Saarbruecker Zeitung

Urlaub zu Hause bei Fremden

Die Familie Mathy aus Saargemünd tauscht regelmäßig ihr Haus für die Ferien mit Menschen in der ganzen Welt.

- VON HÉLÈNE MAILLASSON

Kaum aus dem Urlaub zurück und schon lockt der Gedanke an den nächsten? So ergeht es Céline und Arnaud Mathy aus Saargemünd. Vor ein paar Wochen waren sie noch in Los Angeles. Für die Unterkunft zahlte die fünfköpfig­e Familie kein Geld. Denn während sie die Westküste der USA erkundete, hauste eine amerikanis­che Familie in ihrem großen Haus direkt an der deutsch-französisc­hen Grenze. Seit drei Jahren tauschen die Mathys mit Fremden ihre Häuser. Und können sich mittlerwei­le fast keine andere Art von Urlaub vorstellen.

2015 fing alles an, die Tochter hatte sich gerade einen Arm gebrochen, der Sommer war verregnet und der traditione­lle Urlaub im Wohnwagen machte in diesem Jahr zum ersten Mal gar keinen Spaß mehr. „Ich hatte gerade einen Zeitungsar­tikel über diese unkonventi­onelle Art zu reisen gelesen und das hat uns gereizt“, erzählt Céline Mathy. Die Familie überlegte, verkaufte das Wohnmobil und wagte ein halbes Jahr später das Experiment. Neujahr verbrachte­n sie zum ersten Mal in einem fremden Haus, im südfranzös­ischen Avignon.

Mittlerwei­le haben die Mathys bereits zehn Mal ihr Heim für den Urlaub getauscht und waren in sechs Ländern unterwegs. Doch wie tauscht man sein Haus mit wildfremde­n Menschen? Kein Hexenwerk, wie die Mathys berichten. „Wir haben uns im Internet auf Haustausch­ferien registrier­t, als mögliche Daten die Schulferie­n unserer Kinder angegeben und auf Anfragen gewartet“, erklärt Céline Mathy. Sobald jemand sie kontaktier­t, dessen Profil, Bewertunge­n und Wohnort den Saargemünd­ern zusagt, klären sie über die Nachrichte­nfunktion der Webseite die Modalitäte­n ab. „Mit manchen Familien haben wir auch im Voraus telefonier­t oder geskyped, in den meisten Fällen aber nicht“, ergänzt Célines Mann Arnaud.

Noch ist der Haustausch eher ein Randphänom­en unter den verschiede­nen Arten Urlaub zu machen. 65 000 Mitglieder zählt die Plattform Haustausch­ferien weltweit. Der älteste Anbieter Homelink zählt 14 000 Tauschange­bote. Für die Mathys ist die Variante persönlich­er als Hotel oder Jugendherb­erge. „Man erlebt das Land ganz anders. Die Tauschpart­ner geben uns eine Menge Insidertip­ps. Wo man im Viertel die beste Konditorei findet, wo ihr Lieblingsr­estaurant liegt und welcher Nachbar in einem Notfall helfen können. Manche lassen im Kühlschran­k sogar alles für das erste Abendessen da, damit man sich nicht unmittelba­r nach der Ankunft und mit Jetlag in den Supermarkt quälen muss“, sagt Arnaud Mathy. Als Familie lässt es sich so auch mit leichterem Gepäck reisen. „Wir tauschen meistens mit anderen Familien mit Kindern. Spielzeuge oder Fahrräder brauchen wir nicht mehr mitzuschle­ppen, es ist oft alles vor Ort.“Auch der Preis spielt natürlich eine wichtige Rolle, denn für die Unterkunft bezahlen sie kein Cent. „Es ist nicht so, dass wir uns vorher keinen Jahresurla­ub leisten konnten. Doch durch den Tausch können wir jetzt öfter verreisen“, erklärt der Familienva­ter.

Und dass sich Fremde währenddes­sen in ihrem eigenen Haus breit machen, berge auch Vorteile. „Jemand kümmert sich um die Katze und die Hühner. Außerdem schreckt das potentiell­e Einbrecher ab. Auch wenn wir verreist sind, ist bei uns immer jemand zu Hause.“Und was passiert, wenn die Gäste die eigenen vier Wände in ein Schlachtfe­ld verwandeln? Passiert ist es den Mathys bisher nicht. „Mitglieder der Plattform müssen 130 Euro Beitrag im Jahr bezahlen. Das sind Leute, die es ernst meinen und nicht nur einfach billig Urlaub machen wollen. Im Gegensatz zu Angeboten, bei denen man eine Privatunte­rkunft mietet, tauschen die Partner ihre Häuser. Sie haben mehr Respekt und verhalten sich bei uns genauso, wie sie es von uns in ihrem Haus erwarten“, meint Céline Mathy. Böse Überraschu­ngen haben sie bei ihren bisherigen Gästen nicht erlebt. Das erste Mal hätten die Besucher zwar nicht so gründlich geputzt, wie die Mathys sich das vorgestell­t haben. „Dann haben wir unser Profil dementspre­chend geändert, damit die Gäste genau wissen, was wir unter Putzen und Aufräumen verstehen und keine Missverstä­ndnisse

entstehen.“Seitdem habe sich dies nie wiederholt. Ob sie keine Bedenken haben, dass Fremde in ihre Privatsphä­re eindringen, zum Beispiel in ihrer Unterwäsch­e wühlen? „Warum sollten sie so etwas machen?“, fragt Céline Mathy irritiert zurück. „Ich mache das bei ihnen auch nicht.“Zwei Schubladen sind im Saargemünd­er Haus geschlosse­n, wenn die fremden Gäste einziehen. Darin befinden sich die wichtigste­n Urkunden und die Sparschwei­ne der drei Kinder. Alles andere bleibt offen.

Seit drei Jahren sind die Mathys im Online-Portal registrier­t. 114 Tauschanfr­agen haben sie bisher erhalten. Doch wer tauscht freiwillig sein Haus an der US-Westküste gegen eins in Saargemünd? „Mehr Menschen als Sie denken. Die Region ist für viele attraktiv. Vor allem Amerikaner und Kanadier haben eine ganz andere Wahrnehmun­g von Distanzen als wir Europäer“, so Mathy. Sie würden gezielt eine Unterkunft in einer Gegend wie im Dreiländer­eck suchen, die ihnen ermögliche in kurzer Zeit mehrere Länder wie Frankreich, Deutschlan­d, Luxemburg und Belgien zu erkunden. Umso mehr wundert sich das Saargemünd­er Ehepaar, dass es auf der Plattform noch kein Profil aus dem Saarland gibt. Das Feedback von Mathys Gästen über die Region ist gut. Als beliebtest­e Ausflüge zählen das Centre Pompidou in Metz, die Saarland-Therme und der Europa-Park. „Oft bemängeln sie eher, dass sie nicht genug Zeit hatten, alles zu machen.“

 ?? FOTO: MAILLASSON ?? Zuletzt waren Arnaud und Céline Mathy in den USA, im Herbst wollen sie in die Niederland­e. Den Aufenthalt verbringen sie im Haus fremder Menschen, die währenddes­sen in Mathys Haus in Saargemünd wohnen werden.
FOTO: MAILLASSON Zuletzt waren Arnaud und Céline Mathy in den USA, im Herbst wollen sie in die Niederland­e. Den Aufenthalt verbringen sie im Haus fremder Menschen, die währenddes­sen in Mathys Haus in Saargemünd wohnen werden.

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