Sarrazins feindliche Übernahme
Nach der umstrittenen Buchpräsentation dringt die SPD erneut auf Parteiaustritt.
BERLIN (dpa) Die SPD fordert, die SPD droht – aber der Gegner in den eigenen Reihen bleibt stur: Keinesfalls will Thilo Sarrazin, SPD-Politiker und umstrittener Autor, freiwillig gehen. Es liegt ihm fern, seiner Partei einen Gefallen zu tun und selbst auszutreten. Sarrazin hat zwei frühere Parteiausschlussverfahren überstanden. Gestern präsentierte er sein neuestes Buch „Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“, das von vielen Seiten als ausländerfeindlich kritisiert wurde.
Sarrazin schreibt darin, der Anteil der Muslime in Deutschland werde in den nächsten Jahrzehnten deutlich zunehmen. Gleichzeitig sorge der rückständige Islam, den die Mehrheit der Muslime praktiziere, dafür, dass es kaum gelungene Integration und zu wenig Deutschkenntnisse gebe. Die nachfolgenden Generationen der Muslime hätten im Durchschnitt eine schlechtere Schulbildung, wenig wirtschaftliche Erfolge und eine erhöhte Kriminalität. Zudem seien sie wenig aufgeschlossen für Demokratie und Gleichberechtigung. Sarrazins Fazit: Die „religiös gefärbte kulturelle Andersartigkeit der Mehrheit der Muslime“und deren steigende Geburtenzahlen gefährdeten die offene Gesellschaft, Demokratie und den Wohlstand. Er fordert, die Einwanderung von Muslimen streng zu regulieren.
Der SPD reicht es wieder einmal. 2011 wurde Sarrazins Verbleib in der Partei als Niederlage für die SPD-Spitze beurteilt. Diesmal will man im Berliner Willy-Brandt-Haus eine Blamage vermeiden. Allerdings nicht, indem man das Thema einfach ignoriert, wie manche Menschen an der Parteibasis rieten. Sondern nach SPD-Art mit einer Art Arbeitsgruppe. Sie soll erst einmal prüfen, was der ehemalige Berliner Finanzsenator überhaupt zu Papier gebracht hat. Aus SPD-Kreisen hieß es gestern, die Parteiführung habe Experten damit beauftragt, sich die „Feindliche Übernahme“genau und ohne zeitliche Befristung anzuschauen.
Zu Sarrazins neuen Thesen äußerte sich die Parteispitze gestern deutlich: „Das Präsidium der SPD lehnt die dort vertretenen Positionen ausdrücklich ab“, teilte das Gremium mit. Zum Selbstverständnis der Sozialdemokraten gehöre es, sich „allen menschenfeindlichen Bestrebungen“zu widersetzen. „Wer wie Thilo Sarrazin dieses Selbstverständnis nicht (mehr) mittragen will, sondern Menschen pauschal diffamiert und damit bei anderen massive Ängste schürt, sollte sich eine andere politische Heimat suchen.“
Der frühere Ministerialbeamte, Staatssekretär, Senator und Bundesbanker erwiderte relativ kühl: „Ich fühle mich in der SPD, in der ich aufwuchs, nach wie vor gut aufgehoben.“Er sei seit 45 Jahren Mitglied der SPD, um dann zwei SPD-Idole ins Spiel zu bringen: Im Jahr seines Eintritts habe die Regierung von Kanzler Willy Brandt den „umfassenden Zuzugsstopp für Gastarbeiter“erlassen, sagte Sarrazin. Auch der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt habe sich in seinen Büchern „wiederholt über die kulturellen Gefahren muslimischer Einwanderung ausgelassen“.