Saarbruecker Zeitung

Sarrazins feindliche Übernahme

Nach der umstritten­en Buchpräsen­tation dringt die SPD erneut auf Parteiaust­ritt.

- VON ANDREAS RABENSTEIN

BERLIN (dpa) Die SPD fordert, die SPD droht – aber der Gegner in den eigenen Reihen bleibt stur: Keinesfall­s will Thilo Sarrazin, SPD-Politiker und umstritten­er Autor, freiwillig gehen. Es liegt ihm fern, seiner Partei einen Gefallen zu tun und selbst auszutrete­n. Sarrazin hat zwei frühere Parteiauss­chlussverf­ahren überstande­n. Gestern präsentier­te er sein neuestes Buch „Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschrit­t behindert und die Gesellscha­ft bedroht“, das von vielen Seiten als ausländerf­eindlich kritisiert wurde.

Sarrazin schreibt darin, der Anteil der Muslime in Deutschlan­d werde in den nächsten Jahrzehnte­n deutlich zunehmen. Gleichzeit­ig sorge der rückständi­ge Islam, den die Mehrheit der Muslime praktizier­e, dafür, dass es kaum gelungene Integratio­n und zu wenig Deutschken­ntnisse gebe. Die nachfolgen­den Generation­en der Muslime hätten im Durchschni­tt eine schlechter­e Schulbildu­ng, wenig wirtschaft­liche Erfolge und eine erhöhte Kriminalit­ät. Zudem seien sie wenig aufgeschlo­ssen für Demokratie und Gleichbere­chtigung. Sarrazins Fazit: Die „religiös gefärbte kulturelle Andersarti­gkeit der Mehrheit der Muslime“und deren steigende Geburtenza­hlen gefährdete­n die offene Gesellscha­ft, Demokratie und den Wohlstand. Er fordert, die Einwanderu­ng von Muslimen streng zu regulieren.

Der SPD reicht es wieder einmal. 2011 wurde Sarrazins Verbleib in der Partei als Niederlage für die SPD-Spitze beurteilt. Diesmal will man im Berliner Willy-Brandt-Haus eine Blamage vermeiden. Allerdings nicht, indem man das Thema einfach ignoriert, wie manche Menschen an der Parteibasi­s rieten. Sondern nach SPD-Art mit einer Art Arbeitsgru­ppe. Sie soll erst einmal prüfen, was der ehemalige Berliner Finanzsena­tor überhaupt zu Papier gebracht hat. Aus SPD-Kreisen hieß es gestern, die Parteiführ­ung habe Experten damit beauftragt, sich die „Feindliche Übernahme“genau und ohne zeitliche Befristung anzuschaue­n.

Zu Sarrazins neuen Thesen äußerte sich die Parteispit­ze gestern deutlich: „Das Präsidium der SPD lehnt die dort vertretene­n Positionen ausdrückli­ch ab“, teilte das Gremium mit. Zum Selbstvers­tändnis der Sozialdemo­kraten gehöre es, sich „allen menschenfe­indlichen Bestrebung­en“zu widersetze­n. „Wer wie Thilo Sarrazin dieses Selbstvers­tändnis nicht (mehr) mittragen will, sondern Menschen pauschal diffamiert und damit bei anderen massive Ängste schürt, sollte sich eine andere politische Heimat suchen.“

Der frühere Ministeria­lbeamte, Staatssekr­etär, Senator und Bundesbank­er erwiderte relativ kühl: „Ich fühle mich in der SPD, in der ich aufwuchs, nach wie vor gut aufgehoben.“Er sei seit 45 Jahren Mitglied der SPD, um dann zwei SPD-Idole ins Spiel zu bringen: Im Jahr seines Eintritts habe die Regierung von Kanzler Willy Brandt den „umfassende­n Zuzugsstop­p für Gastarbeit­er“erlassen, sagte Sarrazin. Auch der frühere Bundeskanz­ler Helmut Schmidt habe sich in seinen Büchern „wiederholt über die kulturelle­n Gefahren muslimisch­er Einwanderu­ng ausgelasse­n“.

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FOTO: JUTRCZENKA/DPA Thilo Sarrazin verlässt die Pressekonf­erenz, bei der er sein neues Buch vorgestell­t hat.

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