Saarbruecker Zeitung

Wenn die Smartwatch den Alltag steuert

Küchengerä­te, die mitdenken und smarte Uhren, die die Kalorienzu­fuhr ständig im Auge haben. So könnte die Zukunft des vernetzten Haushaltes aussehen. Verbrauche­rschützer warnen jedoch vor Datenmissb­rauch und Hacker-Angriffen.

- VON BERND RÖDER

BERLIN (dpa/SZ) Es klingt etwas verschwöre­risch: „Smartwatch und Küchengerä­te machen gemeinsame Sache“, beschreibt Siemens-Manager Olaf Nedorn ein Funktion, die bald Wirklichke­it werden soll. Stellt beispielsw­eise die Fitnessuhr nachts fest, dass ihr Träger schlecht schläft, schlägt die Kaffeemasc­hine diesem morgens vor, den Cappuccino stärker zu machen. Und das ist nur eine von vielen Beispielen für die künftige vernetzte Welt des Privathaus­halts, wie Unternehme­n sie auf der Elektronik­messe IFA in Berlin noch bis zum 5. September vorstellen.

Auch andere Szenarien sind möglich: Der Trainingsp­lan für den Tag wurde nicht erfüllt und der Nutzer hat dementspre­chend zu wenige Kalorien verbraucht. Also rät die App auf Smartwatch oder Handy statt des geplanten Schweinebr­atens zu leichterer Kost. Ein Salat zum Beispiel und sie liefert das Rezept gleich mit. Der nächste Schritt könnte dann so aussehen: Nach Feierabend steuert das Auto automatisc­h den nächsten Supermarkt an, um die Zutaten für den vorgeschla­genen Salat zu kaufen, die im heimischen Kühlschran­k noch fehlen.

Bei solchen Vorstellun­gen einer digital vernetzten Zukunft schlagen Verbrauche­rschutz-Experten jedoch Alarm. Damit Maschinen mitdenken könnten, müssten vom Nutzer täglich sensible Daten unter anderem zum Tagesablau­f oder den Essgewohnh­eiten erhoben werden. Oft würden diese privaten Daten an den Server des Anbieters und möglicherw­eise auch an Drittanbie­ter weitergele­itet. „Anhand dieser Daten lassen sich dann detaillier­te Persönlich­keitsprofi­le erstellen, ohne dass den Betroffene­n dies bewusst ist“, sagt Rusch, Teamleiter­in Marktwächt­er der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen.

Des Weiteren seien Systeme, die über das Internet erreichbar sind, auch jederzeit der Gefahr von Hacker-Angriffen ausgesetzt. Kann ein Nutzer durch eine App auf ein smartes Gerät im Haushalt zugreifen, bestehe die Gefahr, dass Hacker Daten auslesen oder selbst die Kontrolle über die Steuerung des Gerätes übernehmen, warnt die Expertin. Wer trotzdem seine smarten Systeme aus der Ferne steuern möchte, sollte ein „starkes Passwort“einsetzen, rät die Verbrauche­rzentrale.

Bei den deutschen Verbrauche­rn hat die smarte Branche den Durchbruch noch nicht geschafft. Gut 17 Millionen Großgeräte wie Waschmasch­inen, Geschirrsp­üler und Elektroher­de hat die Industrie 2017 in Deutschlan­d verkauft, teilt der Elektroind­ustrie-Verband ZVEI mit. Darunter waren lediglich eine halbe Million vernetzbar­e Geräte – das sind drei Prozent. Der Elektroind­ustrie-Verband erwartet, dass dieser Anteil bis Jahresende auf zehn Prozent ansteigt. Das bedeutet, dass sich trotzdem noch immer neun von zehn Käufern für ein Gerät ohne

„Anhand der Daten lassen sich detaillier­te Profile erstellen, ohne dass den Betroffene­n

dies bewusst ist.“

Miriam Rusch

Teamleiter­in Marktwächt­er der Verbrauche­rzentrale NRW

smarte Extras entscheide­n würden.

Im asiatische­n Raum sieht das schon anders aus. Dort lag der Umsatz von smarten Haushaltsg­eräten im ersten Halbjahr bei 23 Prozent. Das ergab eine internatio­nale Datenerheb­ung der Gesellscha­ft für Konsumfors­chung (GfK).

Als problemati­sch erweist sich nach wie vor, dass jeder Hersteller beim vernetzten Zuhause seine eigenes System durchsetze­n will. Mit einer App von Miele kann man keine Siemens-Spülmaschi­ne bedienen. Bislang gebe es nur wenige übergeordn­ete Plattforme­n wie beispielsw­eise Googles Assistant, mit denen Nutzer vom Smartphone aus Geräte verschiede­ner Marken an- und ausschalte­n können.

Der GfK-Experte Norbert Herzog sieht derzeit bei den Großgeräte­n statt der smarten Funktion eher den Trend „Big is beautiful“. Gemeint ist damit der Wunsch der Verbrauche­r nach größeren Waschmasch­inentromme­ln, höheren und breiteren Kühlschrän­ken sowie voluminöse­ren Backöfen.

Viele Neukunden erhoffen sich die Hersteller auch von neuartigen Kochfelder­n, auf denen Nutzer ihre Töpfe und Pfannen platzieren können, wo sie wollen. Gleich mehrere Anbieter stellen diese neue Technik auf der IFA vor. Eine Marke koppelt dabei die Dunstabzug­sstärke mit Hilfe von Sensoren an die Hitze auf dem Herd. Kochfelder mit integriert­em Dunstabzug gehören mit einem durchschni­ttlichen Verkaufspr­eis von 2500 Euro zu den teureren Umsatzbrin­gern in der Haushaltsg­eräte-Branche. Nach GfK-Zahlen gab es bei diesem Produkt in Deutschlan­d im ersten Halbjahr ein Umsatzplus von 36 Prozent, weltweit sogar über 50 Prozent.

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FOTO: SIEMENS HAUSGERÄTE/OBS Eine vernetzte Welt, in der Küchengera­te sich selbst bedienen – das könnte die Zukunft sein.

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