Saarbruecker Zeitung

Europa will nicht mehr an der Uhr drehen

Die Zeitumstel­lung in der EU soll ein Ende haben. Kommission­schef Juncker will Volkes Willen umsetzen – und erntet dafür viel Zustimmung.

- FOTO: IMAGO

Im März eine Stunde vor, im Oktober eine Stunde zurück – seit Jahrzehnte­n wird in der Europäisch­en Union zwei Mal im Jahr die Zeit umgestellt. In einer Online-Umfrage hatten sich nun Millionen Europäer für die Abschaffun­g der Zeitumstel­lung ausgesproc­hen. EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker will dem nun folgen. Und bekommt Rückenwind von der Kanzlerin.

BRÜSSEL (SZ/kes/dpa) Die Uhren in Deutschlan­d zeigten auf späte Frühstücks­zeit, als der Präsident der EU-Kommission Jean-Claude Juncker im „Morgenmaga­zin“von ARD und ZDF sprach – und ankündigte, worüber nicht nur in Brüssel seit Wochen debattiert worden war: Europa bekommt die Sommerzeit fürs ganze Jahr. Schluss mit dem Uhrendrehe­n, das jedes Frühjahr und jeden Herbst etliche Zeitgenoss­en aufreibt. „Wenn man die Bürger fragt, muss man auch das tun, was die Bürger zum Ausdruck bringen“, sagte Juncker ins Mikrofon, nur wenige Tage nach dem Ende einer EU-Umfrage im Internet, die eine breite Mehrheit für die Abschaffun­g ergab. Nach seiner Zeit-Ansage reagierten Vertreter des EU-Parlamente­s begeistert. Auch Kanzlerin Merkel äußerte sich positiv.

Dass die Zeit für die zweimal jährliche Umstellung der Uhren ablaufen würde, hatte sich schon in den vergangene­n Tagen angedeutet. Am Freitagmor­gen dann bestätigte Juncker, in welche Richtung der Vorschlag seiner Behörde gehen soll: „Millionen sind der Meinung, dass die Sommerzeit für alle Zeit gilt“, sagte er in dem ZDF-Interview am Rande einer Klausur der EU-Kommission in Brüssel. „So wird das auch kommen.“Danach seien die Mitgliedst­aaten und das Europäisch­e Parlament „am Zug“, sagte der 63-Jährige und betonte weiter: „Die Menschen wollen das. Wir machen das.“

Zeitgleich gab EU-Verkehrsko­mmissarin Violeta Bulc bekannt, dass 84 Prozent der 4,6 Millionen EU-Bürger, die bei der EU-Umfrage mitmachten, für ein Ende der Uhrenumste­llung votiert hatten. Zwei Drittel der Stimmen kamen aus Deutschlan­d. „Wir werden jetzt einen entspreche­nden Vorschlag erarbeiten“, sagte Bulc. Mit Spannung wird erwartet, ob die Behörde wirklich eine einheitlic­he Zeitzone für alle 27 Mitgliedst­aaten anregt – oder es jenen überlässt, sich auf eine Zeit festzulege­n. Bisher haben sich die baltischen Staaten für die Sommerzeit ausgesproc­hen. Allerdings gilt es als wahrschein­lich, dass die skandinavi­schen Länder eher die heutige Normalzeit behalten wollen, während im Westen und Süden wohl eher die Sommerzeit favorisier­t wird.

Allzu große Widerständ­e sind wohl nicht zu erwarten. Das EU-Parlament hatte sich bereits vor Monaten für eine Ende der heutigen Praxis ausgesproc­hen, die Kommission aber zunächst zu einer weitergehe­nden Prüfung aufgeforde­rt. Am Freitag zeigten sich Vertreter der meisten großen Fraktionen beglückt: „Die Menschen haben eine Zeitumstel­lung, die keinen Mehrwert, aber dafür viele Probleme schafft, satt“, erklärte der CSU-Europaabge­ordnete Markus Ferber. „Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir die Gesetzgebu­ng noch vor der Europawahl im Mai 2019 durchbring­en“, versprach sein Fraktionsk­ollege Peter Liese (CDU), der den Vorstoß gegen einen ständigen Wechsel von Normal- zur Sommerzeit und wieder zurück initiiert hatte. Von einem „Super-Ergebnis“sprach der Grünen-Europa-Politiker Michael Cramer. Der Sozialdemo­krat Ismael Ertug dachte schon weiter: „Klasse, dass sich Millionen von Bürgern aktiv an der europäisch­en Politik beteiligen“, sagte er und forderte ähnliche Befragunge­n zu weiteren EU-Entscheidu­ngen wie die Steuern auf Tabakwaren oder die Regeln zur Wasservers­orgung in den Kommunen.

Die neue Zeit soll nach dem Wunsch aller Beteiligte­n in zwei Jahren greifen. Dann könnten im März 2020 zum letzten Mal die Uhren auf die Sommerzeit umgestellt werden – und bleiben. Voraussetz­ung dafür ist aber eine Einigung im EU-Parlament innerhalb der nächsten Monate, weil im kommenden Mai gewählt wird. Außerdem müssen die Mitgliedst­aaten noch zustimmen.

Die Bundesregi­erung kündigte an, die Vorschläge aus Brüssel abzuwarten und sich dann in Sachen Sommerzeit zu positionie­ren. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich am Rande ihrer Afrika-Reise schon mal zustimmend. „Ich persönlich hätte jedenfalls dafür eine sehr hohe Priorität“, sagte sie zum Thema Abschaffun­g der Zeitumstel­lung. Und wenn es ein so klares Bürgervotu­m für die Sommerzeit gebe, „sollte vielleicht auch etwas daraus folgen“.

„Die Menschen wollen das. Wir machen das.“

Jean-Claude Juncker

zur Abschaffun­g der Zeitumstel­lung

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FOTO:MAYO/AP/DPA Zeit für ein Ende der Zeitumstel­lung, findet Jean-Claude Juncker, Kommission­spräsident der EU. Denn es ist das klare Ergebnis einer Bürger-Umfrage. Ob aber alle EU-Staaten auf die Sommerzeit gehen, ist noch offen.

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