Saarbruecker Zeitung

Zirkus im Wohnzimmer

Der Cirque Bouffon begeistert die Zuschauer – ganz ohne Prunk und Glitzer. Am Mittwoch feierte er mit seinem Programm „Lunatique“in Saarbrücke­n Premiere.

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Christine Gogolin und die vom Kontrabass­isten Sergej Sweschinsk­i eigens komponiert­e Musik – mal zart und verträumt, mal laut und mitreißend – tun ihr Übriges.

Cirque Bouffon hat mit Zirkus im klassische­n Sinne nicht mehr viel zu tun, es ist eine Show im Stil des „Nouveau Cirque“, einer Strömung, die in Frankreich in den 80er Jahren aufkam, als immer weniger Menschen ein gutes Gefühl dabei hatten zuzuschaue­n, wie Elefanten und Tiger in der Manege auf den Hinterbein­en balanciere­n. Ein Zirkus, der ganz ohne Tiere auskommt und stattdesse­n auf Artistik setzt. Der Cirque Bouffon gastiert bis 29. September auf dem Tblisser Platz in Saarbrücke­n. Vorstellun­gen: mittwochs bis freitags um 19.30 Uhr, samstags um 14.30 und 19.30 Uhr, sonntags um 14.30 und 17.30 Uhr. Eintrittsp­reise: 15 bis 39 Euro. Karten unter www.ticket-regional.de und an der Abendkasse.

www.cirque-bouffon.com Bekanntest­er Vertreter dieser Kunst ist der kanadische Cirque du Soleil, wo auch Frédéric Zipperlin seine Wurzeln hat. Drei Jahre lang tourte der Franzose mit dem Cirque du Soleil durch die Welt, bevor er beschloss, sein eigenes Zelt aufzuschla­gen, deutlich kleiner natürlich als der Sonnenzirk­us, aber nicht weniger fein.

Der Cirque Bouffon braucht die ganz große Geste nicht, auch nicht den Prunk und Glitzer. Hier liegen Kunst und Komik oft im Detail: im Kokettiere­n der Artistinne­n am Seil, in der dösigen Mimik des Schlafwand­lers. Der erwacht nach der Pause langsam zum Leben, beginnt zu jonglieren, mit drei, vier, fünf Bällen, lässt schlaftrun­ken immer mal wieder einen fallen. Man beginnt schon an seinen Jonglage-Künsten zu zweifeln – alles nur Show. Am Ende hält er mühelos zehn Bälle in der Luft.

Damit Künstler und Zuschauer nicht vollends in surreale Sphären abheben, bringt Clown Gregor Wollny sie zwischendr­in immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und ist damit der Publikumsl­iebling des Abends. Er braucht nicht viel, um sich in die Herzen der Zuschauer zu kaspern: ein Meterstab, der sich unversehen­s in ein Hündchen, ein Boot, einen Regenschir­m verwandelt, genügt ihm. Dabei nimmt Wollny auch die traditione­llen Zirkus-Künste aufs Korn: Mit Mini-Klobürsten mimt er den Messerwerf­er, drei Wackel-Plüschente­n werden zu wilden Bestien, die gar nicht so leicht zu domptieren sind, und eine Barbie muss als Zauberer-Assistenti­n herhalten, die es zu zersägen gilt, was – so viel sei verraten – für die Barbie nicht gut ausgeht.

Und immer sind die 400 Zuschauer ganz dicht dran am Geschehen. So dicht, dass sich die Besucher in der ersten Reihe unwillkürl­ich wegducken, als Chris Pettersen und Mara Aline Zoe auf einer immer schneller rotierende­n Leiter knapp über den Köpfen der Zuschauer ihr Können zeigen.

Nur ein kleines Mädchen in der Menge bekommt davon nichts mit. Es lässt sich von der Traum-Atmosphäre anstecken, rollt sich auf der Bank zusammen, schläft ein – und lässt sich selbst vom tosenden Applaus und Jubel am Ende der Vorstellun­g nicht wecken.

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FOTO: B&B So nah dran war man selten: Margo Darbois vom Cirque Bouffon zeigt Körperbehe­rrschung in Perfektion.

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