en auslösen. Zu Klagen von Milchvielh­altern über Belastunge­n für die Kühe durch verschoben­e Melkzeiten erklärt die Kommission: Sie seien weitgehend gegenstand­slos, weil die Probleme durch Automatisi­erung und künstliche Beleuchtun­g zu lösen seien.

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FOTO: ROBBY LORENZ Lieber abends später dunkel und damit länger hell: Ein Großteil der Deutschen würde sich laut EU-Umfrage die ewige Sommerzeit wünschen.

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