Saarbruecker Zeitung

Suchmaschi­ne Google wird 20 Jahre alt

- VON ANDREJ SOKOLOW

In 20 Jahren ist Google mit seiner Formel zum sekundensc­hnellen Auffinden von Informatio­nen zum Giganten geworden. Obwohl höchst erfolgreic­h, ist der Konzern nicht unumstritt­en.

MOUNTAIN VIEW (dpa/kes) Sechs Buchstaben haben die Welt verändert: Google. Das sekundensc­hnelle Auffinden von Informatio­nen im Internet ist in den vergangene­n 20 Jahren dank der berühmten Formel des Konzerns zur Selbstvers­tändlichke­it geworden. Damit einher geht aber auch eine beispiello­se Ansammlung von Informatio­nen in der Hand eines Unternehme­ns – und eine Marktmacht, die vor allem in Europa verstärkt Aufseher auf den Plan ruft. Auch mit künstliche­r Intelligen­z, selbstfahr­enden Autos und Gesundheit­sforschung wollen der Gigant und die Konzernmut­ter Alphabet künftig die Zukunft beherrsche­n. Google, eine Revolution zwischen Segen und Fluch.

Internet-Suchmaschi­nen gab es zwar schon vor 1998, wie Altavista, Yahoo oder Excite. Aber es war der neue Ansatz der Studenten Larry Page und Sergey Brin, der die Google-Erfindung schnell nach vorn brachte. Die Idee: Nicht ein redaktione­ll gepflegter Web-Katalog sollte es sein, sondern eine smarte Suchmaschi­ne. Die Relevanz einzelner Webseiten zeigt sich darin, wie oft auf sie verlinkt wird („Page Rank“).

Inzwischen spielen im Google-Algorithmu­s, den viele Köpfe weiterentw­ickelten, hunderte weitere Faktoren mit. Die erste Version der Suchmaschi­ne, die zuerst BackRub hieß, programmie­rten Page und Brin ab 1996 noch zu Hause. Bald wurde sie in Google umbenannt – eine Anspielung auf das Wort „Googol“, die mathematis­che Bezeichnun­g für eine 1 mit 100 Nullen.

Um einen Scheck über 100 000 Dollar von IT-Pionier Andreas von Bechtolshe­im einlösen zu können, wurde Google schließlic­h am 4. September 1998 als Unternehme­n registrier­t. Die Mission: Alle Informatio­nen auf der Welt zu ordnen und für alle zugänglich zu machen. Das Credo, das inzwischen kaum noch Erwähnung findet: „Don‘t be evil“– tu nichts Böses. Als erstes Büro suchten sich Page und Brin standesgem­äß eine Garage im Herzen des Silicon Valley. Ihre Vermieteri­n, Susan Wojcicki, führt heute Googles Videotocht­er YouTube.

Page war der erste Firmenchef – doch den Investoren war nicht wohl dabei, das schnell wachsende Geschäft noch nicht einmal 30-jährigen Gründern zu überlassen. So wurde 2001 der erfahrende Manager Eric Schmidt als eine Art „Erwachsene­naufsicht“zu Google geholt. Für zehn Jahre, bis ein gereifter Page wieder das Steuer übernahm, herrschte Schmidt als Konzernche­f, aber die beiden Gründer hatten zum Beispiel die Freiheit, das Start-up

„Don‘t be evil – tu nichts Böses!“

Das Credo der Google-Gründer

Larry Page und Sergey Brin

hinter dem heute dominieren­den Smartphone-System Android zu kaufen. Seit drei Jahren steht Sundar Pichai an der Spitze des Giganten.

Genauso ausgefeilt wie der Algorithmu­s war auch die Google-Idee, wie man damit Geld verdienen kann: mit kleinen Anzeigen im Umfeld der Treffer – die dazu passen, wonach der Nutzer sucht. Bezahlt werden muss nur, wenn die Werbung angeklickt wird, und der genaue Preis wird in einem Auktionsve­rfahren festgelegt.

Mit solchen Mini-Deals scheffelt Google Milliarden. Die Such-Anzeigen gelten bei allen neu dazugekomm­enen Aktivitäte­n nach wie vor als die Basis des Geschäfts von Google – und auch von Alphabet insgesamt. Im vergangene­n Quartal erzielte die Konzernmut­ter einen Umsatz von 32,6 Milliarden Dollar, davon waren gut 28 Milliarden Werbe-Erlöse von Google.

Schon in den ersten Jahren wurde klar, dass sich die Ambitionen von Google nicht nur auf die Internet-Suche beschränke­n. Getreu dem Ziel, alle Informatio­nen der Welt zu organisier­en, startete das Projekt, in großem Stil Bücher einzuscann­en – und brachte den Google-Gründern die erste blutige Nase. Autoren und Verleger sahen Urheberrec­hte verletzt und ihr Geschäft bedroht, zogen vor Gericht. Google Books kam danach nur zäh voran. Weitere Konflikte folgten. Medienhäus­er warfen Google vor, mit der kostenlose­n Verbreitun­g von Nachrichte­n ihre Geschäftsg­rundlage zu zerstören. Bewertungs­dienste wie Yelp kritisiert­en, die Suchmaschi­ne sauge ihre Inhalte ein. Preissuchm­aschinen sahen sich benachteil­igt.

Die EU-Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager griff bereits zwei Mal hart durch. 2017 gab es mit dem Vorwurf des unfairen Wettbewerb­s bei der Shopping-Suche eine Strafe von 2,4 Milliarden Euro. In diesem Juli folgte die Rekordstra­fe von 4,34 Milliarden Euro für Googles Gebaren bei Android. Die Strafen verdaute Google mit Leichtigke­it – die Forderung, auf der Mobil-Plattform mehr Konkurrenz zuzulassen, könnte aber zur Bombe für das Android-Geschäft werden.

Und immer wieder kommen Datenschut­z-Ängste auf. Weiß Google inzwischen zu viel über seine Nutzer? Die Idee der Computer-Brille Google Glass scheiterte letztlich auch an der Sorge, ihre Träger könnten andere unbemerkt filmen. Erst vor wenigen Wochen musste sich der Konzern dafür rechtferti­gen, dass Android-Telefone ständig Ortungsdat­en speichern – selbst wenn die Anwender das nicht möchten.

Der Internet-Gigant bittet die Nutzer um noch mehr Informatio­nen: Der sprechende Google Assistant ist erst dann besonders nützlich, wenn er sich genau auf den jeweiligen Menschen einstellen kann. Wie weit Google bei der Entwicklun­g von künstliche­r Intelligen­z ist, zeigte der Konzern im Frühjahr mit dem Dienst Duplex, der menschlich­e Sprache bis hin zu natürlich klingenden „Ähms“imitieren kann. Neben Bewunderun­g für die Leistung der Google-Entwickler löste das auch Sorgen vor einem Vormarsch der Sprach-Roboter aus.

Wenige Tage vor dem Google-Geburtstag machte US-Präsident Donald Trump noch eine Front auf. Trump googelte Nachrichte­n über sich selbst, fand angeblich lauter negative Schlagzeil­en. Er warf Google vor, die Auswahl zu seinen Ungunsten zu manipulier­en. Das werde Konsequenz­en haben. Google wies die Vorwürfe zurück. Ausgestand­en ist die Sache wohl aber noch nicht. Die Geburtstag­sfeier stört das aber wohl erstmal wenig.

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FOTOS: PICTURE ALLIANCE/DPA/FOTOLIA Sechs bunte Buchstaben haben seit 1998 die Welt verändert: Google ist ein Gigant geworden – erfolgreic­h, bewundert und umstritten.

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