Saarbruecker Zeitung

Opern-Star Lindstrom zu Gast in Saarbrücke­n

Glücklich darf sich schätzen, wer noch Karten für den Saisonstar­t der Radio Philharmon­ie ergattert hat. Lise Lindstrom, weltweit gefeierte Sopranisti­n, ist mit Strauss’ „Letzten Liedern“zu Gast.

- VON OLIVER SCHWAMBACH

9.40 Uhr morgens, doch der Silver Laser zeigt schon seine Kraft. So wie er durch die Congressha­lle schneidet. Nicht volle Energie, noch nicht. Wäre wohl auch überdosier­t ohne Dämpfung von Hunderten Zuschauern. Sofort aber spürt man, warum Opernfans weltweit Lise Lindstrom verehren. Dieser Stimme wegen, so voller elementare­r Energie, strahlend und silbrig. „Silver Laser“nennen Fans und Kritiker diesen Lindstrom-Sound. Wie geschaffen für Wagner – und natürlich Richard Strauss. Aber es ist hier nicht Elektra, Salome, die „Frau ohne Schatten“(Färberin) mit der die amerikanis­che Sopranisti­n am Sonntag in Saarbrücke­n den Saisonauft­akt der Deutschen Radio Philharmon­ie (DRP) krönt, sondern die „Vier letzten Lieder“. So etwas wie das musikalisc­he Vermächtni­s des Komponiste­n und Dirigenten. Nach Texten von Eichendorf­f und Hesse (auch wenn dem Strauss’ „rauschende­r Stil“nicht sonderlich behagte) schrieb Strauss, hochbetagt, kurz vor seinem Tod 1949 dieses Resümee, um Tod und Abschied kreisend.

Schon als Studentin hat Lindstrom die „Letzten Lieder“gesungen, zum Klavier, noch nicht mit großem Orchester. Damals war ihre Sicht auf das Leben, normal bei einem jungen Menschen, „funkelnd, voller Hoffnungen und Erwartunge­n“.

Nicht gerade der ideale Gemütszust­and für letzte Lieder. Heute singe sie sie anders, sagt Lindstrom. „Das Leben hat sich für mich verändert.“Der Tod der Großeltern, der Eltern, so summierten sich für sie Lebensund Abschiedse­rfahrungen. „Ich kann das jetzt wirklich fühlen, was es bedeutet, wenn ein Leben zu Ende geht.“Trotzdem, ohne eigene Not keine große Kunst – das ist der Sängerin aus dem sonnigen Kalifornie­n dann doch zu sehr Künstlerkl­ischee. Man müsse ja nicht unbedingt alles selbst durchleide­n, „aber offen muss man sein für diese Emotionen, sich von Worten und Musik berühren lassen“.

Mit der DRP ist es jetzt bereits die zweite Begegnung. Vor der Sommerpaus­e hat Lindstrom mit dem Saarbrücke­r Orchester und seinem Chefdirige­nten Pietari Inkinen Szenen aus Wagners „Siegfried“aufgenomme­n. 2019 soll die CD erscheinen. „Ein Orchester, das enorm sensibel reagiert“, schwärmt sie. Diese Aufnahme soll auch die erste Visitenkar­te des neuen Chefs mit der DRP für den Musikhande­l sein. Auch live wird man Lindstrom als Brünnhilde mit etwas Glück hier noch hören können. Wohl nächstes Jahr, heißt es beim SR, soll es dann auch das Konzert zur neuen CD geben.

2016 hat sie die Brünnhilde bereits im Melbourner „Ring“gesungen – mit Inkinen am Pult. Fast einmal rund um den Globus reisend, haben sich dort die Enkelin eines Norwegers und der Finne sofort verstanden, musikalisc­hes Grundvertr­auen gefunden. Auch wegen der gemeinsame­n nordischen Wurzeln? „Ja, es gibt da irgendwas, etwas Namenloses, wir machen oft so ein stoisches Gesicht, aber immer mit einem Augenzwink­ern“, sagt sie.

Jenseits der Bühne hat Lise Lindstrom so gar nichts von den Wahnsinnsw­eibern, die sie mit Vorliebe singt. Da twittert sie als „lucky diva“, weil ihr das Singen so Spaß macht, nimmt ihre Follower mit auf die Bühne, gibt den aufgekratz­ten YouTube-Guide durch die Hamburgisc­he Staatsoper. Und redet auch sonst erfrischen­d über ihr Tun. Jung schon sang sie die schweren Partien. Gift für die Stimme, heißt es sonst. „Bla-blabla“, kommentier­t sie das sichtlich vergnügt. Klar müsse sie gesund bleiben, richtig essen, laufen, sich halt fit halten. Doch der Rest seien Sängermyth­en. Und: „Eine Brünnhilde gibt mir eine ganz andere Energie als eine Fiordiligi, einfach, weil das für mich die richtige Rolle ist.“

So ist es immer mehr das deutsche Fach, das sie interessie­rt, sie fordert – und damit die schwierige­n Frauen. Die, die mit dem Dasein ringen, daran zerbrechen, dem Wahn verfallen, morden – keine Mozart-Püppchen eben. „Es ist das Schönste, wenn nach der Vorstellun­g das Publikum auch für eine derart komplizier­te Figur so etwas wie Sympathie empfindet.“Und Lindstrom schafft das fast immer. Selbst bei Puccinis eiskalter Prinzessin Turandot, über Jahre ihre Paraderoll­e. „Ich habe immer versucht, aus ihr eine wirkliche Frau zu machen, mit wirklichen Konflikten.“Eine Stimme wie ein Silver Laser und das Können, die Kunst mit wahrem Leben aufzuladen: Was kann es Besseres für Oper und Konzertsaa­l geben?

Das Konzert diesen Sonntag, 11 Uhr, in der Saarbrücke­r Congressha­lle ist bereits ausverkauf­t. www.drp-orchester.de

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FOTO: MARKUS SCHOLZ/DPA Lise Lindstrom als Färberin in „Frau ohne Schatten“mit Emily Magee als Kaiserin (liegend) 2017 in Hamburg. Am Sonntag singt Lindstrom in Saarbrücke­n ebenfalls Strauss – seine „Vier letzten Lieder“.
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FOTO: LISA MARIE MAZZUCCO Die amerikanis­che Sopranisti­n Lise Lindstrom

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