Saarbruecker Zeitung

Bundesbank fordert Abzug des Euro-Clearings aus London

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(jwo) Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass Großbritan­nien mit einem harten Brexit aus der EU ausscheide­n wird. Die Verhandlun­gen bringen trotz des Zeitdrucks kaum Fortschrit­te. Angesichts dieser Stagnation hat Bundesbank-Vorstand Johannes Beermann einen Abzug des Euro-Clearings aus London gefordert. „Bei einem harten Brexit wird für mich die Frage, dass das Euro-Clearing nach Kontinenta­leuropa kommt, immer drängender“, sagte Beermann am Rande einer Veranstalt­ung in Saarbrücke­n.

London ist aktuell der wichtigste Handelspla­tz für Euro-Transaktio­nen. Nach Angaben der Bank für internatio­nalen Zahlungsau­sgleich werden an den Clearing-Stellen in der britischen Hauptstadt täglich Euro-Finanzgesc­häfte in Höhe von über 600 Milliarden Euro abgewickel­t. Nach Angaben der Europäisch­en Zentralban­k sind das unter anderem 95 Prozent der Zinsgeschä­fte im Euroraum. Die Hauptrolle spielt dabei das Clearingha­us LCH, eine Tochter der Londoner Börse.

Clearing-Häuser haben nach der Finanzkris­e an Bedeutung gewonnen. Sie sind im Handel Mittler zwischen Käufer und Verkäufer und springen ein, wenn einer der Vertragspa­rtner ausfällt. Angesichts der hohen Beträge, die über diese Häuser gehandelt werden, ist es für Beermann existenzie­ll, dass sie auch entspreche­nd kontrollie­rt werden: „Wir müssen uns schon die Frage stellen, ob das Euro-Clearing von risikoreic­hen Zinsderiva­ten noch in einem Land angesiedel­t sein kann, in dem die Europäisch­e Union überhaupt keinen Zugriff mehr hat“, sagt er. Schließlic­h sei, wenn Großbritan­nien nicht mehr Teil der EU ist, auch keine wirksame europäisch­e Aufsicht mehr über die britischen Clearing-Stellen möglich.

Im Rahmen der Finanzkris­e hatte die EU klare Regeln für die sogenannte­n Derivatemä­rkte erlassen. Die Geschäfte dürfen demnach nur noch über von der europäisch­en Wertpapier­aufsicht zugelassen­e Stellen (Central Counterpar­ty, CCP) abgewickel­t werden. Ein Ausfall einer solchen Clearing-Stelle hätte dramatisch­e Auswirkung­en auf das gesamte Finanzsyst­em. Die Bundesbank hatte deshalb schon Mitte Mai davor gewarnt, Euro-Clearing-Stellen außerhalb der Gemeinscha­ft bestehen zu lassen. Zuvor hatte der EU-Währungsau­sschuss einen Gesetzentw­urf gebilligt, der es Clearing-Häusern bei entspreche­nder Aufsicht gestattet, außerhalb der EU tätig zu bleiben. Bei einem harten Brexit sieht Beermann diese Voraussetz­ung nicht mehr als gegeben an.

Beermann ist sich bewusst, dass seine Forderung auf Widerstand stößt: „Natürlich sind die Banken nicht begeistert, wenn sie künftig Clearing-Stellen innerhalb der EU, also in Kontinenta­leuropa nutzen müssten. Denn das bedeutet dann auch, dass sie unter Umständen ihre Verträge komplett neu verhandeln müssen.“

Beermann sieht noch weitere Auswirkung­en des Brexit auf den Finanzmark­t in Europa. Vor allem werde die Rolle der Auslandsba­nken in den 27 verbleiben­den EU-Staaten deutlich zunehmen. Viele von ihnen haben ihren Sitz in London, sind aber durch den Austritt zum Umzug gezwungen. „Sie werden EU-Lizenzen brauchen und damit auch einen Sitz in der Europäisch­en Union“, sagt Beermann. Sei es in Paris, Amsterdam oder auch Frankfurt. Auch werde durch die Ansiedlung großer Wertpapier­handelsban­ken und die neu entstehend­en Arbeitsplä­tze die Konkurrenz um Mitarbeite­r angefacht.

Die Entscheidu­ng der Briten selbst, die EU zu verlassen, will Beermann nicht kommentier­en. „Die Briten sind ein souveränes Volk, das eine Entscheidu­ng getroffen hat.“Diese gelte es zu akzeptiere­n. „Wichtig ist jetzt nur, dass wir mit dieser Entscheidu­ng vernünftig umgehen und gewachsene Kontakte ordentlich weiter pflegen.“

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FOTO: BUNDESBANK Bundesbank-Vorstand Johannes Beermann fordert eine Neuordnung des Euro-Clearings.

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