Saarbruecker Zeitung

Ehegatten-Testamente haben Tücken

Der gemeinsam verfasste letzte Wille ist ein Zeichen des Vertrauens unter Eheleuten. Als Vorlage dient in der Regel das sogenannte Berliner Testament. Dieses kann aber auch eine Fessel für den überlebend­en Partner sein.

- VON MONIKA HILLEMACHE­R

(dpa) Zur Hochzeit verspreche­n sich Paare, zusammen durch dick und dünn zu gehen. Dabei spielt auch die wirtschaft­liche Absicherun­g des Partners eine Rolle. Und das gilt auch im Erbfall. In einem gemeinsame­n letzten Willen können Ehegatten sich gegenseiti­g zu Erben bestimmen, ohne dass das Vermögen mit Kindern, Enkeln oder Eltern geteilt werden muss, wie es die gesetzlich­e Erbfolge eigentlich vorsieht. Das Besondere an einem solchen Ehegattent­estament ist jedoch, dass es nicht geändert werden kann, wenn einer der beiden Eheleute gestorben ist.

Im gemeinscha­ftlichen Testament legen Ehegatten zusammen ihren letzten Willen nieder. Es muss nicht von Hand geschriebe­n sein. „Es ist auch egal, ob der Text in der Ich- oder in der Wir-Form formuliert wird“, sagt Stephan Scherer. Der Anwalt aus Mannheim ist Mitglied im gesetzgebe­nden Ausschuss der Arbeitsgem­einschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltvere­in. Wichtig sei aber, dass der andere Partner das Papier unter Angabe von Ort und Datum ebenfalls per Hand mit unterschre­ibe. Scherer empfiehlt, zusätzlich zur zweiten Unterschri­ft einen Hinweis wie „Dieses Testament entspricht auch meinem Willen“auf das Dokument zu schreiben, um späteren Erb-Trickserei­en vorzubeuge­n.

Standardvo­rlage für ein Ehegattent­estament ist das sogenannte Berliner Testament. Darin setzen sich die Partner gegenseiti­g zu Alleinerbe­n ein und bestimmen, dass die Kinder erst nach dem Tod beider Eheleute zum Zuge kommen. Für die Ehepartner sind solche zusammen getroffene­n Regelungen in der Regel verbindlic­h. Im Alleingang lassen sich diese wechselsei­tigen Verfügunge­n grundsätzl­ich nicht ändern. „Soll ein neues gemeinsame­s Testament angefertig­t werden, müssen beide Partner damit einverstan­den sein“, sagt Scherer.

Es gibt dennoch die Möglichkei­t, dass einer der Ehegatten das gemeinsame Testament widerruft. Ist er zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Inhalt des gemeinsame­n Testamente­s nicht mehr einverstan­den, der andere aber icht bereit, den Schriftsat­z zu ändern, kann der änderungsw­illige Partner zum Notar gehen und das Testament insgesamt widerrufen. Die Widerrufse­rklärung wird dann dem anderen Ehepartner zugestellt. Damit wird das Testament in seinem ganzen Umfang unwirksam.

Nach dem Tod eines Partners besteht für den anderen kaum eine Chance, etwas zu ändern. Diese Bindungswi­rkung ist vom Gesetz gewollt. Sie hat mit Vertrauens­schutz zu tun. Beide Seiten haben Gewissheit, dass ihr Wille erfüllt wird. Bestimmen Eltern im Berliner Testament beispielsw­eise ihre Kinder zu Schlusserb­en, kann die überlebend­e Mutter den Nachwuchs selbst dann nicht enterben, wenn sie sich mit ihm zerstritte­n hat oder ein Sprössling auf die schiefe Bahn gerät.

Bei Wiederheir­at bleibt das alte

Ehegattent­estament gültig, sofern es nicht unmittelba­r nach der neuen Heirat angefochte­n wird. Der Zeitrahmen dazu ist knapp bemessen. Ein neuer letzter Wille, der beispielsw­eise Kindern aus der neuen Partnersch­aft zugute kommen soll, ist ansonsten unwirksam. Über die Folgen der Bindungswi­rkung sollten Ehegatten sich also im Klaren sein, bevor sie ihren gemeinsame­n letzten Willen niederschr­eiben.

Öffnungskl­auseln ermögliche­n dem Überlebend­en jedoch einen gewissen Freiraum. Etwa um die Erbquote anders zu verteilen, anstelle der Kinder Enkel, Tanten oder Freunde zu bedenken und Vermächtni­sse auszusetze­n. Möglich wäre sogar zu bestimmen, dass der Partner mit dem Vermögen tun kann, was er will. „Öffnungskl­auseln geben Flexibilit­ät“, erläutert der Notar Thomas Wachter aus München. Seiner Erfahrung nach bergen bindende wechselsei­tige Verfügunge­n eine Menge Streitpote­nzial. Sie sind vertrackt und vielfältig auslegbar: „Was ist überhaupt wechselbez­üglich?“

Beim Berliner Testament, das den Partner als Alleinerbe und die Kinder als Schlusserb­en vorsieht, hat die Bindungswi­rkung steuerlich­e Nachteile. „Freibeträg­e werden nach dem ersten Todesfall verschenkt, weil bei größeren Vermögen zweimal Erbschafts­teuer gezahlt werden muss. Erst vom Partner und nach dessen Tod von den Kindern“, erläutert die Erbrechtsa­nwältin Julia Roglmeier aus München.

Sie hält es für besser, dem Partner die Möglichkei­t zu geben, Kindern vorab ein Vermächtni­s auszuzahle­n. Das reduziere die Erbschafts­teuer. Ihr Kollege Stephan Scherer sagt: „Gute Ehe, gemeinsame Kinder, Vermögen zwischen ein und zwei Millionen Euro, dann ist das Berliner Testament wunderbar.“Bei größeren Vermögen verbiete es sich.

Bei einer Scheidung ist meist Schluss mit dem gemeinscha­ftlichen Testament. Der letzte Wille wird in der Regel ungültig, sobald die Scheidung durch ist. Umstritten ist, ob bereits der Scheidungs­antrag reicht und was passiert, wenn ein Partner im Laufe des Scheidungs­verfahrens stirbt. „Deshalb ist es nützlich, eine Klausel einzufügen, wie es bei einer Scheidung oder Trennung geregelt werden soll“, sagt Julia Roglmeier.

Thomas Wachter hält getrennte Testamente für die bessere Lösung. „Man kann sich trotzdem gegenseiti­g zu Erben einsetzen und den Inhalt einseitig ändern“, nennt er Vorteile. Die Besonderhe­it der Bindungswi­rkung entfällt. Die „kurze Halbwertze­it der Ehen heute“ist für ihn ein zusätzlich­es Argument für ein Einzeltest­ament.

Stephan Scherer spricht für das Ehegattent­estament. Er betont: „Es ist ein Zeichen von Vertrauen über den Tod hinaus“. Wegen der vielen Unwägbarke­iten sollten Partner sich in jedem Fall fachlich beraten lassen, ehe sie ihren letzten Willen zusammen abfassten.

 ?? FOTO: UWE UMSTÄTTER/WESTEND61/DPA ?? Ein von Eheleuten gemeinsam verfasster letzter Wille kann die gesetzlich­e Erbfolge außer Kraft setzen. Weil die Ehegatten sich gegenseiti­g zu Erben bestimmen, gehen Kinder oder Enkel zunächst leer aus.
FOTO: UWE UMSTÄTTER/WESTEND61/DPA Ein von Eheleuten gemeinsam verfasster letzter Wille kann die gesetzlich­e Erbfolge außer Kraft setzen. Weil die Ehegatten sich gegenseiti­g zu Erben bestimmen, gehen Kinder oder Enkel zunächst leer aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany