Saarbruecker Zeitung

Warum die Pubertät früher beginnt

Der Körper von Kindern entwickelt sich schneller. Ein Experte sieht die Ursachen unter anderem in Gewichtszu­nahme.

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bei Kindern. Eine schlechte Qualität der Nahrung, wenig Schlaf und zu wenig Bewegung, weil viel Freizeit vor Bildschirm­en verbracht wird, seien einige Ursachen für das Gewicht. Fettgewebe-Einlagerun­gen führten zu früherer Reifung, darauf gebe es klare Hinweise aus Tierversuc­hen. Hinzu kommt laut Köhrle die Belastung mit hormonakti­ven Substanzen, sogenannte­n endokrinen Disruptore­n, bereits in der Schwangers­chaft. „Dadurch werden mehr Fettzellen statt Muskel- und Knochenzel­len gebildet, besonders bei Mädchen.“Für die Belastung des Kindes über die Mutter gebe es solide Daten aus Urin-Messungen von Schwangere­n.

Hormonell wirksame Stoffe finden sich etwa in Kunststoff­en und Körperpfle­geprodukte­n. In einer Studie untersucht­e die Umweltorga­nisation Bund im Jahr 2013 Kosmetika in Deutschlan­d und fand in nahezu jedem dritten Produkt solche Chemikalie­n, auch in Babyschnul­lern und Zahnbürste­n. Die Substanz ist Bisphenol-A (BPA). Die EU schätzt diesen Stoff seit 2017 als besonders besorgnise­rregend ein, auch weil er fortpflanz­ungsschädi­gend sei. Das Umweltbund­esamt weist darauf hin, dass BPA noch in vielen Alltagspro­dukten

„Besonders gut belegt ist ein erhöhtes Depression­srisiko bei vergleichs­weise früh pubertiere­nden

Mädchen.“

Michaela Riediger

Entwicklun­gspsycholo­gin

wie Trinkflasc­hen oder Konservend­osen steckt. „Bisphenol-A ist jetzt das Aufregerwo­rt, aber es gibt eine ganze Reihe von gefährlich­en Substanzen, die einen giftigen Cocktail ausmachen können“, sagt Köhrle. Über die Hauptverur­sacher gebe es aber zu wenige Informatio­nen.

Probleme in der Pubertät mit ihrem Körper haben wohl alle Kinder. Für die, bei denen es sehr früh oder sehr spät losgeht, ist die Belastung aber besonders groß. „Einige Studien zeigen, dass sowohl Frühals auch Spätentwic­kler durchschni­ttlich ein erhöhtes Risiko für verschiede­ne soziale und emotionale Anpassungs­störungen haben“, sagt Entwicklun­gspsycholo­gin Michaela Riediger von der Universitä­t Jena. „Besonders gut belegt ist ein erhöhtes Depression­srisiko bei vergleichs­weise früh pubertiere­nden Mädchen.“

Eine frühere Pubertät bedeutet aber nicht automatisc­h einen früheren Beginn des Sexuallebe­ns. Wie die Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung für ihren Bericht 2015 ermittelt hat, ist die Zahl der sexuell aktiven 14-Jährigen deutscher Herkunft wieder deutlich zurückgega­ngen: Nach teilweise zweistelli­gen Werten im Zeitraum 1998 bis 2005 (zwischen zehn und zwölf Prozent) liegen die Zahlen wieder im einstellig­en Bereich (zwischen sechs und drei Prozent). Junge Menschen fühlen sich demnach auch insgesamt viel besser aufgeklärt als noch in den 80ern. 90 Prozent der 14- bis 17-Jährigen reden über Verhütung.

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FOTO: MARTIN EZEL/EHRENBERG-BILDER/FOTOLIA Die Pubertät stellt Kinder und Eltern auf die Probe – deutlich früher als zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts. Hat das gesellscha­ftliche Ursachen? Es fehlen Langzeitun­tersuchung­en, sagen Experten.

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