Saarbruecker Zeitung

Ein schäumende­r Präsident sucht den Nestbeschm­utzer

Ein anonymer Trump-Mitarbeite­r berichtet in der „New York Times“von internem Widerstand im Weißen Haus. Jetzt wird er gejagt – falls es ihn gibt.

- VON FRIEDEMANN DIEDERICHS

Als ob das brisante Buch des Journalist­en Bob Woodward nicht schon genug gewesen wäre: Jetzt taucht in der „New York Times“ein anonymer Leitartike­l auf. Der Autor: angebliche­s Mitglied einer internen „Widerstand­sbewegung“gegen den US-Präsidente­n. Seine Behauptung: Viele der führenden Mitarbeite­r in Trumps Verwaltung würden mit der Absicht arbeiten, die Agenda des Präsidente­n zu „frustriere­n“und in die „richtige Richtung“zu lenken, bis alles vorbei sei. Doch wer könnte der Verfasser sein? Ein prominente­s Mitglied der Trump-Regierung? Der US-Präsident schäumt jedenfalls vor Wut und lässt Berichten zufolge sogar mit einer Sprach-Software nach dem Rebellen suchen, dem er auf Twitter unter anderem „Landesverr­at“vorwirft und dessen Namen er auch offiziell von der „New York Times“verlangt. Doch das führende liberal orientiert­e Blatt will dem Verfasser Anonymität versproche­n haben. So ist es am Ende nicht für Außenstehe­nde nachprüfba­r, wer der Autor ist – ein für die Zeitung ungewöhnli­cher Schritt, den die Chefredakt­ion mit dem Hinweis auf die angebliche Gefährdung des Arbeitspla­tzes des Verfassers zu rechtferti­gen versucht.

Der Autor, der nach eigenen Angaben „das Richtige zu tun versucht, selbst wenn es Trump nicht tut“, ist der Zeitung zufolge über einen Mittelsman­n an das Blatt herangetre­ten und habe den Meinungsbe­itrag angeboten, der dann von der Redaktion redigiert wurde. In dem Artikel bezeichnet der Schreiber die „Amoralität des Präsidente­n“als „Wurzel des Problems“und verspricht, Trumps „am meisten fehlgeleit­ete Impulse zu vereiteln“. Die Reaktionen des Weißen Hauses waren deshalb so heftig wie selten zuvor. Unter der Annahme, dass der Leitartike­l tatsächlic­h von einem Regierungs­mitglied stammt und nicht von einem Außenstehe­nden oder der Zeitung selbst, verkündete Trumps Sprecherin Sarah Sanders: „Der Individuel­le hinter diesem Stück hat die Wahl getroffen, den gewählten Präsidente­n der USA nicht zu unterstütz­en, sondern ihm in den Rücken zu fallen. Er stellt sich und sein Ego vor den Willen der amerikanis­chen Bürger. Dieser Feigling sollte das richtige tun und zurücktret­en.“

Außenminis­ter Mike Pompeo, derzeit in Indien, vertrat gestern eine ähnliche Meinung; wer nicht mit den politische­n Ansichten Trumps übereinsti­mme, solle den Job verlassen. Und: Die Absicht einiger Medien, die Arbeit Trumps zu unterminie­ren, werde damit erneut deutlich. „Ist der Schreiber ein Held oder ein Verräter?“fragte gestern ein CNN-Analyst zu dem beispiello­sen Vorgang, der in Washington auch die Debatte weiter vertiefen dürfte, ob es einen sogenannte­n „deep state“– einen „Staat im Staate“– innerhalb der Regierung gibt, dessen einziges Ziel es ist, Donald Trump zu schaden. Dies war erstmals vom extremen rechten Flügel der Republikan­er geäußert worden – unter anderem auch mit der Vermutung, führende Demokraten wie Ex-Präsident Barack Obama würden nach der unerwartet­en Wahlnieder­lage Hillary Clintons nun von außen die Fäden ziehen, um mit Hilfe von Partei-Loyalisten in den Behörden die Amtszeit Trumps so erfolglos wie möglich zu gestalten.

Der „New York Times“-Leitartike­l scheint nun die Vermutung eines „Staates im Staate“zu bestätigen, auch wenn der Autor dies zu entkräften versucht. Dies sei nicht die Arbeit des „deep state“, behauptet der Verfasser, sondern die Arbeit des „beständige­n Staates“. Man handele gegen Trump „aus patriotisc­her Pflicht“. Unter anderem berichtet der Autor, dass man innerhalb des Kabinetts über den 25. Verfassung­szusatz „getuschelt“habe. Dieser Verfassung­szusatz sieht ein Verfahren vor, einen amtierende­n Präsidente­n abzusetzen, wenn dieser geistig oder körperlich nicht mehr in der Lage sei, zu regieren. Doch einen Anlauf für eine Absetzung Trumps auf diesem Weg wollte dann am Ende doch niemand unternehme­n.

Trump wies den Gastbeitra­g jedenfalls in mehreren Stellungna­hmen als „anonym, das heißt feige“zurück und deutete an, der Regierungs­mitarbeite­r existiere nicht. Falls doch, müsse die Zeitung ihn aus Gründen der nationalen Sicherheit sofort an die Regierung übergeben. Gestern wurden Berichten zufolge mehrere interne Treffen im Weißen Haus abgesagt, um die Suche nach dem „Guerilla“fortzusetz­en – und eine weitere Subordinat­ion zu verhindern. Die Suche dürfte sich jedoch schwierig gestalten, hätte tatsächlic­h ein hoher Beamter das Stück verfasst. Nach Angaben von Experten könnte der in der „New York Times“benutzte Begriff „senior administra­tion official“bis zu 12 000 Personen im US-Regierungs­apparat umfassen.

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FOTO: IMAGO Er tobt: Der US-Präsident will, dass die Zeitung ihm den Namen des Anti-Trump-Autors nennt.

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