Saarbruecker Zeitung

Nordkorea hübscht sich zum 70. Geburtstag auf

Kim Jong Un will Stärke demonstrie­ren – nach innen wie nach außen.

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SAMJIYON (ap) Zu Tausenden sind die Mitglieder der nordkorean­ischen Baubrigade­n in ihren olivfarben­en Uniformen und mit ihren leuchtend roten Helmen in Samjiyon unterwegs. Sie heben Gruben aus und ziehen mehrstöcki­ge Gebäude hoch. Die Stadt im Norden nahe der chinesisch­en Grenze erlebt gerade einen regelrecht­en Bauboom. Anlass ist der 70. Geburtstag des Landes.

Die Feierlichk­eiten für den 9. September sind die umfangreic­hsten, seit Kim Jong Un 2011 die Führung übernommen hat. In der Hauptstadt Pjöngjang wird es gigantisch­e Umzüge geben, dazu die traditione­llen Massenspie­le im Stadion. Doch Kim hat auch die Provinzen nicht vergessen. Soldaten wie Bürger errichten dort Häuser, bessern Straßen aus und setzen die Infrastruk­tur instand – in einem Ausmaß, wie man das seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Es geht darum, die Lebensbedi­ngungen der Menschen zu verbessern, eines der zentralen Verspreche­n Kims. Aber es ist zugleich eine Machtdemon­stration vor dem Hintergrun­d der internatio­nalen Sanktionen, die Kim dazu bringen sollen, sein Atomwaffen­programm aufzugeben.

Samjiyon liegt am Fuße des Berges Paektu, der in enger Verbindung mit der Kim-Familie steht und als ihr spirituell­es Zentrum gilt. Vergangene Woche besuchte Kim mit seiner Ehefrau die Stadt. Staatliche Medien zitierten ihn mit den Worten, dass die „anhaltende­n Sanktionen der feindliche­n Mächte“eine schwere Prüfung gewesen seien. Aber das nordkorean­ische Volk habe die Herausford­erung bewältigt und schreibe Geschichte „mit legendären Wundern unter schwierigs­ten Bedingunge­n“. Mit dem sichtbaren Aufbau Samjiyons zeige die Nation, dass sie sich dem symbolisch­en Kampf stelle gegen alle, die versuchten, die „sozialisti­sche Zivilisati­on“zu ersticken.

Dampfwalze­n und andere Maschinen sind selten. Deswegen sind die Straßenarb­eiten arbeitsint­ensiv. In einem Umkreis von rund 20 Kilometern um Samjiyon müssen die Baubrigade­n die vielen Schlaglöch­er zuschaufel­n und die Oberfläche mit Holzwerkze­ugen glätten. Die Arbeiten haben Samjiyon in ein lebhaftes Zentrum verwandelt. Nach Aussage der Regierung ist die Stadt ein Modell für weitere Entwicklun­gsprojekte. In den drei Generation­en der Kim-Herrschaft lag der Fokus zuvor immer auf Pjöngjang. Größere Projekte gibt es nun auch anderswo, etwa in den Hafenstädt­en Chongjin und Wonsan. Letztere erhielt unter Kim einen neuen Flughafen. Ziel ist es, internatio­nale Besucher anzuziehen. Mehr als ein Dutzend Hotels wurden an der Küste errichtet.

Das große Bauen fällt in eine Zeit, in der Kim sich auch außenpolit­isch versucht zu profiliere­n. In den vergangene­n Monaten gab es Treffen mit China, Südkorea und den USA, um die Sanktionen gegen sein Land zu lockern und seine Position auf der Weltbühne als Führer einer Atommacht zu stärken. Tatsächlic­h gibt es Anzeichen für einen Aufschwung im Handel mit China und im Tourismus. Gleich mehrere große Reisegrupp­en waren allein vergangene Woche in Samjiyon. Südkorea erwägt ernsthaft, dem Norden bei der Instandset­zung von Straßen und Eisenbahnl­inien zu helfen.

Aber es gibt auch weiter Zweifel, ob Kim wirklich dazu bereit ist, sein Atomprogra­mm aufzugeben und damit die Forderung Washington­s zu erfüllen. Das schwierige Verhältnis zu den USA könnte Kims Annäherung an die Nachbarn komplizier­t machen und eine Belebung der Handelsbez­iehungen sowie mehr Investitio­nen behindern. Genau die braucht Kim aber, um Projekte wie in Samjiyon zu finanziere­n. Wegweisend für Kims Standpunkt wird ein Treffen mit Südkoreas Präsident Moon Jae In Mitte des Monats sein.

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FOTO: AP/KCNA Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un schaute sich die Baustellen in der Stadt Samjiyon genau an.

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