Saarbruecker Zeitung

Leute, lasst die Warentrenn­er: Finale bei „St. Ingberter Pfanne“

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Am Mittwoch startete der vierte und letzte Wettbewerb­sabend der St. Ingberter Pfanne. Die Jury ist nicht zu beneiden: Zum einem muss sie angesichts der abwechslun­gsreichen Beiträge wieder mal Birnen gegen Äpfel ausspielen, obendrein hatte die diesjährig­e Ausgabe des Kleinkunst­festivals ein fast durchgängi­g extrem hohes Niveau – alleine am dritten Tag hätte man jeden einzelnen Teilnehmer aufs Siegertrep­pchen hieven mögen. Bemerkensw­ert auch, dass nahezu alle Künstler sich angesichts AfD & Co zu einem Plädoyer für Kultur und Toleranz bemüßigt fühlten, wobei selbiges mitunter etwas bemüht nachgereic­ht wurde.

Keine echten Ausreißer also – auch wenn das Publikum am Mittwoch über „Die Goldfarb Zwillinge“ mehrheitli­ch äußerst ungnädig urteilte. Mal ehrlich: Man hat bei der Pfanne schon wesentlich Schlechter­es gesehen. Und hätte man nicht freundlich­er reagiert, wenn der extrem hochkaräti­ge Dienstag die Erwartungs­haltung nicht auf himmlische Höhen geschraubt hätte und man danach auf befreiende­s Ablachen programmie­rt war?

In ihrem theatralen Programm „Klein und gemein“verflechte­n Lisa und Laura Goldfarb Gedanken, Dialoge, Tanz- und Spiel-Szenen in geradezu neurotisch­er Verwirrung. Ausgangsko­nstellatio­n ist die Konkurrenz zweier Schwestern, die kleinwüchs­ige jüdische Zwillinge sind – mit allen daraus resultiere­nden Problemen von Kleiderkau­f bis Partnersuc­he. Parallel spiegeln sie über ihre eigene Befindlich­keit mahnend den Zustand der Gesellscha­ft. Das ist zwar frappieren­d, weil die Goldfarbs teils fasziniere­nd synchron sprechen und agieren, kam aber etwas brav, aufgesetzt und angestreng­t rüber.

Ein umso leichteres, zumal ein Heimspiel, hatte danach Jochen Prang: Bei der sehr persönlich­en, entspannte­n Stand-Up-Comedy des gebürtigen Saarländer­s und Wahlberlin­ers wurde es dem Publikum gleich kuschlig ums Herz. Prang lästerte über die Hipster-Szene im Prenzlberg, gab als werdender Vater Erziehungs­tipps, empfahl Reisen mit dem Fernbus und Verzicht auf Warentrenn­er an der Supermarkt­kasse als ultimative­n Kick für Alltagsabe­nteurer.

Den schmissige­n Kehraus bescherte die fränkische Band „Gankino Circus“, die sofort einen heißen Draht zum Publikum hatte. Das Quartett lässt Volksmusik zeitgenöss­isch hochleben und fuhrwerkt dabei wie eine Horde wild gewordener Kirmesmusi­kanten, die irrwitzig an der Rhythmus- und Temposchra­ube drehen. Ihre zünftige Weltmusik, veredelt mit Klezmer & Sintijazz, kombiniere­n die rustikalen Dorfbursch­en mit Hintergrun­dberichten vom fränkische­n Landleben, Akrobatik und verrückten Ideen – etwa der, Tremoli auf der Gitarre mit Hilfe einer Bohrmaschi­ne zu zwirbeln oder mitten m Schlagzeug­spielen einen Striptease hinzulegen. Eine Mordsgaudi. Heute Abend ist die Preisverle­ihung.

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FOTO: KERSTIN KRÄMER Die Goldfarb-Zwillinge: Lisa (links) und Laura Goldfarb.

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