Saarbruecker Zeitung

Peinlich bauen kann in Berlin auch der Bund

Terminverz­ögerungen und Kostenstei­gerungen: Das „Bundesamt für Bauwesen und Raumordnun­g ist offenbar überforder­t. Was bedeutet das?

- VON WERNER KOLHOFF

„Der Berliner Großflugha­fen“, so ein Bundestags­insider, „ist verglichen mit uns noch gar nichts.“Bei dem liege die Verspätung derzeit um den Faktor zwei; Eröffnung zwölf statt sechs Jahre nach dem ersten Spatenstic­h. Bei manchen Bauprojekt­en des Bundestage­s in Berlin jedoch sei man schon vierfach über der geplanten Zeit. Und auch über den Kosten. Jetzt hat die Bundestags­verwaltung intern Alarm geschlagen und verlangt Konsequenz­en.

In einem Vermerk, der unserer Redaktion vorliegt, wird schonungsl­os mit dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnun­g (BBR) abgerechne­t. Die Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) unterstehe­nde Behörde mit Sitz in Bonn und Berlin betreut mit ihren rund 1300 Mitarbeite­rn die Projekte der Bundesregi­erung und des Parlaments, aber auch zum Beispiel den Neubau des Berliner Schlosses. Und sie ist offensicht­lich überforder­t. Die Neubauten vor dem Regierungs­umzug von Bonn nach Berlin waren noch von einer extra gegründete­n Bundesbaug­esellschaf­t errichtet worden, die ihre Aufgaben 2003 dem BBR übertrug. Das hat seitdem für den Bundestag vor allem mit acht kleineren Erweiterun­gsbauten sowie Sanierungs­maßnahmen im Gesamtwert von fast einer halben Milliarde Euro zu tun. Mit verheerend­er Bilanz.

Die Kostenüber­schreitung­en betrügen bei den ersten drei inzwischen abgeschlos­senen Bauten 50 bis 110 Prozent, heißt es in dem Vermerk. Die Termine seien zwischen drei und acht Jahren überschrit­ten worden. Fünf der Baumaßnahm­en sind noch nicht fertig. „Diese Verzögerun­gen führen zu räumlichen Engpässen.“Und von den 61 Vorhaben zur Erneuerung der technische­n Gebäudeaus­rüstung, die eigentlich zwischen 2013 und 2017 ausgeführt werden sollten, seien erst zehn Prozent abgeschlos­sen worden. Jetzt kämen schon wieder 28 neue technische Maßnahmen zu der Warteliste hinzu. „Die Gefahr, dass die parlamenta­rische Arbeitsfäh­igkeit im Reichstag und in weiteren Parlaments­gebäuden beeinträch­tigt wird, ist erheblich gestiegen.“

Zwar räumen die Verfasser ein, dass die angespannt­e Situation im Bausektor und das komplizier­te Vergaberec­ht ein Grund sind. Jedoch gebe es auch Probleme „in der Aufbau- und in der Ablauforga­nisation“des BBR. Eine kurzfristi­ge Aufstockun­g um 49 Stellen allein für die Projekte des Bundestage­s habe jedenfalls keine Besserung gebracht.

Entscheidu­ngsbedarf sieht die Bundestags­verwaltung vor allem deshalb, weil die richtig dicken Brocken erst noch kommen. Denn in den nächsten Jahren stehen zwei große Neubauproj­ekte an: Ein unterirdis­ches Besucherze­ntrum und die Vollendung des sogenannte­n Bandes des Bundes mit einem weiteren großen Gebäude für Verwaltung und Abgeordnet­e. Gesamtwert rund eine Milliarde Euro. Wenn hier ähnliche Kostenstei­gerungen entstehen wie bisher, könnten leicht über 500 Millionen Euro in den märkischen Sand gesetzt werden. „Es erscheint nicht als zielführen­d, dem BBR auch die Bewältigun­g dieser noch größeren Aufgaben aufzuerleg­en“, heißt es in dem Vermerk.

Den Mitglieder­n der Bau- und Raumkommis­sion des Bundestage­s mit ihrem Vorsitzend­en Wolfgang Kubicki (FDP) wurde das Papier Anfang Juni übermittel­t. Sie könnte andere Träger mit ihren Projekten beauftrage­n, müsste sich dafür aber mit Seehofer anlegen. Eines der bisherigen Projekte, ein Abgeordnet­enhaus Unter den Linden, entzog die Kommission auf ihrer Sitzung im Juli der BBR bereits und gab es an das Bundesamt für Immobilien­aufgaben. Das Objekt hatte ursprüngli­ch 2017 übergeben werden sollen; zuletzt hatte das BBR 2024 als Eröffnungs­termin genannt. Denkbar wäre laut dem Vermerk auch die Gründung einer neuen bundeseige­nen privatwirt­schaftlich organisier­ten Gesellscha­ft, so wie es bis 2003 die Bundesbaug­esellschaf­t war. Kubicki ließ Anfragen zu dem Thema unbeantwor­tet.

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FOTO: KALAENE/DPA Auch den Neubau des Berliner Schlosses betreut das Bundesamt für Bauwesen. Hier eine eingerüste­te und eine bereits fertiggest­ellte Fassade.

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