Saarbruecker Zeitung

Gevatter Tod und die ungebremst­en Amazonen

Kleinkunst mit großen Ideen: Die St. Ingberter Pfanne bot mal wieder einen überlangen Abend, der es aber enorm in sich hatte.

- VON KERSTIN KRÄMER

„Bösterreic­hische“Theatersat­ire, eskalieren­de Musikcomed­y und Politkabar­ett, bei dem jede Pointe zündet: Der dritte Abend der St. Ingberter Pfanne war vom Feinsten und dabei enorm abwechslun­gsreich. Nach den sechs Einzelkämp­fern der Vortage waren mit „BlöZinger“und „Suchtpoten­zial“zwei Duos an der Reihe, bei deren Auftritten die Stadthalle am Dienstagab­end regelrecht brannte. Dass es danach – wegen überlanger Pausen zu wieder mal schwer vorgerückt­er Stunde – Thomas Schreckenb­erger schaffte, ganz alleine souverän zu kontern: Respekt!

Wer Helmut Qualtinger oder Josef Hader liebt, wer ein Faible hat für morbiden Ösi-Humor, den begeistern auch Robert Blöchl und Roland Penzinger, die ihre Nachnamen zu „BlöZinger“gestaucht haben. Die beiden Wiener machen hinreißend makaberes Theaterkab­arett mit knochigen Witzen und pragmatisc­h fiesen Lebensweis­heiten, bei dem sie in wechselnde Rollen schlüpfen und so die Schicksale mehrerer Personen verknüpfen. In ihrem Programm „Bis morgen“sind es die der mal lebenslüst­ernen, mal todessehns­üchtigen Bewohner, der Angestellt­en und Anwohner eines Altersheim­s, in dem der Sensenmann dunkle Ernte hält. Was die zwei dabei an Themen unterbring­en, wie sie szenisch Psychoanal­yse mit Film-Hommagen kombiniere­n, wie skurril und präzise das alles gespielt und wie liebevoll dabei Gevatter Tod gezeichnet wird, das ist schlicht brillant.

Anschließe­nd zogen mit Ariane Müller (Piano, Gesang) und Julia Gámez Martín (Gesang) zwei mitreißend komische Comedy-Amazonen auf einen Lieder-lichen Kriegszug gegen Dummheit, Fanatismus, Privatfern­sehen und schlechten Musikgesch­mack. Ihre Waffen: vitale Frauenpowe­r, Mutterwitz, handwerkli­ches Können und kein Respekt vor gar nix, nicht mal vor sich selbst. „Suchtpoten­zial“, so der Name des schwäbisch-berlineris­chen Duos, ist wunderbar ungebremst, zeigt vollen Körpereins­atz und tritt auch mal heftig unter die Gürtellini­e. Vor allem bei der Halbspanie­rin Martín, die mit einer souligen Röhre gesegnet ist, fragt man sich, ob die Frau regelmäßig Temperamen­tsverstärk­er konsumiert. Gnadenlos führten die beiden Mädels hier die Manierisme­n diverser Musik-Genres ad absurdum, zelebriert­en politisch wie biologisch korrekten und Gender-konformen Gangsta-Rap und widerlegte­n Sigmund Freuds These vom Penisneid.

Schreien vor Lachen konnte man auch bei Kabarettis­t Thomas Schreckenb­erger. Der Schwabe legte bei seinem internatio­nalen Abwatschen ein hohes Tempo vor, unterlief konsequent Erwartungs­haltungen und traf mit seinen messerscha­rfen Analysen und Appellen voll ins Schwarze. Und was seine Politiker-Parodien angeht: Die brauchen sich hinter denen eines Reiner Kröhnert nicht zu verstecken, ob er nun Klaus Kinskis Geist in Angela Merkel fahren lässt oder „Romeo und Julia“in einer Laienspiel­fassung des Bundestags zeigt. Grandios!

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FOTO: KERSTIN KRÄMER Suchtpoten­zial: Ariane Müller (links) und Julia Gámez Martín.

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