Die Personal-Probleme des Emmanuel Macron
Nach zwei Rücktritten binnen einer Woche baut Frankreichs Präsident sein Kabinett um. Glücklich agiert er nicht, bemängeln Kritiker.
PARIS (SZ/dpa) Genau eine Woche brauchte Emmanuel Macron, um sich von dem Schock zu erholen, den ihm der überraschende Rücktritt seines beliebten Umweltministers Nicolas Hulot zugefügt hatte. In dieser Woche wurde so viel über Umweltschutz diskutiert wie selten zuvor. Eine grüne Kehrtwende des Präsidenten schien möglich zu sein in jenen sieben Tagen, in denen auch der Name des Grünen-Politikers Daniel Cohn-Bendit für die Nachfolge des enttäuschten Hulot kursierte (siehe Text unten). Doch statt „Dany le Rouge“, der Ikone der 68er, übernimmt nun François de Rugy den schwierigen Posten. Einen „ökologischen Opportunisten“nannte die Zeitung „Libération“den Präsidenten der Nationalversammlung. „Es ist zu befürchten, dass der neue Minister die Politik von Emmanuel Macron blind umsetzt und der Stimme seines Meisters folgt“, erklärte die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Ein Auftakt mit einiger Kritik also. Was ist dran?
Der 44-jährige De Rugy hat durchaus ein grünes Profil: Der Politiker ohne Charisma war jahrelang Fraktionschef der Grünenpartei Europe Ecologie-Les Verts, bevor er sich den Sozialisten zuwandte, um später Macron und seine neu gegründete Bewegung zu unterstützen. Dafür wurde er im vergangenen Jahr mit dem Posten des Parlamentspräsidenten belohnt, den er nun für einen weiteren Vertrauten des Präsidenten frei macht. Der Fraktionschef von Macrons Partei LREM, Richard Ferrand, kündigte kurz nach der Ernennung De Rugys an, sich für dessen Nachfolge zu bewerben. Schon lange werden Ferrand Ambitionen auf den Vorsitz der Assemblée Nationale nachgesagt. Doch Macrons Unterstützer der ersten Stunde war in eine Affäre um Vorteilsnahme verwickelt, die ihn im vergangenen Jahr auch zum Rücktritt aus dem Kabinett zwang. Mit dem prestigeträchtigen Posten des Parlamentspräsidenten kehrt er nun in die erste Reihe zurück. „Jeder gewinnt, nur der Umweltschutz nicht“, zitierte „Libération“einen Grünenpolitiker zu der Personalentscheidung. Andere mögliche Kandidaten wie der Leiter des WWF Frankreich, Pascal Canfin, oder die Verhandlungsführerin des Klimagipfels von Paris, Laurence Tubiana, gingen leer aus.
Macron verzichtete auch darauf, den Rücktritt Hulots zum Anlass für eine größere Regierungsumbildung zu nehmen. Neben dem Umweltministerium besetzte er nur das Sportministerium neu. Dort hatte die frühere Olympiasiegerin Laura Fessel gestern überraschend ihren Rücktritt angekündigt. Die 46-jährige, die durch die frühere Weltklasse-Schwimmerin Roxana Maracineanu ersetzt wird, gab persönliche Gründe an. Medienberichten zufolge steht die frühere Fechterin allerdings im Verdacht des Steuerbetrugs. Die wegen einer Bauaffäre angeschlagene Kulturministerin Françoise Nyssen bleibt im Amt.
Mit Hulot und Flessel gehen die bekanntesten und beliebtesten Minister in Macrons Riege. „Rien ne va plus“(Nichts geht mehr) titelte das „Journal du Dimanche“bereits am Sonntag. Gemeint war nicht nur Hulot, sondern auch die Steuerpolitik, in der Macron eine Kehrtwende zu vollziehen droht. Eigentlich war vorgesehen, ab Januar das Steuersystem umzustellen und wie in Deutschland die Einkommenssteuer direkt vom Gehalt abzuziehen. Doch vergangene Woche äußerte Macron plötzlich Zweifel an dieser Maßnahme, die noch von seinem Vorgänger François Hollande stammt. Der 40-Jährige, der bisher einen mutigen Reformkurs verfolgt und damit rege Kritik erregt hatte, schien damit zum Zauderer zu werden.
60 Prozent der Franzosen sind dafür, das Steuersystem zu ändern und der Praxis in den anderen europäischen Ländern anzupassen. Doch die seit Jahren vorbereitete Umstellung am 1. Januar kommt für Macron zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Der Präsident, mit dem nach einer Umfrage des Ifop-Instituts nur noch 31 Prozent der Franzosen zufrieden sind, kann nach gut einem Jahr im Amt noch keine Erfolge vorweisen. Die Arbeitslosigkeit sinkt nur langsam, die Kaufkraft nimmt ab. Die geplanten Maßnahmen, die den Franzosen mehr Geld bringen sollen, wären durch den direkten Steuerabzug nicht mehr messbar. Ein Grund für Präsident Macron, zurückzurudern.