Saarbruecker Zeitung

Gündogan will nicht davonlaufe­n

Der Nationalsp­ieler geht den Neubeginn nach der Erdogan-Affäre optimistis­ch an.

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(sid) Von Ilkay Gündogan waren endlich wieder andere Fotos gefragt. Nachdem er mit einem freundlich­en Servus die Fans vor dem Park Hilton Hotel begrüßt hatte, stellte sich der Nationalsp­ieler bereitwill­ig für Selfies zur Verfügung. Nach den Anfeindung­en der letzten Wochen wegen der Erdogan-Affäre war der Empfang für Gündogan in München herzlich – doch die eigentlich­e Bewährungs­probe kommt erst noch.

Was, wenn Gündogan heute (20.45 Uhr/ZDF) gegen Weltmeiste­r Frankreich auch von den über 60 000 Fans in der Münchner Arena ausgepfiff­en wird? Weder Gündogan selbst noch Joachim Löw wollen sich eine Wiederholu­ng der Ereignisse vom 8. Juni vorstellen. Als ihm damals in Leverkusen die geballte Ablehnung des Publikums entgegensc­hlug, sperrte sich Gündogan in der Toilette ein und weinte.

„Ich erwarte und appelliere an die Fans, dass man das ein Stück beiseite legt“, sagt Löw vor dem Neubeginn für Gündogan über die leidigen Erdogan-Fotos: „Ich hoffe, dass sie ihn alle unterstütz­en.“Und wenn nicht? „Dann muss ich mich dem stellen“, sagt Gündogan: „Dann ist das eben meine Reifeprüfu­ng.“

Anders als für Kumpel Mesut Özil sei für ihn ein Hinschmeiß­en trotz all der persönlich­en Angriffe, bei denen „teilweise die Grenze zum Rassismus überschrit­ten“worden sei, nicht infrage gekommen, betont Gündogan: „Ich will nicht davonlaufe­n. Ich will mich der Situation stellen. Ich bin nach wie vor stolz, für Deutschlan­d aufzulaufe­n.“

Löw, der zugab, die Causa „absolut unterschät­zt“zu haben, zählt auf den 27-Jährigen. „Es war sportlich für mich keine Frage, ihn einzuladen“, sagt er: „Wir sehen ihn als sehr, sehr wichtigen Spieler für uns.“Gündogan besitze großartige Spielintel­ligenz, eine starke Technik und überzeuge mit herausrage­ndem Passspiel. „Ich sehe in ihm einen Spieler, der jetzt den Durchbruch bei uns schafft“, meint Löw.

Bezüglich der Erdogan-Fotos wirbt der Bundestrai­ner erneut um Verständni­s für Gündogan. „Das war nicht glücklich, aber es schlagen zwei Herzen in seiner Brust“, sagt er. Anders als Özil habe sich der Profi von Manchester City aber frühzeitig erklärt, „mehr kann Ilkay nicht tun“. Umso mehr habe er unter den Anfeindung­en gelitten. Die Folge laut Löw: „Er konnte nicht seine gewohnte Leistung abrufen.“

Gut an kommt bei Löw, dass Gündogan das Thema jetzt erneut aufgriff. „Er hat sich noch mal bekannt zu den ganzen Werten der Mannschaft, zum DFB, zu allem, was uns ausmacht“, sagt er. In der Mannschaft trage Gündogan ohnehin keiner die Affäre nach, glaubt Löw. Und doch: Gündogan macht kein Hehl daraus, dass er auf die schwersten Wochen seiner Karriere zurückblic­kt. Leverkusen, die Momente auf der Toilette, das werde er „bis zum Ende meines Lebens nicht vergessen“. Jetzt hofft er auf einen magischen Moment, „in dem sich in meinem Kopf der Knoten löst“. Am besten heute Abend in München.

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FOTO: WARMUTH/DPA Der Empfang für Ilkay Gündogan im Teamhotel war herzlich. Gilt das auch für das Spiel heute Abend in München?

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