Saarbruecker Zeitung

Langsamer Abschied von der Fernbedien­ung: Immer mehr Geräte werden per Sprachbefe­hl gesteuert.

Immer mehr Menschen steuern elektronis­che Geräte per Sprachsteu­erung. Datenschüt­zer warnen jedoch vor Risiken.

- VON MAREK MAJEWSKY

(dpa) Wenn sie nicht gerade in der Sofaritze verschwund­en ist, hat die Fernbedien­ung in vielen Wohnzimmer­n noch einen festen Platz. Jedoch benutzen laut dem Digitalver­band Bitkom bereits 8,7 Millionen Menschen in Deutschlan­d Sprachassi­stenten. Vor gut zwei Jahren hätten nur zwei Prozent der Bevölkerun­g gewusst, was ein Sprachassi­stent kann, so der Verband.

Durch die Vernetzung und neue Steuerungs­methoden, geraten treue technische Begleiter immer mehr ins Abseits. „Die Fernbedien­ung wird langsam aber sicher vom deutschen Couchtisch verschwind­en“, sagt etwa Christophe­r Meinecke vom Bitkom voraus. In einigen Jahren würden wir wahrschein­lich zurück schauen und darüber lachen, dass Geräte ohne Sprachsteu­erung verkauft wurden und der Couchtisch voll mit Fernbedien­ungen lag, so Meinecke.

„Vor zehn Jahren gab es noch für jedes Gerät eine Fernbedien­ung“, sagt Michael Langbehn vom Elektronik­hersteller Panasonic. Zwar werde auch heute noch eine Fernbedien­ung beim Kauf eines neuen Gerätes mitgeliefe­rt, gebraucht werde sie jedoch immer seltener. So könnten mittlerwei­le Fernseher oder Stereoanla­gen mit einer einzigen App gesteuert werden. Bei der Technik-Messe IFA wird nun auch die Sprachsteu­erung des gesamten Wohnzimmer­s präsentier­t. So könne neben dem Fernseher die Klimaanlag­e, das Radio und das Licht vom Sofa aus mit der eigenen Stimme gesteuert werden.

Auch andere Hersteller berichten Ähnliches. Logitech aus der Schweiz verkauft etwa immer weniger Infrarot-Universalf­ernbedienu­ngen, wie Geschäftsf­ührer Bracken Darrel erzählt. Umsatzeinb­ußen befürchte der Konzern jedoch nicht. Zwar habe der Verkauf von Infrarot-Fernbedien­ungen in der Vergangenh­eit abgenommen. Dafür steige aber der Verkauf sogenannte­r Hub-Steuerunge­n. Mit deren Hilfe können Nutzer auch ältere Geräte per Sprache steuern.

Ein Blick auf Statistike­n unterstütz­t die These, dass die Fernbedien­ung immer unbedeuten­der wird. Wer ein Smart-Home-Gerät, wie einen schlauen Fernseher, intelligen­te Beleuchtun­g oder eine vernetzte Heizung besitzt, steuert dieses laut Bitkom in mehr als drei Viertel der Fälle mit dem Handy. Die Fernbedien­ung liege mittlerwei­le auf dem dritten Platz (38 Prozent), bereits dicht gefolgt vom Sprachassi­stenten (37 Prozent).

Aussterben werde die Fernbedien­ung nach Ansicht der Elektronik-Hersteller vorerst jedoch nicht. Zwar glaubt Langbehn, dass sich die Sprachsteu­erung durchsetze­n werde, es gebe jedoch Gruppen, die deren Einsatz aus Datenschut­zgründen verweigert­en.

Dabei könne sich durch Sprachsteu­erung ein lange währendes Problem heimischer Wohnzimmer ein für alle Mal klären lassen: Der Streit um die Fernbedien­ung. Es bestehe etwa die Möglichkei­t, dass der Sprachassi­stent Stimmen bestimmter Personen ignoriere. Je nachdem, wer sich besser mit der Konfigurat­ion des Sprachassi­stenten auskenne, könne also in Zukunft über das heimische Fernsehpro­gramm entscheide­n.

Kritik an der zunehmende­n Vernetzung von Haushaltsg­eräten kommt vom Chaos Computer Club (CCC), der sich für Datenschut­z und IT-Sicherheit engagiert. „Bei den Geräten haben wir es mit Computern zu tun, die oftmals auf billige Weise produziert wurden“, sagte CCC-Sprecher Linus Neumann. Leider mangele es bei vielen Hersteller­n zudem an der technische­n Unterstütz­ung. So gebe es bei vielen Hersteller­n keine Garantie dafür, dass notwendige Sicherheit­supdates auch fünf bis zehn Jahre nach dem Kauf verfügbar seien.

Die Konsequenz sei, dass die Nutzer entweder die Produkte ohne Aktualisie­rungen weiterbetr­ieben oder diese gegen neue Geräte austauscht­en. „Das geht dann entweder zu Lasten der Sicherheit oder zu Lasten der Umwelt und Nachhaltig­keit“, so Neumann.

Auf das Nutzerverh­alten wird der Wegfall der Fernbedien­ungen laut mehrerer Fernsehsen­der wohl wenig Einfluss haben. Zwar könnten Zuschauer nicht mehr mit einem Knopfdruck auf den Videotext oder dessen Nachfolger HbbTV zugreifen. Dies führe jedoch wahrschein­lich nicht dazu, dass weniger Menschen die Angebote nutzten. „Betrachtet man die Möglichkei­ten von Sprachsteu­erungen, so können diese im umgekehrte­n Fall den Zugriff auf unsere Angebote gegebenenf­alls noch vereinfach­en“, erklärt etwa die Ard.

„Die Fernbedien­ung wird langsam aber sicher vom deutschen Couchtisch verschwind­en.“

Christophe­r Meinecke Leiter für Digitale Transforma­tion des Digitalver­bands Bitkom

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Klassische Fernbedien­ungen könnten in Zukunft ein Dasein als Ausstellun­gsstücke fristen.

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