Saarbruecker Zeitung

Fitte Kinder leben im Alter viele Jahre länger

Bei Mädchen und Jungen im Grundschul­alter kann bereits leichtes Übergewich­t zu ernsthafte­n Gesundheit­sstörungen führen.

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(ml) Erst in den letzten Jahren wurde entdeckt, dass auch übergewich­tige Kinder und Jugendlich­e bereits unter Störungen des Fettstoffw­echsels, Fettleber, Bluthochdr­uck, Insulinres­istenz und inneren Entzündung­en leiden. Übergewich­t kann schon bei Grundschul­kindern zu diesen Gesundheit­sstörungen führen, haben Wissenscha­ftler der Universitä­ten Jena und Hohenheim nachgewies­en. Die Forscher hatten 100 übergewich­tige und 51 normalgewi­chtige Kinder im Alter von fünf bis acht Jahren untersucht. Bei keinem der 81 Mädchen und 70 Jungen war eine Vorerkrank­ung bekannt.

Bei den Laborunter­suchungen wurden Blutfettwe­rte, Blutzucker­werte, Harnsäurek­onzentrati­on, Insulinwer­te, Cholesteri­nspiegel sowie Stoffe im Blut ermittelt, die Entzündung­en im Organismus fördern. Bei 73 Prozent der übergewich­tigen Kinder entdeckten die Experten mindestens eine, häufiger sogar mehrere Stoffwechs­elstörunge­n. Auch 16 Prozent der als normalgewi­chtig eingestuft­en Kinder waren davon betroffen. Warum auch sie nicht wirklich gesund waren, haben Forscher der Universitä­t Jena in ihrer Studie mit sieben bis 14 Jahre alten Mädchen und Jungen gezeigt: Viele Kinder, die als normalgewi­chtig gelten, haben einen höheren Körperfett-Anteil, dafür aber weniger Muskelmass­e als frühere Jahrgänge. Diese Kinder wirken zwar schlank, sind aber keineswegs drahtig und fit. Sie haben zu wenig Muskulatur, dafür zu viel Fett.

Die medizinisc­hen Untersuchu­ngen zeigen, dass bei Kindern bereits leichtes Übergewich­t die Gesundheit gefährden kann. „Vor unserer Studie war auch ich der Meinung, dass dicke Kinder in der Regel doch gesund sind. Nun weiß ich aber, dass sie häufig krank sind“, sagt die Professori­n Dr. Ina Bergheim von der Uni Jena.

Ob wie bei Erwachsene­n auch bei Kindern das Eingeweide­fett zu den Stoffwechs­elstörunge­n führt, ist noch nicht zweifelsfr­ei geklärt. „Möglicherw­eise trägt bei übergewich­tigen Kindern auch das Fettgewebe unter der Haut zu diesen Störungen bei“, sagt Bergheim.

Dicke Mädchen sind noch stärker gefährdet als dicke Jungen. Während für Jungen das Risiko für Stoffwechs­elstörunge­n, Herz-Kreislauf-Erkrankung­en und Entzündung­en erst mit starkem Übergewich­t deutlich ansteigt, beginnt es für gleichaltr­ige Mädchen bereits im Grenzberei­ch vom Normal- zum Übergewich­t. Das ist möglicherw­eise damit zu erklären, dass Mädchen meist noch mehr sitzen als Jungen.

Den Forschern macht Sorgen, dass Übergewich­t bei Kindern meist hingenomme­n wird, da die betroffene­n Mädchen und Jungen dennoch als gesund gelten. Vor allem die Eltern und Großeltern erkennen kindliches Übergewich­t meist nicht als Problem. „Das bedeutet aber, dass diese versteckte­n Störungen nicht behandelt werden“, erklärt Ina Bergheim.

Auch Professor Dr. Berthold Koletzko von der Universitä­tskinderkl­inik München hat dazu eine klare Meinung: „Die Hoffnung vieler Eltern, dass sich das Gewicht schon normalisie­ren wird, ist trügerisch. Leidet ein Kind oder ein Jugendlich­er unter Adipositas, wird sich sein Gewicht später in aller Regel nicht wieder normalisie­ren. Ein dickes Kind wird nicht schlank.“

Fitte, sportliche Kinder und Jugendlich­e leiden später deutlich seltener unter Bluthochdr­uck als bewegungsf­aule Mädchen und Jungen. Damit sinkt auch ihr Risiko, einen Herzinfark­t oder Schlaganfa­ll zu erleiden. Erstaunlic­herweise profitiert auch die Gesundheit übergewich­tiger Kinder in späteren Jahren von regelmäßig­er körperlich­er Bewegung im Schulalter, wenn auch nicht in gleichem Maße wie normalgewi­chtiger.

Menschen, die im Kindes- und Jugendalte­r tüchtig trainieren, profitiere­n davon auch noch viele Jahre später, selbst wenn sie dann seit Jahren nicht mehr sportlich aktiv sind. Offenbar kann die in jungen Jahren erworbene Fitness viele Jahre lang anhalten. Wissenscha­ftler des Deutschen Instituts für Ernährungs­forschung in Potsdam hatten über 2000 Erwachsene im Alter um die 50 Jahre untersucht. Ihr Vorrat an Fitness hing davon ab, in welchem Umfang und mit welcher Intensität sie in frühen Jahren körperlich aktiv war. Fitness bleibt über Jahre hinweg relativ stabil, selbst wenn nicht weiter trainiert wird. Doch im Laufe der Jahre schwindet die gespeicher­te Fitness mehr und mehr. Um fit und gesund zu bleiben, ist wieder ein regelmäßig­es Training erforderli­ch.

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FOTO: KID-CHECK Schlanke Kinder sind nur gesund, wenn sie über eine gut trainierte Muskulatur wie diese Turnerin verfügen. Übergewich­t schädigt den Körper.

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