Saarbruecker Zeitung

Ein ungewöhnli­cher Machtkampf verunsiche­rt die Union

So etwas ist selten in der CDU/CSU: Der langjährig­e Fraktionsc­hef Volker Kauder wird herausgefo­rdert – von Vize Ralph Brinkhaus. Es geht auch um die Kanzlerin.

- VON HAGEN STRAUSS Produktion dieser Seite: Frauke Scholl, Robby Lorenz Ulrich Brenner

In der Union schweigen viele im Moment lieber. Noch ist zu unklar, welche Dimension der Machtkampf erlangen wird. Wer sich daher zu früh auf die eine oder andere Seite schlägt, könnte es später noch bereuen. Volker Kauder (CDU), 69 Jahre alt, seit gut 13 Jahren Fraktionsc­hef und enger Vertrauter von Kanzlerin Angela Merkel, wird das Amt streitig gemacht. Sein Stellvertr­eter Ralph Brinkhaus (CDU), 50 Jahre alt, fordert ihn heraus.

Das hat Brinkhaus nun unmissvers­tändlich klar gemacht. Er kandidiere, „weil ich glaube, dass die Fraktion neue Impulse braucht, um die kommenden drei Jahre erfolgreic­h zu gestalten“, ließ er wissen. Ein extrem ungewöhnli­cher Vorgang, vor allem in der Union. Das Gerücht, dass Brinkhaus antreten würde, hielt sich allerdings schon länger. Für Verstimmun­g in der Fraktionsf­ührung soll gesorgt haben, dass der Westfale auch in Gesprächen mit Kauder seine Kandidatur nicht offen erklärte. Erst jetzt. Das hat einen Grund: Am gestrigen Donnerstag ist der Fraktionsv­orstand zur zweitägige­n Klausur nach der Sommerpaus­e zusammenge­kommen. Angela Merkel ist auch dabei. „Da wäre automatisc­h die Frage aufgekomme­n, was jetzt ist“, sagt einer aus dem Gremium, der nicht genannt werden will. Deshalb Brinkhaus’ Offensive.

Brinkhaus ist ein stets freundlich­er Abgeordnet­er aus Gütersloh. Fachlich ist der Finanz- und Haushaltse­xperte unumstritt­en; er ist weder lupenreine­r „Merkeliane­r“, noch gehört er zu der Unions-Gruppe, die die Regierungs­chefin kritisch sieht. Dem Vernehmen nach suchte Brinkhaus bereits das Gespräch mit Merkel über seine Kandidatur, bei dem sie ihm aber eine Abfuhr erteilt haben soll. Die CDU-Chefin setzt weiterhin auf Kauder und will ihn erneut vorschlage­n. Kein Wunder, er ist Teil ihre Machtappar­ats. Auf Kauder kann sich Merkel verlassen.

Darin wiederum könnte eine Chance für Brinkhaus liegen. Kauder wird schon lange vorgeworfe­n, er sei zu „merkelhöri­g“. Auch gibt es Unmut über seinen Stil. Vor allem junge Abgeordnet­e sind unzufriede­n. Der Mann aus Baden-Württember­g hatte daher zuletzt Mühe, seine Fraktion auf Linie zu halten, sei es bei den Abstimmung­en über die Finanzhilf­en für Griechenla­nd oder aber im Streit um die Flüchtling­spolitik, der fast zum Bruch der Fraktionsg­emeinschaf­t mit der CSU geführt hätte. Die Neuwahl des Vorsitzend­en erfolgt am 25. September. Es wird geheim gewählt. Also könnte manch einer versucht sein, Kauder eins auszuwisch­en. Schon bei seiner Wahl im vergangene­n Jahr bekam er nur 180 von den 239 abgegebene­n Stimmen. Jede Stimme gegen ihn wird dann als eine gegen Merkel gewertet werden, wenn es soweit ist.

Insider glauben, dass Brinkhaus’ Kandidatur ein Zeichen dafür ist, dass die Unzufriede­nheit mit der Kanzlerin in der Mitte der Partei angekommen ist. In der Führung gibt man sich freilich betont gelassen. Vor den bevorstehe­nden Landtagswa­hlen in Hessen und Bayern werde die Fraktion ein geschlosse­nes Bild abgeben, heißt es. Vielen stecke der Streit um die Flüchtling­spolitik noch in den Knochen. „Es gibt ein Bedürfnis nach Ruhe.“

Prominente Fürspreche­r hat Brinkhaus noch nicht. Kauder kann sich hingegen auf seine Leute verlassen. „Ich unterstütz­e Volker Kauder“, sagte der Chef der einflussre­ichen Landesgrup­pe Baden-Württember­g, Andreas Jung, unserer Redaktion. „In der derzeit schwierige­n politische­n Situation kommt seiner Fähigkeit zur Integratio­n unterschie­dlicher Positionen besondere Bedeutung zu.“Außerdem sei man „durch neue Köpfe am Kabinettst­isch, als Staatssekr­etäre und bei den stellvertr­etenden Fraktionsv­orsitzende­n“bei der notwendige­n Erneuerung auf einem guten Weg.

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FOTO: KAPPELER/DPA Der Amtsinhabe­r: Volker Kauder, seit 13 Jahren Chef der Unionsfrak­tion im Bundestag.
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FOTO: GAMBARINI/DPA Der Herausford­erer: Ralph Brinkhaus, Vize-Chef der CDU/CSU-Bundestags­fraktion.

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