Ein Graswurzelarbeiter meidet das Rampenlicht
Seit drei Jahren ist Thomas Brück Kulturdezernent der Landeshauptstadt: Viel bewegt hat er bislang nicht – eine Zwischenbilanz.
in Höhe von 160 000 Euro. Das dürfte der Türöffner gewesen sein, der Brücks Neuausrichtungspläne unbeschadet durch den Stadtrat kommen ließ. Seit Juni 2017 obliegt der Kinobetrieb inklusive Programmgestaltung Michael Krane (Leiter des Arthouse-Kinos Camera Zwo). Zugleich konzentriert die Stadt dort ihre Wissenschaftsaktivitäten. Ex-OphülsChefin Christel Drawer organisiert für das Kulturamt im Filmhaus Vortragsreihen. Sein Konzept sei „voll aufgegangen“, die Wiederbelebung geglückt, meint Brück und hält sich an Zahlen. Vor dem Neuanfang habe man zuletzt 10 000 Besucher im Jahr gezählt, inzwischen seien es „etwa 1400 im Monat“. Das klingt einerseits nach Milchmädchenrechnung, weil früher nicht existente Vortragsbesucher mitgezählt werden. Andererseits steht trotz des Wegfalls des zweiten Abspielsaals („Schauplatz im Filmhaus“) unterm Strich ein Plus. Beim Filmhaus lehnt sich Brück also fürs erste zufrieden zurück.
Bleiben zwei Hiobsbotschaften, die er nicht zu verantworten hatte. Zum einen musste Brück Ende 2017 das Aus des Saarbrücker Jazz-Festivals bekanntgeben, nachdem dessen Leiter einen Teil des Budgets offenbar veruntreut hatte, sodass um ihre
Thomas Brück Gagen gebrachte Musiker die Gerichte bemühten. Eine juristische Hängepartie, die bis heute nicht entschieden ist. Keine glückliche Figur gab Brück im Zusammenhang mit der (inzwischen zurückgenommenen) landeshauptstädtischen Streichung der Mittel für Kunst im öffentlichen Raum ab. Erzwungen worden war diese Anfang 2017 zwar von der Kommunalaufsicht des Landes. Doch anstatt sofort auf den Putz zu hauen, blieb Brück auf Tauchstation. Jedenfalls machte er sich nicht laut und vernehmlich für den Erhalt der einkassierten 105 000 Euro stark.
Symptomatisch für die Amtsführung Brücks. Der 61-Jährige ist nicht nur das Gegenteil eines Wadenbeißers. Es fehlt ihm bislang auch an Standing – umso mehr, seit er sich von seiner grünen Partei, gelinde gesagt, entfremdet hat. Schon 2015 bekannte er – in einem SZ-Interview auf seine Zeit als kulturpolitischer Sprecher der Grünen-Stadtratsfraktion (2004 bis 2013) zurückblickend – , an manchen Weichenstellungen mitgewirkt zu haben, „auch wenn ich mich nicht immer in die erste Reihe gestellt habe“. Daran hat sich bis heute nichts geändert, nur dass er inzwischen wohl oder übel in der ersten Reihe steht. Unsichtbarkeit lässt sich Brück nicht vorwerfen – er taucht durchaus bei Veranstaltungen auf. Doch klare Akzentsetzungen lassen sich ebenso wenig ausmachen wie Durchsetzungskraft. Auch scheint ihm jene taktische Raffinesse und einnehmende Diplomatie fremd, die seinen gleichfalls zurückhaltenden Vorgänger Erik Schrader (FDP) auszeichnete und diesem dazu verhalf, das Theater im Viertel („TiV“) zu sichern und die Stadtgalerie wieder zu einem rein städtischen Kulturort umzuwidmen.
Andererseits: Zu glauben, dass ein dickfelliger, charismatischer Kulturdezernent die Finanznöte der Landeshauptstadt ignorieren oder wundersamerweise neue Geldquellen auftun könnte, wäre naiv. Vielsagend ist dennoch, wo Brück am ehesten Handlungsspielräume im Kulturbereich sieht. Bei den Projektförderungen für die Freie Szene – ein 129 000 Euro umfassendes Geldtöpfchen. Ist das nicht ein Witz für eine Landeshauptstadt? Sicher, man bezuschusst die großen Festivals (Ophüls mit 329 000 Euro, Perspectives mit 205 000 Euro), steckt jährlich rund 2,6 Millionen Euro in seine Stadtbibliothek, leistet sich Filmhaus und Stadtgalerie oder unterstützt das Kino Achteinhalb mit 67 000 Euro im Jahr. Andererseits profitiert man zum Nulltarif von wesentlich kostspieligerer Kultur: Zwei künstlerische Hochschulen (HfM und HBK), zwei Künstlerhäuser (KuBa und Saarländisches Künstlerhaus) und dazu das Staatstheater schultert das Land.
Finanziell ist man in den Niederungen der Kulturpolitik angekommen, wenn der Dezernent – sich gegen den Vorwurf fehlender Akzente wehrend – das 2017 initiierte „Freejazz-Festival“anführt. Mag sein, dass es ohne die Zusammenarbeit mit ihm „wohl nicht entstanden wäre“: Interessanter ist, dass der Stadt-Zuschuss 5000 Euro (!) beträgt. Dies offenbart, wo in Saarbrückens Kulturpolitik heute der Hammer hängt. Ganz knapp über dem Boden.
Brück ist nicht zu beneiden. Bereits unter seinen Vorgängern wurde es immer schon als Erfolg verkauft, wenn das Wenige nicht weniger wurde, das für „Kulturaufwendungen“in den Stadthaushalt eingestellt wurde. Heißt das, dass Konservierung des Bestehenden das Äußerste des Machbaren ist? Dass also weder das Musikzentrum (mit Probenräumen), das Saarbrücken gut zu Gesicht stünde, noch der seit Jahren geforderte Konzertclub (150 bis 200 Leute) eine Chance hat? „Ein Musikzentrum wäre ein Millionen-Invest“, schüttelt Brück den Kopf. Meint aber, „dass man auf das Thema Club nochmal Gehirnschmalz verwenden müsste“. Was immer das heißen mag.
Gefragt, was er mit vom Himmel gefallenen, zusätzlichen 100 000 Euro im Kulturetat anstellen würde, muss Brück nicht lange nachdenken: „Graswurzelarbeit. Ich würde das Geld in soziokulturelle Projekte stecken.“Das ist die andere Seite des Thomas Brück, die man in den üblichen „Hochkultur-Diskursen“leicht übersieht: die Verzahnung von Kultur- und Sozialarbeit. Also würde er damit etwa Migrationsprojekte fördern. Und was will er bis 2023, so lange wird er im Amt sein, unbedingt noch verwirklichen? „Das namentliche Gedenken an die Saarbrücker Opfer des Holocausts“, verortet auf dem Synagogen-Vorplatz. In enger Abstimmung mit der jüdischen Gemeinde plant Brück dazu einen Realisierungswettbewerb. Migrationsund Erinnerungsarbeit – man wird Brück bis 2023 also am ehesten daran messen können, inwieweit er zumindest in diesen Feldern Impulse setzen wird.
„Gestaltungsspielräume haben wir am ehesten bei der Projektförderung. Da machen wir eine eigene Kulturarbeit.“
Saarbrücker Kulturdezernent