Welches Körpergewicht ist am gesündesten?
Menschen mit Hüftgold und Rettungsring durften sich einige Jahre lang im Glauben wiegen, kerngesund zu sein. Doch die entsprechenden Studien sind fehlerhaft.
fast 240 Publikationen durch, an denen zusammen rund elf Millionen Frauen und Männer aus vielen Ländern und allen Altersklassen teilgenommen hatten. John Danesh kam zu dem Ergebnis: „Gesunde Fettleibigkeit ist eine Mär.“
Was war bei den Studien falsch gelaufen, die dicken Menschen ein längeres Leben bescheinigten als schlanken? Es war nicht berücksichtigt worden, dass viele Raucher in der Regel dünn und oft auch krank sind und dass auch schwer erkrankte Menschen oft massiv an Gewicht verloren haben. Doch beide Gruppen waren in den Studien einfach zu den schlanken Menschen hinzugerechnet worden. Dadurch kamen die Übergewichtigen so gut weg.
Das britische Team suchte unter den normalgewichtigen Menschen, die an den Studien teilgenommen hatten, diejenigen heraus, die ihr ganzes Leben lang nicht geraucht hatten. Und diese Schlanken waren tatsächlich gesünder und lebten auch länger als die dickeren Probanden. Letztlich ergab sich ein klares Ergebnis: Normalgewichtige, schlanke Menschen, die nie rauchen, leben am längsten. Je dicker jemand ist, desto früher stirbt er. Die dicksten Teilnehmer aller Studien wiesen eine um das Zwei- bis Dreifache erhöhte frühere Sterblichkeit auf als Normalgewichtige. Das gilt für Frauen und Männer gleichermaßen.
Noch ein Zusammenhang trat deutlich zutage: Je früher Übergewicht im Leben auftritt, desto früher sterben die Betroffenen – vor allem an Durchblutungsstörungen, Schlaganfällen, Lungenleiden und Krebs.
Dr. Martijn Katan,
Es gilt somit weiterhin, was Dr. Amy Berrington de Gonzalez vom amerikanischen Krebsforschungsinstitut herausgefunden hat. Gemeinsam mit 32 Kollegen hatte die Gesundheitsforscherin 19 Beobachtungsstudien analysiert, an denen 1,46 Millionen weiße Europäer teilgenommen hatten. Die einzelnen Studien liefen zwischen fünf und 18 Jahren. Das Forscherteam erklärte: „Am gesündesten sind Menschen, wenn sie nicht rauchen und nicht trinken, mit einem Body-Mass-Index (BMI) zwischen 20 und 24,9.“Das ist der Bereich, der als Normalgewicht bezeichnet wird. Der BMI wird ermittelt, indem man das Körpergewicht in Kilogramm durch die Körpergröße in Metern dividiert und dieses Ergebnis noch einmal durch die Größe dividiert. Bereits leichtes Übergewicht geht mit einem erhöhten Sterberisiko einher. Es steigt umso stärker an, je übergewichtiger ein Mensch ist. „Jede Zunahme des BMI um fünf Einheiten ist mit einem Anstieg des Sterberisikos um 31 Prozent verbunden“, besagt die Studie.
Forscher der Universität Glasgow widerlegten jüngst in einer Studie mit rund 297 000 Personen im Alter zwischen 40 und 70 Jahren ebenfalls das Adipositas-Paradoxon. Die Experten schreiben: „Schon wenige Kilo zu viel erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“Das ist hierzulande mit einem Anteil von 40 Prozent die häufigste Ursache für einen früheren Tod. Das geringste Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben Menschen mit einem Body-Mass-Index zwischen 22 und 23.
Der Ernährungswissenschaftler Professor Dr. Martijn Katan von der Freien Universität Amsterdam sagt: „Medikamente und moderne Medizin verlängern zwar oft das Leben übergewichtiger Menschen. Sie werden älter als früher, aber die zusätzlichen Jahre sind keine gesunden Jahre. Bei dicken Menschen verschleißen die Gelenke oft schneller und das Risiko einer Diabeteserkrankung, die Augen, Beine und Augen in Mitleidenschaft zieht, ist deutlich höher. Zudem vergrößert Übergewicht die Wahrscheinlichkeit von Impotenz, Unfruchtbarkeit und Gallensteinen. Dies ist zwar alles nicht tödlich, jedoch sinkt die Lebensqualität deutlich. Übergewicht macht den Betroffenen im wahrsten Sinne des Wortes das Leben schwer.“
Normalgewicht allein führt aber nicht automatisch zu einer besseren Gesundheit. Es kommt auch auf die Körperzusammensetzung an. Denn auch ein Normalgewichtiger kann zu fett sein. Er hat dann wenig Muskelmasse, dafür zu viel Fett. Wissenschaftler sprechen von den „fetten Schlanken“sowie von „Fettleibigkeit trotz Normalgewicht“. Betroffenen drohen wie den übergewichtigen Zeitgenossen erhöhte Blutfettwerte, hohe Cholesterinwerte, verstopfte Gefäße, Bluthochdruck, Diabetes, Fettleber und ein gesteigertes Krebsrisiko.
In einer Studie der finnischen Ernährungsund Diabetes-Expertin Dr. Satu Männistö mit 4800 Teilnehmern im Alter von 25 bis 74 Jahren wiesen 28 Prozent der Männer und 42 Prozent der Frauen Normalgewicht auf (BMI unter 25). Allerdings entpuppten sich 34 Prozent dieser Männer und 45 Prozent der Frauen als fette Schlanke. Alle hatten zu wenig Muskulatur und zu viel Fett.
Die fetten Schlanken sind gesundheitlich gefährdet, weil sich bei ihnen das Fett vor allem im Bauchraum ablagert, in den inneren Organen und um sie herum. Dieses sogenannte Eingeweidefett schüttet ständig Stoffe aus, die im Körper Entzündungen entfachen. Es handelt sich um eine Reaktion des Immunsystems, die noch nicht endgültig erklärt werden kann.
Die finnischen Wissenschaftler analysierten auch den Lebensstil der Studienteilnehmer. Wie übergewichtige Menschen bewegen sich auch die fetten Schlanken meist zu wenig und essen falsch – vor allem zu viele Süßigkeiten. Dabei gibt es keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern. In ihrer Nahrung mangelt es hingegen an Ballaststoffen und Eiweiß.
Auch Wissenschaftler der Universität von Los Angeles zogen aus einer Studie mit 6500 Teilnehmern ein eindeutiges Fazit: Je mehr Muskeln, desto geringer das Risiko, früh zu sterben. Menschen mit wenig Muskulatur sterben zwei- bis dreimal so häufig früher als Menschen mit ausgeprägter Muskulatur. Sogar dicke Menschen haben bessere Aussichten, länger zu leben, wenn sie neben ihren Fettpolstern auch viele Muskeln haben.
„Dicke Menschen werden zwar älter als früher, aber die zusätzlichen Jahre sind keine gesunden
Jahre.“
Professor für Ernährungswissenschaft
Forscher der Universität Stockholm entdeckten 2001, dass Muskeln bei jeder aktiven Bewegung Stoffe freisetzen, die sogenannten Myokine. Diese lassen im Körper Entzündungen abklingen, fördern die Regeneration von Zellen, kurbeln die Fettverbrennung an und normalisieren den Zuckerspiegel. Starke Muskeln wirken somit den schädlichen, entzündungsfördernden Stoffen entgegen, die das Eingeweidefett ausstößt.