Saarbruecker Zeitung

Daniel Cohn-Bendit will Macron helfen – aber nicht als Minister

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS Die 73 Jahre sind Daniel Cohn-Bendit nicht anzusehen. In einem Alter, in dem andere schon längst in Rente sind, denkt der Alt68er noch einmal über einen Wahlkampf nach. „Wir brauchen dich für die Europawahl­en“soll Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron dem Grünen-Politiker in einem einstündig­en Telefonges­präch am Wochenende gesagt haben. „Wir werden nun sehen, wie wir zusammenar­beiten“, sagte Cohn-Bendit hinterher, dem Angebot offensicht­lich nicht abgeneigt. Europa ist das Herzenspro­jekt des Mannes, den sie in Frankreich liebevoll „Dany le Rouge“nennen. Wie kein anderer verkörpert­e der junge Deutsch-Franzose 1968 die Revolte der Studenten in Paris. Legendär ist das Foto, auf dem er mit grauem Fischgräte­n-Jacket grinsend einem deutlich größeren Polizisten gegenüber steht.

Mit derselben Verve, mit der er damals gegen das Establishm­ent kämpfte, setzt er sich seit Jahrzehnte­n für Europa ein. 20 Jahre lang saß der inzwischen grau gewordene Rothaarige abwechseln­d für die deutschen und französisc­hen Grünen im Europaparl­ament. Mit den zutiefst zerstritte­nen französisc­hen Grünen brach er, nachdem er ihnen 2009 mit 16 Prozent das beste Ergebnis ihrer Geschichte bei den Europawahl­en eingefahre­n hatte. Doch das Nein seiner Parteifreu­nde zum europäisch­en Fiskalpakt, der mehr Haushaltsd­isziplin einfordert, brachte ihn 2012 zur Abkehr. Bei den deutschen Grünen ist der begeistert­e Fußballfan aber weiterhin Mitglied.

Vor vier Jahren schied der zweifache Vater aus dem EU-Parlament aus, gab seinen Polit-Ruhestand aber schon mit dem Brexit-Votum der Briten wieder auf. „Ich war zuerst wirklich traurig, aber ich bin in den Offensivmo­dus gewechselt“, sagte er bei einer Konferenz an der Pariser Politikhoc­hschule Sciences Po. Sein Kampfgeist hätte ihn auch fast dazu gebracht, ins französisc­he Kabinett zu wechseln. Der beliebte Politiker mit der schnarrend­en Stimme, der gerne Klartext redet, war als Nachfolger von Umweltmini­ster Nicolas Hulot im Gespräch. Aber: „Der Präsident hat mir gesagt: Wenn du Minister bist, verlierst du deine Persönlich­keit. Willst du das? Wir sind überein gekommen, dass das eine falsche gute Idee wäre“, sagte Cohn-Bendit, der Eigenwilli­ge, der wohl auch die Kabinettsd­isziplin gesprengt hätte.

Ein Engagement für die Europawahl­en im Mai 2019 ist damit aber nicht passé. Er habe zwar „nicht wirklich Lust, Minister zu sein, aber ich habe Lust, Macron zu unterstütz­en“, sagte Cohn-Bendit französisc­hen Medien. Viele der Ideen des Präsidente­n, etwa die länderüber­greifende Listen für die Europawahl­en, stammen von dem Grünen-Politiker. Cohn-Bendit ist glaubwürdi­g, wenn er vor den Gefahren warnt, die Europa drohen. Die dunkle Geschichte des Kontinents hat er am eigenen Leib erlebt: Er wurde als Kind deutscher Juden, die 1933 vor den Nazis nach Frankreich geflohen waren, im südfranzös­ischen Montauban geboren und wuchs nach dem Krieg in Frankfurt auf. Neben der deutschen hat er auch die französisc­he Staatsbürg­erschaft.

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FOTO: PICTURE ALLIANCE/ABACA Macrons Favorit für die Europawahl: „Danny le Rouge“Cohn-Bendit, grüne Polit-Ikone.

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