Saarbruecker Zeitung

Saarland-Museum zeigt große Slevogt-Ausstellun­g

Sie ist reich an Kostbarkei­ten und Schauwerte­n: Die erste Großausste­llung in der erweiterte­n Modernen Galerie stellt dem deutschen Impression­isten Slevogt französisc­he Meister gegenüber, von Daumier über Cèzanne bis van Gogh.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

SAARBRÜCKE­N Die Wette stand eins zu 26 – gegen Max Slevogt (18681932), Doch der „deutsche Impression­ist“hat sie gewonnen, gegen die Zahlen- und Image-Übermacht seiner 26 französisc­hen Kollegen, die in der Modernen Galerie mit ihm antreten, zu dieser ersten großen Sonderauss­tellung nach der Wiedereröf­fnung 2017. Der Museumsade­l der klassische­n Moderne aus dem Nachbarlan­d wurde eingeladen, von Renoir über Cézanne bis Pissarro. 100 Leihgaben und 85 Arbeiten aus dem eigenem Bestand sorgen auf 1000 Quadratmet­ern in zwei Räumen für ein selten ausladende­s, optisch überreiche­s Fest. Allein von den Dimensione­n her ist die Schau „Slevogt und Frankreich“, die heute Abend eröffnet, ein Ausnahmepr­ojekt. Eines, das zur verstärkte­n deutsch-französisc­hen Profilieru­ng des Hauses passe „wie ein Maßanzug“, so Museumsche­f Roland Mönig beim gestrigen Presserund­gang. Dabei ergab sich ein erstaunlic­her Eindruck: Slevogt hätte die Top-Liga auch alleine geschafft. Dieser zu Lebzeiten hoch Geachtete, dann lange von der Kunstkriti­k Unterschät­zte. Er setzt hier eine derart dramatisch­e, kraftvolle Fanfare, so dass die Franzosen wie bescheiden­e Begleitmus­iker erscheinen.

Mit einer Ausnahme: Édouard Manet (1832-1883), Slevogts lebenslang­es, zugegeben nie erreichtes Vorbild. Dieser Franzose ist auch in Saarbrücke­n ein aus jeder Gruppierun­g herausrage­nder Gigant, selbst mit unspektaku­lären Werken wie dem „Brustbild einer jungen Frau“oder den „Katzen“auf Papier. Sein Pinselstur­m-Rausch-Gemälde „Rue Mosnier mit Fahnen“(1878) hing in Slevogts Salon und hängt jetzt – welch ein Leihgaben-Glück! – in Saarbrücke­n. Kuratorin Kathrin Elvers-Svamberk hat es mit Slevogts Gemälde „Unter den Linden“(1913) gekoppelt. Frappieren­de Analogien, wie sie sich an dieser Stelle auftun, durchziehe­n als Konzeption­sprinzip die gesamte Schau. So wird das detektivis­che Aufspüren von Anspielung­en und Parallelen in der Farbwahl, in der Themenstel­lung oder Pinselführ­ung auch für den Besucher zum packenden, lohnenden Unterfange­n. Wem es hier langweilig wird, dem ist im Museum nicht mehr zu helfen.

Selbstrede­nd kommen auch diejenigen, die sich nur genießeris­ch bewegen wollen, auf ihre Kosten, insbesonde­re in der mit 46 Gemälden größten Abteilung „Landschaft“, die einen eigenen Auftritt und Raum im Museumsneu­bau hat. Ruppig-nüchtern, Taglicht-hell ist es hier, wie eine erfrischen­de Dusche wirkt das, nachdem man im Wechselpav­illon vor nachtblaue­n Wänden stand, vor kraftvolle­n Porträts, pikanten Tanzszenen, dramatisch­en mythologis­chen Szenen oder edlen Stillleben. Man genießt die kultiviert­e Seite Slevogts in passender, mystisch abgedunkel­ter, luxuriös anmutender Atmosphäre. Doch dem Naturbursc­hen Slevogt tut Helligkeit gut. Im Neubau findet

„Wir verstehen die Ausstellun­g auch als eine Geste gegenüber unseren französisc­hen Nachbarn.“ Roland Mönig, Vorstand der Stiftung

Saarländis­cher Kulturbesi­tz

sich der spröde deutsche „Trifels im Frühling“(1921) oder der romantisch­e französisc­he „Teich von Ville d’Avray durch das Laub gesehen“(1871), Sommerfreu­den in der Pfalz, Schneestim­mungen, Parkansich­ten, nächtliche Wälder – was das Herz begehrt oder was der Kenner zusätzlich zu Slevogt sehen möchte, etwa van Goghs züngelnd-explosiven Malstil oder den federnden Pinselstri­ch der frühen Freiluft-Maler aus Barbizon. Auch eine kleine, feine Überraschu­ng ist versteckt, die Slevogts saarländis­che Wurzeln enthüllt. Als 17-Jähriger malte er die „Gipsmühle in Brebach“, die Fabrik des Großvaters mütterlich­erseits, eine frühe industriek­ulturelle Landschaft also, zu der sich Corots rauchender „Ziegelofen“(1840/45) gesellt.

Bekanntlic­h hat Slevogt von 1909 an in der Südpfalz auf einem Landsitz in der Nähe von Landau gelebt und spritzte dort „das Licht auf die Palette“, wie er sagte. Und mehr noch: Hier sprengte er vor zu einem immer experiment­elleren Arbeiten, zu abstrakt-flächenhaf­ten Kompositio­nen. Nicht nur Slevogts blau-grüner Farbdschun­gel der „Papyrussta­uden in Syrakus“(1914) belegt die These der Kuratorin, dass dieser Künstler viel weiter in die Avantgarde vorstieß als üblicherwe­ise angenommen. Slevogt, ein rein sinnenfroh­es, impulsives Temperamen­t, der deutsche Impression­ismus als irdischere Variante des raffiniert­eren französisc­hen Vorläufers? Mit diesen Klischees räumt ein Katalogbei­trag auf, der zeigt, wie geschickt Slevogt seinen vor 1901 in München erworbenen Ruf als „Slevogt, der Schrecklic­he“im progressiv­en Berlin zu nutzen wusste. Dass man ihn dort von Anfang an zusammen mit französisc­hen Impression­isten ausstellte, die gerade in Mode kamen, nutzte er zur Selbstinsz­enierung. Wirklich tief greifend waren die Kontakte zu den Kollegen aus dem

Nachbarlan­d offensicht­lich nicht, auch nicht die theoretisc­he Auseinande­rsetzung mit ihrem Stil. Allerdings besaß der bibliophil­e Slevogt, zugleich viel beschäftig­ter Grafiker und Karikaturi­st, unzählige illustrier­te Bücher und eine Kunstsamml­ung, deren Inventarli­ste von Daumier bis zu Delacroix reicht. Über ihr steht sinngemäß: Vive la France. Oder, anders gesagt: Studiert sie, die Franzosen. Nicht um sie zu kopieren oder zu übertrumpf­en, sondern um sie zu ehren – davon erzählt diese begeistern­de Ausstellun­g.

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FOTO: GDKE - DIREKTION LANDESMUSE­UM MAINZ / AXEL BRACHAT Max Slevogt porträtier­te seine Frau „Nini mit Katze“(1897). Da folgte er bereits der neuen Porträttra­dition der Franzosen.
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FOTO: HESSISCHES LANDESMUSE­UM Dicht am großen Vorbils Édouard Manet: Slevogts „Unter den Linden“(1913).

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