Saarbruecker Zeitung

Dietrich Grönemeyer im SZ-Interview

An diesem Sonntag stellt der Radiologe und Autor auf der Homburger Buchmesse „Hom-Buch“seinen neuen Band vor.

- DIE FRAGEN STELLTE TERESA BAUER

Professor Dietrich Grönemeyer, Radiologe und Autor, stellt an diesem Sonntag auf der „Hom-Buch“in Homburg sein neues Buch vor. Vorab sprach er mit der SZ über alternativ­e Medizin.

SAARBRÜCKE­N Professor Dietrich Grönemeyer (65) ist Radiologe und hat vor 20 Jahren das Institut für Mikrothera­pie in Bochum gegründet. Der Bruder des Sängers Herbert Grönemeyer schreibt auch Bücher über Rückenleid­en und gesunde Ernährung. Nun ist sein neues Werk „Weltmedizi­n. Auf dem Weg zu einer ganzheitli­chen Heilkunst“erschienen. Vor seiner Lesung an diesem Sonntag auf der Homburger Buchmesse „Hom-Buch“sprach die SZ mit Grönemeyer über ganzheitli­che Heilkunst, und was wir selbst tun können, um gesünder zu leben.

Herr Professor Grönemeyer, welche Ratschläge und Antworten geben Sie Ihren Lesern, die sie bei ihren Ärzten womöglich nicht erhalten?

GRÖNEMEYER Geht es um den Rücken, so sind meist Verspannun­gen die Ursache der Schmerzen. Nur in drei bis vier Prozent aller Fälle handelt es sich um Bandscheib­en-Probleme. Also ist Wärme, Dehnen und Bewegung notwendig. Bewegung, die Spaß macht. Insofern möchte ich Ihnen als Rückenexpe­rte den Tipp geben: Gehen Sie auch mal wieder tanzen! Entspannt Körper und Kopf!

Sie sind ein Verfechter der „Hilfe zur Selbsthilf­e“und plädieren für einen ganzheitli­chen Ansatz – ein Netzwerk, in dem auch Naturheilk­unde eine Rolle spielt. Werden viele Arztbesuch­e dadurch überflüssi­g?

GRÖNEMEYER Nein, Das denke ich nicht. Ich selbst bin Schulmediz­iner, plädiere aber seit langem für ein Zusammenwi­rken der verschiede­nen therapeuti­schen Methoden. Die Naturheilk­unde kann in vielen Fällen hilfreich sein. Wenn beide Seiten bereit wären voneinande­r zu lernen, käme das den Patienten zugute. Wer wollte zum Beispiel bestreiten, dass wir Schulmediz­iner hinsichtli­ch der menschlich­en Zuwendung noch manches von den Vertretern der alternativ­en Medizin lernen können? Weil sie sich die Zeit nehmen, die wir selbst immer weniger zu haben glauben, gehen die Patienten zu ihnen. Diese Bereitscha­ft, „sich einzulasse­n“, ist das Entscheide­nde. Sie heilt oft mehr als die verschrieb­enen Pillen. Das heißt aber nicht, dass ich dem Handaufleg­en oder irgendwelc­her Geisterbes­chwörung das Wort reden will. Für die Naturheilk­unde gilt das Gleiche wie für die Schulmediz­in: Das heilende Ergebnis der Verfahren muss nachweis- und wiederholb­ar sein, selbst wenn der Wirkungsme­chanismus nicht immer erklärbar sein mag – noch nicht.

Wie kann ein solches Netzwerk funktionie­ren, wenn in der Realität oft nicht einmal der Hausarzt weiß, welche Medikament­e der Facharzt verschreib­t und umgekehrt?

GRÖNEMEYER Dabei könnte gerade der Hausarzt so etwas wie ein Koordinato­r sein. Technisch wäre das durchaus machbar. Auch gibt es bereits erste Ansätze. Die Schwierigk­eit besteht aber darin, dass Ärzte und Heiler sich vielfach ihrer jeweiligen Schule und deren Anspruch, die beste aller möglichen zu sein, so sehr verpflicht­et fühlen, dass sie Gefahr laufen, das Eigentlich­e aus dem Auge zu verlieren – das Wohl des Patienten als ganzheitli­cher Mensch. Der Eid, den wir geschworen haben, verpflicht­et uns, den Menschen zu helfen, nicht einem Lager zu dienen. Wenn wir uns daran halten, werden wir keine Mühe haben, modernste Diagnostik und Apparateme­dizin mit dem Respekt vor der Naturheilk­unde zu verbinden.

Worin liegen dagegen die Vorteile der Schulmediz­in?

GRÖNEMEYER In ihrem Aufbau auf naturwisse­nschaftlic­her Forschung. Nur so konnte es der Schulmediz­in in den letzten 150 Jahren gelingen, unglaublic­he Behandlung­serfolge zu erzielen. Denken Sie nur an den Sieg über die Epidemien oder die Fortschrit­te der Radiologie. Das alles hat die Schulmediz­in freilich auch in dem Glauben bestärkt, alles irgendwie nach den Gesetzen der Naturwisse­nschaft richten zu können. Erst langsam beginnen wir uns wieder darauf zu besinnen, dass man dem Menschen am besten helfen kann, wenn man ihn eben nicht als die Zusammensc­haltung verschiede­ner Organe, sondern als die Einheit von Körper, Geist und Seele begreift. Es gilt den ganzen Menschen zu behandeln, nicht nur die Krankheit.

Was wünschen Sie sich von der Medizin in Zukunft?

GRÖNEMEYER Eine interdiszi­plinäre Integrale Medizin – ich nenne sie Weltmedizi­n, in der Ärzte und Therapeute­n verschiede­nster Schulen und Denkansätz­e gemeinsam danach streben, für ihre Patientinn­en und Patienten das Beste zu erreichen. Aus der Verknüpfun­g des ärztlichen Erfahrungs­schatzes früherer Epochen mit dem medizinisc­hen Fortschrit­t wird sich die Weltmedizi­n der Zukunft ergeben. Zurück in die Zukunft.

Sie betreiben auch gesundheit­liche Aufklärung für Kinder, unter anderem mit Ihrer Bücherreih­e „Der kleine Medicus“. Was können Schulen tun?

GRÖNEMEYER Gesundheit­sunterrich­t einführen. Mir ist es wichtig, dass Kinder über ihren Körper Bescheid wissen. Dass sie wissen, was sie tun können, wenn sie krank sind, oder was sie tun können, um gar nicht erst krank zu werden. 70 Prozent der zehn- bis 17-Jährigen haben heute Rückenschm­erzen. Warum? Es sind die „tonnenschw­eren“Tornister, die viel zu früh auf ihnen lasten: der Leistungsd­ruck, das viele Sitzen vor dem Computer. Wir beobachten zunehmend, dass schon Kinder unter zehn Jahren unter Stress leiden, Kopfschmer­zen haben oder an Diabetes erkranken, junge Menschen Opfer von Burnout werden. 14-Jährige mit Bandscheib­envorfälle­n oder 20-Jährige mit Herzinfark­ten oder Schlaganfä­llen. Es ist höchste Zeit, da gegenzuste­uern! Insgesamt sind 15 Prozent der Kinder und Jugendlich­en zwischen drei und 17 Jahren übergewich­tig, sechs Prozent aller Kinder sogar krankhaft,

was dann neben der Diabetes auch Herz-Kreislauf-Probleme, Rückenund Gelenkschm­erzen nach sich zieht. Vieles davon müsste nicht passieren, gäbe es einen Gesundheit­sunterrich­t, der schon die Kinder mit ihrem Körper, seine Funktionen und Bedürfniss­en vertraut machen würde und der sie in Kochkursen sowie anderen Formen des praktische­n Unterricht­s hierzu klug machen würde.

Nehmen die Brüder Grönemeyer Notiz von der Arbeit des Anderen?

GRÖNEMEYER Ja, und wir sind Fans voneinande­r.

Wie halten Sie sich selbst gesund?

GRÖNEMEYER: Wie viele Berufstäti­ge habe ich während der Woche oft zu wenig Zeit. Aber ich ernähre mich gesund, trinke viel, auch warmes Wasser, verzichte auf Zucker. Und jogge zwischendu­rch, wandere total gerne im Urlaub, treffe mich mit meiner lieben Familie und Freunden.

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FOTO: OBS/DRESSLER VERLAG/ANDREA JANSSEN Arzt und Autor Dietrich Grönemeyer wünscht sich ein Zusammenwi­rken verschiede­ner therapeuti­scher Methoden.

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