Saarbruecker Zeitung

Gutachten empfiehlt Grubenflut­ung gegen PCB

Je höher der Stand des Grubenwass­ers, desto geringer der PCB-Austrag. Das ist das Ergebnis einer mehrjährig­en Studie aus Nordrhein-Westfalen. Doch wäre das auch anders zu erreichen?

- VON JOHANNES SCHLEUNING

Ein groß angelegtes Gutachten des Landes Nordrhein-Westfalen kommt zu dem Schluss, dass ein Ansteigen des Grubenwass­ers in ehemaligen Bergwerken die Gefahr einer Umweltbela­stung durch den Giftstoff PCB reduziert. Und nicht erhöht. PCB wurden aus Brandschut­zgründen auf Bestreben der Europäisch­en Gemeinscha­ft zwischen 1964 und 1986 in allen deutschen Bergwerken eingesetzt. An dem Gutachten im Auftrag des Umwelt- und des Wirtschaft­sministeri­ums in Düsseldorf waren mehrere Wissenscha­ftler der Uni Aachen sowie der Technische­n Universitä­t Clausthal in Niedersach­sen beteiligt. Der Abschlussb­ericht zu dem zweiteilig­en Gutachten soll in Kürze offiziell vorgestell­t werden. Begleitet wurde die Erstellung des Gutachtens von einem Arbeitskre­is mit Vertretern von Bergbaubet­roffenen, Umweltverb­änden, Kommunen, Behörden und dem Bergbaukon­zerns RAG.

Wörtlich heißt es in dem Gutachten: „Es wird empfohlen, einen optimierte­n Grubenwass­erstand zu prüfen, da durch höhere Grubenwass­erstände die PCB-Frachten über das Grubenwass­er generell und langfristi­g minimiert werden können.“Vereinfach­t gesagt bedeutet dies: Je höher der Stand des Grubenwass­ers, desto geringer der PCB-Austrag über das Grubenwass­er in die Gewässer. Nach SZ-Informatio­nen soll diese Aussage aus wissenscha­ftlicher Sicht Allgemeing­ültigkeit besitzen und ließe sich somit auch auf andere Reviere – wie etwa das Saarland – übertragen.

Die Einschätzu­ng der Gutachter gründet auf drei Faktoren. So würden bei einem erhöhten Grubenwass­er-Stand weniger PCB-belastete Flächen unter Tage frei durchström­t und eine Erosion und der Transport von PCB-belasteten Partikeln mit dem Grubenwass­er verhindert. Zudem führe die Überflutun­g nicht oder weniger PCB-belasteter Flächen unter Tage zu einer Sedimentie­rung von PCB. Der Gehalt an PCB im Grubenwass­er sinke. Der überall in den Bergwerken fein verteilte Kohlenstau­b wirke hierbei wie ein Aktivkohle­filter. Und schließlic­h, so die Gutachter, sinke mit einer Flutung die Gesamtmeng­e des zu hebenden Grubenwass­ers und damit auch der Schadstoff­austrag. Alle drei Mechanisme­n wirkten sich somit vermindern­d auf den PCB- ebenso wie auf den Salz-Austrag in die Gewässer aus. Selbst das offenbar geringe Aufkommen von polyzyklis­chen aromatisch­en Kohlenwass­erstoffen (PAK), ebenfalls Spätfolge des Bergbaus, ließe sich so reduzieren, heißt es.

Das Ergebnis dieses zweiten Teils des Gutachtens zur Risikoabsc­hätzung der Bergbaufol­gen in Nordrhein-Westfalen bestätigt damit alle wesentlich­en Aussagen des ersten Teils aus dem April 2017. Im zweiten Teil wurden zusätzlich­e Bodenund Wasserprob­en untersucht und weitere Computersi­mulationen zur Ausbreitun­g verschiede­ner Schadstoff­e unternomme­n. Anlass für die Beauftragu­ng des Gesamtguta­chtens im Jahr 2015 waren unter anderem die ab Mitte 2013 geäußerten Befürchtun­gen eines Grundstück­seigentüme­rs in Bergkamen, dass im früheren Einsatz von Reststoffe­n unter Tage im Bergwerk Haus Aden/Monopol die Ursache für festgestel­lte Schadstoff­belastunge­n auf seinem Grundstück liege. Dies scheint durch das Gutachten widerlegt. Hinzu kam die Befürchtun­g, dass es im Zuge eines Anstiegs des Grubenwass­ers nach der Stilllegun­g des Steinkohle­nbergbaus zu einem erheblich stärkeren Austrag von PCB über das Grubenwass­er in die Oberfläche­ngewässer kommen könne, wie das Umweltmini­sterium in NRW erklärte.

Im Saarland hatte im April ein Messprogra­mm des hiesigen Umweltmini­steriums eine Überschrei­tung von PCB-Grenzwerte­n in denjenigen Bächen offengeleg­t, in die direkt oder indirekt Grubenwass­er aus ehemaligen Bergwerken eingeleite­t wird. Das hatte in der Öffentlich­keit eine hitzige Debatte entfacht. Eine Gesundheit­sgefahr für den Menschen besteht nach Angaben von Toxikologe­n aber nicht. Das Saar-Umweltmini­sterium hatte den Bergbaukon­zern RAG daraufhin verpflicht­et, ein Konzept zur Reduzierun­g des Umweltgift­s PCB zu erstellen. Der Konzern will nun verschiede­ne Methoden dazu erproben. In der zweiten Jahreshälf­te 2019 soll feststehen, welche Methode zur Reduzierun­g verwandt wird (wir berichtete­n). Zugleich argumentie­rt die RAG, dass die Bäche auch dadurch entlastet werden könnten, wenn die Bergämter den vom Konzern beantragte­n Grubenwass­eranstieg in den ehemaligen Saar-Bergwerken auf -320 Meter genehmigen würden. Denn dann würde das Grubenwass­er ohne den Umweg über diejenigen Bäche, in die es bislang eingeleite­t wird, direkt am Standort Duhamel bei Ensdorf in die Saar gepumpt. Darüber hinaus wäre mit diesem Grubenwass­er-Anstieg auch die grundsätzl­iche PCB-Reduzierun­g verbunden, wie es das Gutachten des Landes NRW beschreibt, argumentie­rt die RAG.

Allerdings: Mit einem Anstieg des Grubenwass­ers sind Risiken verbunden. Experten prognostiz­ieren Hebungen, Senkungen, Erschütter­ungen, mögliche Bergschäde­n. Wenngleich diese Gefahren nach der kompletten Flutung für alle Zeit gebannt sein sollen: Unklar bleibt, ob eine PCB-Reduzierun­g nicht auch mit anderen Mitteln, zu deren Erprobung die saarländis­che Landesregi­erung die RAG ja nun gedrängt hat, erreicht werden könnte. Ohne Flutung. Etwa mit Filtern oder Absenkbeck­en. Dazu trifft das Gutachten (aufgrund eines anders lautenden Auftrags) keine Aussage.

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FOTO: J. SCHLEUNING In den Wassergärt­en in Reden wird das aus der Tiefe gepumpte Grubenwass­er unter anderem über Wasserfäll­e schrittwei­se abgekühlt.

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