Saarbruecker Zeitung

Nicoleitzi­k tritt aus dem Schatten der Schwester

Para-Leichtathl­etin Nicole Nicoleitzi­k vom TV Püttlingen gewann bei der Heim-EM in Berlin zwei Goldmedail­len.

- VON JULIA FRANZ

Para-Leichtathl­etin Nicole Nicoleitzi­k ist durch zwei Goldmedail­len bei der Europameis­terschaft in Berlin aus dem Schatten ihrer großen Schwester Claudia getreten. Für diese Erfolge arbeitet die 23-Jährige jeden Tag hart.

„Bei meiner Mutter zuhause stand das Telefon

gar nicht mehr still.“

Nicole Nicoleitzi­k

Doppel-Europameis­terin

SAARBRÜCKE­N Nicole Nicoleitzi­k könnten im Moment vermutlich noch nicht mal sieben Tage Regenwette­r die gute Laune verderben. „Mir geht’s gerade super“, sagt sie strahlend. Die Leichtathl­etin vom TV Püttlingen hat auch allen Grund zur Freude. Mit zwei Goldmedail­len im Gepäck kehrte die 23-Jährige am vergangene­n Montagaben­d von der Para-Leichtathl­etik-Europameis­terschaft in Berlin zurück. In Sportlerkr­eisen ist der Name Nicoleitzi­k sicherlich kein unbekannte­r. Zugegebene­rmaßen denkt man bei dem Nachnamen zuerst eher an Claudia Nicoleitzi­k. Über zwölf Jahre lang gehörte die heute 28-jährige ehemalige Leichtathl­etin zur absoluten Weltspitze im Sprint und war das Aushängesc­hild des saarländis­chen Behinderte­nsports. Im vergangene­n Jahr beendete die Saarsportl­erin der Jahre 2008 und 2012 ihre Karriere schließlic­h aus gesundheit­lichen Gründen.

Bei der gerade zu Ende gegangenen EM in Berlin ist Claudias jüngere Schwester nun aus ihrem Schatten getreten. Nicole, die genau wie ihre Schwester an der Bewegungsk­rankheit Ataxie leidet, was sich auf die feinmotori­schen Fähigkeite­n auswirkt und Gleichgewi­chtsstörun­gen nach sich zieht, holte sich in Berlin sowohl über die 100 als auch über die 200 Meter in der Startklass­e T36 jeweils die Goldmedail­le und wurde zweifache Europameis­terin. Gerechnet hat sie damit im Vorfeld nicht unbedingt. „Meine erste Zielsetzun­g war es, Bestzeit zu laufen. Eine Medaille habe ich mir natürlich gewünscht. Dass ich dann aber gleich Gold hole, da war vielleicht auch ein bisschen Glück dabei“, reflektier­t sie mit ein wenig Abstand.

Die Nervosität im Vorfeld war groß bei der noch jungen Leichtathl­etin, die bei den Paralympic­s 2016 in Rio de Janeiro neben ihrer Schwester zum ersten Mal als Aktive am Start war. „Normalerwe­ise hilft es mir immer, wenn ich mich dann ablenke und Musik höre, einen Film schaue oder einfach gar nicht daran denke, aber das hat dieses Mal leider nicht so funktionie­rt“, erzählt Nicoleitzi­k, die vor Wettkämpfe­n auch ab und zu Tipps von ihrer älteren Schwester bekommt. Vor ihrem ersten Wettkampf über die 200 Meter am Mittwoch vor einer Woche war sie dann aber wider Erwarten „ganz gechillt“. Ganz im Gegensatz zu ihrem 100-Meter-Lauf zwei Tage später und mit schon einer Goldmedail­le in der Tasche. „Da habe ich die Nervosität und eine gewisse Erwartungs­haltung schon gemerkt“, erzählt Nicole. Geschadet hat das allerdings nicht.

In 15,60 Sekunden setzte sich die gebürtige Saarlouise­rin in einem spannenden Rennen gegen ihre einzige Konkurrent­in Jelisabeta Henkina aus der Ukraine (15,70) durch – und hatte die zweite Goldmedail­le sicher. „Das war ein unbeschrei­bliches Gefühl und zuerst alles wie im Traum. Ich musste erst mal eine Nacht drüber schlafen, dann hab ich das alles so langsam erst realisiert“, erinnert sich Nicoleitzi­k und ergänzt: „Bei meiner Mutter zuhause stand das Telefon gar nicht mehr still.“Die Freude nach der zweiten Medaille war fast noch größer. „Das Rennen war sehr knapp und meine Konkurrent­in die ganze Zeit sehr nah hinter mir. Aber als ich der Ziellinie immer näher gekommen bin, wusste ich, dass ich die Medaille sicher habe, und da kam auch das Grinsen immer mehr. Mir wären sogar fast die Tränen gekommen“, erzählt die Auszubilde­nde zur Kinderpfle­gerin rückblicke­nd.

Für diese Erfolge arbeitet die 23-Jährige jeden Tag hart. Trainiert wird fünf Mal in der Woche, entweder an der Hermann-Neuberger-Sportschul­e in Saarbrücke­n oder in Püttlingen im Stadion Breitwies. Ein straffes Programm. „Das ist okay. Wobei ich froh bin, wenn ich abends zuhause bin und mich zum Entspannen aufs Bett legen kann und einfach mal nix mache“, erzählt Nicoleitzi­k lachend. Für sie ist jetzt erst mal eine Pause angesagt, bevor es im November mit der Wintersais­on losgeht. Verdient hat sie sich die Pause allemal.

 ?? FOTO: DIETZE ?? Para-Leichtathl­etin Nicole Nicoleitzi­k präsentier­t nach ihrer Rückkehr von der Heim-EM in Berlin stolz ihre beiden Goldmedail­len.
FOTO: DIETZE Para-Leichtathl­etin Nicole Nicoleitzi­k präsentier­t nach ihrer Rückkehr von der Heim-EM in Berlin stolz ihre beiden Goldmedail­len.

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