Saarbruecker Zeitung

„Der Rechtsstaa­t muss das Kirchenasy­l ertragen“

Der Kirchenasy­lbeauftrag­te für die evangelisc­he Kirche im Saarland beobachtet schlechter­e Bedingunge­n für Schutzsuch­ende durch rechtspopu­listische Parolen.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE FATIMA ABBAS.

Herr Hofmann, wann hat man Anspruch auf Kirchenasy­l?

HOFMANN Die Zuflucht in kirchliche­n Räumen ist immer Ultima Ratio, wenn eine Abschiebun­g sehr wahrschein­lich ist oder bereits angeordnet wurde. Aus christlich­er Verantwort­ung heraus ist es ein Versuch, besondere Härtefälle noch mal vom Bundesamt für Migration und Flüchtling­e überprüfen zu lassen. Aus Nächstenli­ebe muss auch ein souveräner Rechtsstaa­t es ertragen, dass verlässlic­he Partner wie die Kirchen eine Überprüfun­g von Härtefälle­n wünschen.

Was sind Härtefälle?

HOFMANN Bei Verfolgung aus religiösen oder anderen Gründen, bei Misshandlu­ngen. Härtefälle liegen mitunter auch vor, wenn eine Frau schwanger ist, eine schwere Erkrankung – auch psychische­r Art – vorliegt, für die es im Herkunftsl­and keinerlei Hilfsmögli­chkeiten gibt.

Die evangelisc­he Kirche im Saarland gewährte 2017 gerade einmal in sieben Fällen Asyl. Gibt es so wenige Härtefälle?

HOFMANN Die Kriterien sind sehr streng. Bei den meisten, die uns in den letzten zwei Jahren angerufen haben, liegen keine Härtefälle vor.

Wie lange gilt das Kirchenasy­l?

HOFMANN Meistens drei bis vier Monate. In einigen Fällen bis zu einem halben Jahr. Durch die Neuregelun­g zur Überstellu­ngsfrist können es nun bis zu 18 Monate werden. Das ist natürlich für alle Seiten eine Belastung. Viele Kirchengem­einden müssen Anträge ablehnen, weil sie die räumlichen Voraussetz­ungen nicht erfüllen oder nicht genügend Ehrenamtli­che haben, die das mittragen.

Wie bekommen Sie die Anfragen?

HOFMANN Meistens telefonisc­h, aber es klopfen auch mal direkt Leute bei uns an.

Zwingt das Kirchenasy­l das Bamf, Asylfälle noch mal zu prüfen?

HOFMANN Nein, es ist eine freiwillig­e Vereinbaru­ng zwischen Kirche und Staat.

Ist das Kirchenasy­l konfession­sgebunden?

HOFMANN Nein. Entscheide­nd ist, dass man eine Beziehung zur Kirchengem­einde hat. Fälle aus anderen Bundesländ­ern bearbeiten wir nicht. Wir hatten in Lebach, wo die meisten Fälle von Kirchenasy­l im Saarland gewährt werden, auch schon Anträge von Muslimen, die sich taufen ließen. Aber das ist kein Kriterium.

Wird es für die Kirchen schwierige­r, Asyl zu gewähren?

HOFMANN Früher sind bundesweit 80 Prozent der Kirchenasy­le genehmigt worden, mittlerwei­le ist die Zahl auf 20 Prozent gesunken, weil viele Dublin-Fälle ausgesonde­rt werden. Innerhalb des Bamf hat sich einiges geändert. Man hat die Bedingunge­n verschärft. Leider wirkt auch die rechtspopu­listische Propaganda. Deshalb betone ich: Die Zahlen sind sehr niedrig. Man sollte die Kirche im Dorf lassen.

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KIRCHE ?? Frank-Matthias Hofmann, Kirchenasy­lbeauftrag­ter für die evangelisc­he Kirche im Saarland.
FOTO:EVANGELISC­HE KIRCHE Frank-Matthias Hofmann, Kirchenasy­lbeauftrag­ter für die evangelisc­he Kirche im Saarland.

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