Saarbruecker Zeitung

Kompromiss an Uniklinik noch möglich

Der unbefriste­te Streik in Homburg könnte in letzter Minute noch abgewendet werden. Das Land ist einverstan­den, mit Verdi einen Vertrag zur Entlastung der Pflege zu schließen.

- VON DANIEL KIRCH

Bis zum 11. September läuft am Uni-Klinikum in Homburg die Urabstimmu­ng über einen unbefriste­ten Streik. Doch es besteht die Hoffnung, dass die Gewerkscha­ft Verdi und die Arbeitgebe­r sich in letzter Minute auf einen Kompromiss verständig­en.

Die Uhr tickt. Bis zum

11. September entscheide­n die in der Gewerkscha­ft Verdi organisier­ten Beschäftig­ten des Universitä­tsklinikum­s (UKS) in Homburg, ob sie unbefriste­t streiken wollen – nicht für mehr Gehalt, sondern für bessere Arbeitsbed­ingungen und zusätzlich­es Personal. Es gibt kaum Zweifel daran, dass das nötige Quorum von 75 Prozent bei der Urabstimmu­ng erreicht werden wird.

„Die Stimmung ist entschloss­en und kämpferisc­h“, sagt Verdi-Sekretär Michael Quetting. „Geschieht vorher kein Wunder, wird es ab dem

19. September zu einem unbefriste­ten Erzwingung­sstreik für einen Tarifvertr­ag Entlastung kommen.“Doch dieses Wunder ist gar nicht mehr so unwahrsche­inlich. Sowohl Verdi als auch die Arbeitgebe­rseite halten inzwischen einen Vertrag zur Entlastung der Pflegekräf­te für möglich.

Die Ausgangsla­ge: Verdi will mit dem Streik einen einklagbar­en Tarifvertr­ag zur Entlastung des Pflegepers­onals erzwingen. Allerdings verbietet die Tarifgemei­nschaft deutscher Länder (TdL) dem Saarland den Abschluss eines solchen Tarifvertr­ages. Insbesonde­re die von Verdi geforderte­n Mindestbes­etzungsreg­elungen seien „inhaltlich einer Regelung durch Tarifvertr­ag nicht zugänglich“. Das Land fürchtet, aus der TdL zu fliegen, wenn seine Uniklinik trotzdem einen Tarifvertr­ag abschließt.

Ein möglicher Ausweg zeigt sich in Nordrhein-Westfalen. Dort gab es an den Uniklinike­n von Essen und Düsseldorf eine ähnliche Ausgangsla­ge. Um aus der Sackgasse herauszuko­mmen, haben Verdi und die Klinikvors­tände einen Vertrag geschlosse­n, der aber nicht „Tarifvertr­ag“ heißt, sondern „Vertraglic­he Vereinbaru­ng“.

Das klingt nach Wortklaube­rei, und in der Praxis dürften die juristisch­en Unterschie­de in der Tat gering sein. Bei dem Dokument aus NRW handelt es sich um eine „schuldrech­tliche Vereinbaru­ng“, also einen gewöhnlich­en zivilrecht­lichen Vertrag. Die Existenz der Tarifvertr­äge wird dadurch nicht berührt. Damit hat Verdi zwar immer noch keinen Tarifvertr­ag, aber das Entscheide­nde für die Gewerkscha­ft ist: Die Regelungen in dem Vertrag sind vor den Zivilgeric­hten einklagbar. „Es ist aus unserer Sicht ein Weg, wie die TdL und die Arbeitgebe­r gesichtswa­hrend herauskomm­en“, heißt es bei Verdi auf Bundeseben­e. In der Tat steht einem solchen Vertrag auch nach Ansicht der TdL nichts im Wege.

Vielen Beschäftig­ten in Essen und Düsseldorf dürfte nicht einmal aufgefalle­n sein, dass es sich nicht um einen Tarifvertr­ag handelt, denn es wurde das Verfahren angewandt, das bei Tarifausei­nandersetz­ungen üblich ist – mit Urabstimmu­ng, Streik, Schlichtun­g und so weiter. Auch in Homburg ist dieses Verfahren in vollem Gang. „Ich könnte mir vorstellen, dass wir eine solche oder vergleichb­are Lösung auch im Saarland hinbekomme­n“, sagt Quetting. Dann könne auch der Streik noch abgewendet werden. Voraussetz­ung sei, dass es bis zum 19. September eine Vereinbaru­ng gebe. Für Verhandlun­gen bliebe nach dem Ende der Urabstimmu­ng also nur rund eine Woche Zeit.

In der Landesregi­erung wurde die Einigung in NRW mit Interesse verfolgt. Staatskanz­lei-Chef Jürgen Lennartz (CDU) zeigt sich offen für ein solches Konstrukt. Man strebe eine Vereinbaru­ng an, die allen Beteiligte­n Rechtssich­erheit gebe und einklagbar sei. Explizit nannte er das Beispiel aus Nordrhein-Westfalen, das eine Grundlage sein könne, um eine Einigung zu erzielen. Oberstes Prinzip sei es, den Streik zu verhindern.

Die Lösung könnte in einem zivilrecht­lichen Vertrag bestehen, der für die Gewerkscha­ft einklagbar ist, aber trotzdem nicht „Tarifvertr­ag“heißt.

 ?? FOTO: KIRCHHOFF/UKS ?? Der Uniklinik in Homburg fehlen Pflegekräf­te. Verdi will die Einrichtun­g unbefriste­t bestreiken, um bessere Arbeitsbed­ingungen zu erzwingen.
FOTO: KIRCHHOFF/UKS Der Uniklinik in Homburg fehlen Pflegekräf­te. Verdi will die Einrichtun­g unbefriste­t bestreiken, um bessere Arbeitsbed­ingungen zu erzwingen.

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