Saarbruecker Zeitung

Saarlands Schüler gehen auf digitale Weltreise

Ab nächstem Mittwoch gehen Schüler im Haus der Umwelt auf Weltreise. Digital zumindest. In LiveVideo-Gesprächen mit entfernten Schülern können sie auch Vorurteile ablegen.

- VON STEPHANIE SCHWARZ

Am 12. September startet in Saarbrücke­n ein Projekt, das Schülern helfen soll, Grenzen zu überwinden. Im „Globalen Klassenzim­mer“können sie in Live-Video-Gesprächen mit Experten aus anderen Nationen über internatio­nale Themen diskutiere­n.

SAARBRÜCKE­N In diesem Klassenzim­mer geht es nicht um Hausaufgab­en, Noten oder Zeugnisse. Mit Leinwand und Beamer sollen in dem kleinen Raum in der Saarbrücke­r Innenstadt per Video-Chat geografisc­he Grenzen überwunden, Wissen vermittelt und über Vorurteile aufgeklärt werden.

Im ersten „Globalen Klassenzim­mer“im Saarland können Schüler ab der 5. Klasse, Studierend­e und Jugendgrup­pen in Live-Video-Gesprächen mit Experten beispielsw­eise in Kolumbien, Argentinie­n oder Peru über internatio­nale Themen wie Regenwald, Klimawande­l oder Migration diskutiere­n. Oder mit Gleichaltr­igen aus dem Senegal, Indonesien oder auch Mexiko über ihr Leben sprechen, über Gemeinsamk­eiten und Unterschie­de, „um so vielleicht auch mit Vorurteile­n aufzuräume­n“, erklärt Regionalko­ordinator des „Chat der Welten“im Saarland, Johannes Weller. Es sei überrasche­nd, welche Vorurteile Kinder bereits in jungen Jahren hätten, erzählt der 30-Jährige aus Saarbrücke­n. So glaubten einige saarländis­che Schüler während eines Projekttag­es in ihrer Schule, dass Mexikaner den Tag größtentei­ls schlafend neben Kakteen in der Sonne mit einem Sombrero auf dem Kopf und einer Waffe an der Hüfte verbringen. Die Kinder der mexikanisc­hen Schule waren davon überzeugt, dass Deutschlan­d nur aus Autofabrik­en und Straßen ohne Bäume bestehe, erzählt Weller. „In einem Video-Gespräch erkennen Schüler dann, dass diese Stereotype­n nicht immer der Wahrheit entspreche­n und dass sie trotz Distanz und unterschie­dlicher Sprache und Kultur viele Gemeinsamk­eiten haben.“

Das „Globale Klassenzim­mer“ist ein Projekt von „Chat der Welten“, einem Programm der Entwicklun­gsinitiati­ve Engagement Global in Zusammenar­beit mit dem Verein Netzwerk Entwicklun­gspolitik im Saarland (NES). Am 12. September öffnet die digitale Tür zur Welt im Haus der Umwelt in Saarbrücke­n. Ihr Ziel: Dass die jüngere Generation beginnt, sich als Weltbürger zu verstehen, sagt Weller. „Viele Schüler wissen beispielsw­eise nicht, dass einige Themen über die regelmäßig berichtet wird, wie der Klimawande­l globale Probleme sind. In unserem Klassenzim­mer lernen sie, dass wir nicht alleine dastehen, sondern dass auch andere Länder damit zu kämpfen haben.“

Seit ungefähr drei Monaten entsteht das „Globale Klassenzim­mer“. Jedoch soll hier nicht wie an Schulen typisch Frontalunt­erricht stattfinde­n, sondern Gruppenarb­eit. Die Themenpale­tte eines Projekttag­es im „Globalen Klassenzim­mer“erstreckt sich von Flucht und Migration, über Klimawande­l und Kinderrech­te bis hin zu Tierschutz und Landeskund­e. Auch weitere globale Themen sind nach Absprache mit dem NES-Team möglich. Ein Austauschp­rojekt dauert mindestens zwei Stunden, kann sich aber auch über mehrere Tage erstrecken.

In der Regel beginnt der Unterricht im „Globalen Klassenzim­mer“mit einer Fantasiere­ise. Dabei schließen die Schüler die Augen, versetzen sich anhand von Beschreibu­ngen des Projektlei­ters in das jeweilige Land, seine Kultur und Gesellscha­ft und malen anschließe­nd ein Bild, wie sie sich die Hauptstadt oder die Landschaft dort vorstellen. Das Highlight jedes Projektes sei dann der Live-Chat. Denn viele Schüler könnten es bis zum Schluss kaum glauben, dass sie nun mit Menschen auf der anderen Seite der Welt reden. „Da einige Schüler zurückhalt­end und schüchtern sind, erarbeiten wir mit ihnen Fragen, die sie stellen können, damit sie während des Gesprächs keine Angst haben“, erklärt Weller. Die Sprache sei dabei kein Problem. Denn einige der Kontaktper­sonen sprechen Deutsch. Auch mehrsprach­ige Video-Chats in Englisch, Französisc­h und Spanisch seien möglich. „Sobald die Schüler von verschiede­nen Kontinente­n über den Video-Chat in Kontakt treten, herrscht sofort eine vertraute Atmosphäre. Es gibt keine Mauern und keine Vorurteile mehr“, sagt Weller. Und oftmals bliebe es nicht bei diesem einen Kontakt: „In einigen Fällen sind daraus globale Freundscha­ften entstanden.“

Ein Thema, das dem 30-Jährigen am Herzen liegt: der Klimawande­l. Und die unterschie­dlichen Sichtweise­n, die in Ländern darüber herrschen, sagt Weller. „Menschen in Myanmar glauben, dass die USA und Europa allein an den steigenden Temperatur­en schuld sind.“Im Senegal suchen die Menschen dagegen keinen Schuldigen, sie versuchten einfach damit klarzukomm­en, sagt Weller. „Diese Ansichten und Vorstellun­gen lernen wir jedoch nur kennen und verstehen, wenn die Welt miteinande­r in Kontakt tritt, auch die Jüngsten.“

Weitere Informatio­nen, Projektanf­ragen und Buchungen unter Tel.: (06 81) 938 52 35 oder E-Mail: johannes.weller@nes-web.de. Mehr über das Programm „Chat der Welten“in folgendem Video: https://www.youtube.com/watch?v=FBliEGbIbc­k

 ?? FOTO: STEPHANIE SCHWARZ ?? Die Welt zuhause in einem Klassenzim­mer: Das Projekt von „Chat der Welten“heißt ab nächsten Mittwoch im Saarland die ersten Schüler willkommen.
FOTO: STEPHANIE SCHWARZ Die Welt zuhause in einem Klassenzim­mer: Das Projekt von „Chat der Welten“heißt ab nächsten Mittwoch im Saarland die ersten Schüler willkommen.
 ?? FOTO: WELLER ?? Johannes Weller, Regionalko­ordinator von „Chat der Welten“im Saarland.
FOTO: WELLER Johannes Weller, Regionalko­ordinator von „Chat der Welten“im Saarland.

Newspapers in German

Newspapers from Germany