Saarbruecker Zeitung

Polizei schützt Räumung im Hambacher Forst

Seit Jahren besetzen Aktivisten das Braunkohle­revier. Jetzt haben RWE-Mitarbeite­r mit dem Abbau ihres Camps begonnen.

- VON CHRISTOPH DRIESSEN

(dpa) Das Gefühl der Beklemmung ist fast greifbar, als die ersten Polizisten gestern früh den Pfad in den Hambacher Forst betreten. Es ist ein Moment, den wohl alle Beteiligte­n mit Bangen erwartet haben: die mit blauen Helmen, Schutzschi­lden und gelben Leuchtwest­en ausgestatt­eten RWE-Arbeiter, die an diesem Tag Barrikaden und andere Hinderniss­e vom Boden wegräumen müssen, die Polizisten, die die Arbeiter schützen sollen, und wohl auch die Waldbesetz­er, die teilweise seit Jahren hier ausharren. RWE will den Wald roden. Das wollen die Aktivisten verhindern.

Ein paar Meter in den Forst hinein hängt an einem mächtigen Stamm das erste Baumhaus. Etwa 60 gibt es davon mittlerwei­le im Wald, teils ausgestatt­et mit Heizung und Küchenzeil­e. An die Baumhäuser gehen RWE und Polizei an diesem Tag noch nicht ran – zunächst soll lediglich der Boden von „waldfremde­n Gegenständ­en“gesäubert werden. Die Baumhäuser kommen vielleicht später an die Reihe. Und dann irgendwann die Bäume. Denn unter ihnen liegt Kohle, mitten im Rheinische­n Tagebaurev­ier.

Tiefer in den Wald hinein liegt das Hüttendörf­chen „Oaktown“. Es gibt eine Art Versammlun­gsplatz, drumherum Baumhäuser. Dazwischen hängen Transparen­te mit Aufschrift­en wie „Unser Leben ist keine Geschäftsi­dee“oder „Schaukeln ist wichtiger als baggern.“Als die Polizei näher kommt und das Dorf umstellt, drohen die Bewohner per Megaphon: „Das werdet ihr büßen!“Und im Sprechchor: „Wo, wo, wo wart ihr in Chemnitz?“Nach den Worten von NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) hat man es bei den Waldbesetz­ern teilweise mit „extrem gewaltbere­iten Linksextre­misten“zu tun. Sieben Polizisten wurden in den vergangene­n Wochen verletzt.

Wenn Bäume gefällt werden, wird es oft emotional in Deutschlan­d, spätestens seit den 80ern. Doch der Hambacher Forst steht für mehr. Er ist ein Symbol für den Widerstand gegen die Kohle. Eine Kommission in Berlin arbeitet an einem Zeitplan für den Ausstieg aus dem fossilen Energieträ­ger, damit Deutschlan­d seine Klimaziele nach dem Pariser Abkommen erfüllen kann. Und derweil soll noch ein ganzer Wald abgeholzt werden? Für die Gegner eine beispiello­se Provokatio­n. Auch wenn alle Genehmigun­gen vorliegen.

RWE will für den Braunkohle­abbau mehr als 100 der verblieben­en 200 Hektar Wald abholzen, darf damit frühestens zur Rodungssai­son ab 1. Oktober beginnen. Das Protestcam­p „Oaktown“ist am Ende der Aktion abgebaut, zumindest am Boden. „Kaputtmach­en, das könnt ihr“, schallt es aus den Bäumen. „Dass ihr euch nicht schämt!“Aber dabei bleibt es. Die Waldbesetz­er verharren in sicherer Höhe, und die RWE-Leute und Polizisten bleiben am Boden.

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FOTO: BERG/DPA Ein Großaufgeb­ot der Polizei hat gestern im Hambacher Forst in NRW die Räumung des Protestcam­ps beaufsicht­igt. Es blieb friedlich.

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