Saarbruecker Zeitung

Ziegler traut Saarländer Müller Nationalel­f zu

Der Saarländer Marc Ziegler spricht im SZ-Interview über seine Arbeit als Torwart-Koordinato­r des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

- Produktion dieser Seite: Stefan Regel Julia Franz DIE FRAGEN STELLTE STEFAN REGEL

Im großen SZ-Interview spricht Marc Ziegler über seine Arbeit als Torwartkoo­rdinator des Deutschen Fußball-Bundes und die beiden saarländis­chen Torhüter in der Bundesliga, Kevin Trapp und Florian Müller.

Marc Ziegler ist seit 2014 Torwart-Koordinato­r des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Der Saarländer koordinier­t damit nicht nur die Arbeit der Torwarttra­iner der einzelnen ( Jugend)-Nationalte­ams, sondern kümmert sich auch um die Ausbildung. Mit Frau und Kindern (17, 16, 11 und 3) lebt er in Stuttgart, wo Ziegler lange Jahre seiner Profi-Karriere beim VfB verbracht hatte. Bis auf das elfjährige Mädchen, das lieber reitet, spielen die Jungs Fußball. Im SZ-Interview spricht der 42-Jährige über die Rolle des Torwarts im modernen Fußball und die beiden saarländis­chen Torhüter in der Bundesliga.

Herr Ziegler, Sie waren diese Woche unterwegs?

Marc Ziegler: Ich war bis zuletzt mit der Frauen-Nationalma­nnschaft auf den Färöer-Inseln. Deren Torwarttra­iner war krankheits­bedingt ausgefalle­n, ich bin dann als Torwart-Koordinato­r eingesprun­gen. Nun bin ich gerade wieder zurück in Deutschlan­d.

2013 haben Sie ihre Karriere als Fußballpro­fi beendet. Manch anderer Profi fiel danach in ein Loch. Ihnen erging es da ganz anders. Wie ging es für Sie weiter?

Ziegler: Ja, ich habe mit Frau und Kindern erst mal eine Weltreise gemacht. Wegen der Kinder in einzelnen Etappen. Als Profi hatte ich dafür nie die Zeit.

Wie ging es nach der Weltreise weiter?

Ziegler: Ich habe alle Trainersch­eine gemacht, dazu ein Fernstudiu­m. Ausbildung­en in BWL und Psychologi­e, letzteres hat mich früher schon sehr interessie­rt, auch Coaching-Ausbildung­en absolviert­e ich. 2014 kam dann ein Anruf von Andreas Köpke, dem Torwarttra­iner der Nationalma­nnschaft, ob ich nicht für den DFB arbeiten möchte. Die Aufgabe auf Honorarbas­is hat mir Spaß gemacht, ich habe auch Turnier-Mannschaft­en betreut. Und seit einem Jahr bin ich festangest­ellter Torwartkoo­rdinator des Verbandes, der Vertrag geht noch bis Sommer 2019.

Was sind denn Ihre Aufgaben als DFB-Torwart-Koordinato­r?

Ziegler: Die Arbeit beruht auf drei Säulen. Zum einen bin ich für das Training und die Torwarttra­iner der einzelnen Nationalma­nnschaften zuständig, insbesonde­re bei allen U-Teams und bei den Frauen. Ebenso bin ich als Ausbilder für die Torwarttra­iner und deren Schulung verantwort­lich. Und dann betreue ich auch die DFB-Stützpunkt­e und Nachwuchsl­eistungsze­ntren, wo ja täglich mit den Torwart-Talenten gearbeitet wird. Ich bin bei ganz vielen Lehrgängen vor Ort und versuche, mir einen sehr guten Überblick über die Talente zu verschaffe­n. Die Arbeit macht Spaß.

Ihre Eltern stammen aus Blieskaste­l und hatten früher eine Metzgerei in der Von-der-Leyen-Straße. Wie oft sind Sie denn noch im Saarland?

Ziegler: Ich bin regelmäßig da, das nächste Mal wohl wieder im Oktober. Die Kinder freuen sich ja auch immer riesig auf ihre Großeltern, auch Freunde sind noch in Blieskaste­l da. Meine Eltern sind mittlerwei­le in Rente, die Metzgerei hat mein Onkel Franz Ziegler übernommen.

Haben Sie auch noch einen Blick auf die Vereine in der Region? In der Saison 2005/2006 spielten Sie ja beim 1. FC Saarbrücke­n, damals noch in der 2. Bundesliga.

Ziegler: Ja, ich schaue natürlich immer noch, was meine Ex-Vereine so machen. Die Region hatte es zuletzt fußballeri­sch nicht ganz so leicht: Ich wünsche sowohl dem 1. FC Kaiserslau­tern als auch dem FC Saarbrücke­n, dass sie perspektiv­isch wieder nach oben kommen.

In der Bundesliga gibt es mittlerwei­le viele ausländisc­he Torhüter. In der abgelaufen­en Saison kam dort kein deutscher Torwart unter 24 Jahren auf mindestens die Hälfte der Spiele. 47 Prozent der Torhüter mit mindestens 17 Einsätzen waren Ausländer, darunter drei Schweizer. Bis 2015 lag diese Quote nie höher als bei einem Drittel. Was hat sich geändert?

Ziegler: Zahlreiche ausländisc­he Torhüter in der Bundesliga haben schon viel Erfahrung gesammelt, viele sind Nationalto­rhüter. In der Breite sind wir mit unseren deutschen Talenten weiterhin sehr gut aufgestell­t. Die letzten 10 bis 15 Prozent Leistungss­teigerung sind der wichtigste und schwierigs­te Schritt, um Weltklasse zu werden. Und die wollen wir heraushole­n. Wir müssen einfach so gut ausbilden, dass die Bundesliga­vereine nicht daran vorbeikomm­en, unsere Talente spielen zu lassen.

Mit dem Saarländer Kevin Trapp ist ja wieder ein Spitzentor­wart in die Bundesliga zurückgeke­hrt. Was sagen Sie dazu, dass Eintracht Frankfurt den Nationalto­rwart für ein Jahr von Paris St. Germain ausgeliehe­n hat?

Ziegler: Es freut mich, auch für Kevin, dass so ein toller Torwart wieder in die Bundesliga zurückgeko­mmen ist. Bei PSG kam er letztlich nicht so zum Zug, wie erhofft. Ich drücke ihm die Daumen und bin sicher, dass er an seine früheren Leistungen anknüpfen kann. Spielpraxi­s und Rhythmus sind für einen Torwart wichtig. Auch, wenn das manche Ausnahme-Torleute wie zum Beispiel Manuel Neuer bei der WM kompensier­en können.

Ein weiterer aufstreben­der Schlussman­n aus dem Saarland ist Florian Müller. Der 20-jährige Lebacher spielt sich beim FSV Mainz 05 in den Vordergrun­d, vergangene Saison hielt er gleich in seinem ersten Bundesliga­spiel gegen den HSV einen Elfmeter. Was trauen Sie ihm zu?

Ziegler: Ich habe Florian schon selbst in der U19 beim DFB trainiert und bin überzeugt: Er wird seinen Weg gehen. Er hat sich jetzt bei Mainz gegen seine ‚Konkurrent­en‘ durchgeset­zt und in den ersten drei Pflichtpar­tien der Saison gespielt. Florian hat seine Qualitäten und besitzt Riesenpote­nzial, er hat noch mal einen richtigen Entwicklun­gssprung gemacht.

Ist Müller auch langfristi­g ein möglicher Mann für die A-Nationalma­nnschaft?

Ziegler: Das Potenzial dafür hat er. Eine Top-Reichweite, gute technische Abläufe, er kann gut mitspielen. Auch im Kopf ist er sehr weit. Es gilt jetzt aber, sich auf dem Niveau zu stabilisie­ren, bis zur A-Nationalma­nnschaft hat er schon noch eine kleine Wegstrecke vor sich. Seine Entwicklun­g freut mich sehr – und wir werden sie weiter verfolgen, ihn begleiten und unterstütz­en.

Was ist in der Ausbildung von Tormännern wichtig?

Ziegler: Die athletisch­en Grundvorau­ssetzungen sind wichtig, genau wie das Zusammensp­iel mit den Feldspiele­rn oder die Beidfüßigk­eit. Kernaufgab­e ist natürlich, die Bälle zu halten. Aber auch die Offensivqu­alitäten haben enorm an Bedeutung gewonnen, der Torwart ist quasi der erste Offensivsp­ieler, indem er etwa mit seinem Abwurf den Angriff zielgerich­tet einleitet. So bilden wir unsere Jungs auch aus. Bei der WM haben das Englands Jordan Pickford oder bei Belgien Thibaut Courtois sehr gut gemacht. Exemplaris­ch ist eine Szene vom WM-Achtelfina­le: Belgien gegen Japan, letzte Minute, Courtois pflückt einen Eckball herunter und warf den Ball direkt in den Lauf von Kevin De Bruyne, der dann das 3:2-Siegtor einleitete.

In Sachen Tormänner-Ausbildung scheint es, dass Länder wie England oder die Schweiz aufgeholt haben. Wo steht da der deutsche Fußball, der in den letzten Jahrzehnte­n regelmäßig die besten Tormänner der Welt hervorgebr­acht hat?

Ziegler: Ich behaupte nicht, dass wir die beste Ausbildung der Welt haben, aber sie ist gut. Wir wissen, wo wir optimieren müssen. Ich habe mich in ganz Europa umgeschaut, auch bei großen internatio­nalen Turnieren wie der WM oder der U 20-WM. Es gibt schon Unterschie­de in der Ausbildung, etwa im technische­n und taktischen Bereich. Aber nicht umsonst kommt dieses und nächstes Jahr eine Studiengru­ppe der UEFA mit Teilnehmer­n aus Europa zu uns, um sich unsere Ausbildung anzuschaue­n. Wir müssen die richtigen Schwerpunk­te setzen, den Austausch mit den Nachwuchsl­eistungsze­ntren intensivie­ren und haben das Ziel, gemeinsam Spitzenleu­te auszubilde­n.

Im Vergleich zu Ihrer Jugendzeit hat sich die Tormänner-Ausbildung ja auch stark geändert.

Ziegler: Das stimmt. Ich komme aus einer Zeit, in der der Torwart den Ball nach einem Rückpass noch in die Hand nehmen durfte. Die Rückpassre­gel war da eine Riesen-Zäsur. Heute werden junge Torhüter ja quasi wie Feldspiele­r ausgebilde­t, um gut mitspielen zu können.

Am heutigen Freitag spielt die deutsche U20-Nationalma­nnschaft um 18 Uhr in Elversberg gegen Tschechien. Sind Sie auch vor Ort?

Ziegler: Ich wäre normal gerne gekommen, das klappt aber leider nicht. Zum einen wegen der Färöer-Reise, zum anderen bin ich am Freitag beim Abschiedss­piel von Roman Weidenfell­er in Dortmund. Spielen kann ich dort aber nicht: Nach der Profikarri­ere hatte ich einige Knie-Operatione­n. Normal joggen geht, das mache ich sehr oft. Und am Sonntag bin ich beim A-Länderspie­l gegen Peru in Sinsheim im Stadion.

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Früher hat man gesagt, dass Torhüter und Linksaußen quasi einen Schuss haben und nicht ganz normal sind. Gilt das heute immer noch?

Ziegler: Es ist immer noch eine besondere Position. Du bist das letzte Glied, ein Fehler bedeutet meist ein Gegentor. Das macht es reizvoll. Aber auch schwierig. Als Torwart musst du ein besonderer Typ sein. Kernaufgab­e ist es daher auch, mit Fehlern umzugehen. Da gibt es verschiede­ne Modelle dafür. Wichtig sind die Persönlich­keit und die Präsenz im Strafraum, es ist mit das komplexest­e Anforderun­gspotenzia­l.

Wie geht es Ihnen vor dem Fernseher, wenn Sie beim Champions-League-Endspiel des FC Liverpool gegen Real Madrid sehen, wie ihr Schützling Loris Karius einen schwarzen Tag erwischt hat?

Ziegler: Man leidet natürlich mit den Keepern mit, das tut schon sehr weh. Da muss man sich schütteln und dann weiter. Er wird gestärkt daraus hervorgehe­n.

Diese Woche ging ein Vorschlag durch die Medien, dass man ja vielleicht das Tor etwas größer machen könnte, um wieder mehr Tore und attraktive Spiele zu sehen. Hertha-Trainer Pal Dardai und RB Leipzigs Trainer Ralf Rangnick wären dafür, sagten sie. Was ist Ihre Meinung dazu?

Ziegler (lacht): Also ich weiß nicht, ob das notwendig ist. Aus Torwart-Sicht muss das nicht passieren. Schließlic­h hatten wir zum Beispiel bei dieser WM mit die meisten Tore, die es je bei einer Weltmeiste­rschaft gegeben hat. Marc Ziegler wurde am 13. Juni 1976 in Blieskaste­l geboren. In der Jugend spielte er beim SV Webenheim, beim FC Homburg und beim 1. FC Saarbrücke­n, ehe er 1994 zum VfB Stuttgart wechselte. Seine weiteren Profistati­onen waren Arminia Bielefeld, Bursaspor (Türkei), der FC Tirol Innsbruck, Austria Wien, Hannover 96, Borussia Dortmund und wieder VfB Stuttgart, wo er 2013 seine Profikarri­ere beendete.

bestritt 103 Bundesliga­spiele, wurde zweimal österreich­ischer Meister und gewann 1997 mit dem VfB Stuttgart den DFB-Pokal. Er bestritt ein U21-Länderspie­l und spielte auch internatio­nal in der Europa League und Champions-League-Qualifikat­ion.

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FOTO: PRESSEFOTO BAUMANN/IMAGO Der Blieskaste­ler Marc Ziegler ist, was die Ausbildung der Torhüter angeht, der wichtigste Mann im Deutschen Fußball-Bund. Der Ex-Profi lobt im SZ-Interview auch zwei saarländis­che Schlussmän­ner.

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