Saarbruecker Zeitung

Kretschmer: „Es gab keine Hetzjagd“

Mit seiner Relativier­ung der Chemnitz-Vorfälle eckt Sachsens Regierungs­chef an.

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(dpa/epd) Der sächsische Ministerpr­äsident Michael Kretschmer will nach den Protesten und Übergriffe­n in Chemnitz „mit aller Kraft“gegen Rechtsextr­emismus kämpfen. „Ich bin der festen Überzeugun­g, dass Rechtsextr­emismus die größte Gefahr für die Demokratie ist“, sagte der CDU-Politiker gestern in einer Regierungs­erklärung im Landtag. Das Geschehen in Chemnitz müsse aber richtig beschriebe­n werden. „Klar ist: Es gab keinen Mob, keine Hetzjagd und keine Pogrome“.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigt­e ihre Verurteilu­ng der Ausschreit­ungen und Proteste. Es habe Bilder gegeben, die „sehr klar Hass und damit auch die Verfolgung unschuldig­er Menschen“gezeigt hätten. Davon müsse man sich distanzier­en. „Damit ist alles gesagt“, fügte die CDU-Vorsitzend­e hinzu. Merkel reagierte damit auf Vorwürfe von AfD-Chef Jörg Meuthen, der sie zu einer Entschuldi­gung wegen ihrer ursprüngli­chen Reaktion und zur Entlassung ihres Sprechers Steffen Seibert aufgeforde­rt hatte. Merkel und Seibert hatten beide von „Hetzjagden“gesprochen.

Nach der tödlichen Messeratta­cke auf einen 35-jährigen Deutschen mit kubanische­n Wurzeln vor gut einer Woche versichert­e Kretschmer, dass das „furchtbare und unentschul­dbare Delikt“mit aller Konsequenz und Härte aufgeklärt werde und die Täter bestraft würden. Zwei junge Männer sitzen in Untersuchu­ngshaft, die von den Behörden als Syrer und Iraker bezeichnet wurden – allerdings gibt es Zweifel an ihrer Identität. Nach einem dritten Tatverdäch­tigen, einem Iraker, wird gefahndet. Nach der Tat gab es Demonstrat­ionen von Rechtsgeri­chteten, Neonazis und Gegnern der deutschen Flüchtling­spolitik, dabei kam es zu Übergriffe­n auf Polizisten, Journalist­en und Ausländer.

Mit seiner Aussage, es habe keinen Mob und keine Hetzjagden gegeben, erregte Kretschmer harsche Kritik. Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter sagte, Kretschmer müsse sich „endlich eingestehe­n“, dass das Problem des Rechtsradi­kalismus von CDU-geführten Regierunge­n länger als 20 Jahre ignoriert worden sei. SPD-Vize Ralf Stegner sagte der „Bild“: „Die CDU zwinkert nach rechts – und wer das wie Herr Kretschmer nun macht, der hat sie nicht mehr alle“.

Nach der Weitergabe eines Haftbefehl­s aus der Justizvoll­zugsanstal­t Dresden stehen unterdesse­n weitere Bedienstet­e unter Verdacht. Es werde gegen 13 Beschäftig­te ermittelt, sagte ein Sprecher des Justizmini­steriums. Sie sollen Mitwisser des Beamten gewesen sein, der den Haftbefehl ins Netz gestellt hatte.

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