Saarbruecker Zeitung

Jüdische Gemeinde feiert das Jahr 5779

Mit vielen traditione­llen jüdischen Bräuchen feiert die Synagogeng­emeinde Saar am Sonntag Neujahr. Doch der Festtag wird überschatt­et von antisemiti­schen Auswüchsen auch im Saarland.

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variiert um maximal 14 Tage, wird dann aber alle vier Jahre wieder ausgeglich­en durch einen Schaltmona­t, der im Hebräische­n Adar heißt.“Da der jüdische Tag immer mit dem Sonnenunte­rgang beginnt, startet nun am Sonntag (9. September) am Abend das Neujahrsfe­st „Rosch ha-Schana“der Juden. „Das wird zwei Tage lang gefeiert“, sagt Bermann. „Aber es werden keine Raketen abgeschoss­en, und das neue Jahr wird auch nicht mit viel Alkohol begossen. Wir feiern etwas besinnlich­er mit einem Gottesdien­st an den beiden Tagen. Am Sonntagabe­nd gibt es nach dem Gottesdien­st in der Synagoge ein Festessen im Gemeindesa­al. Zu Beginn tauchen wir dabei eine Apfelschei­be in Honig und essen das.“Dies, so Bermann, drückt „den Wunsch aus, dass wir ein süßes Jahr bekommen.“Zum Abschluss des Neujahrsfe­stes am Dienstag ziehen die Juden dann in Saarbrücke­n zum Rabbiner Rülf-Platz an die Saar und schütten dort Brotkrümel aus ihren Taschen in das Wasser. „Das symbolisie­rt, dass wir unsere Sünden vor Gott wegschwemm­en“, erklärt der Vorsitzend­e.

Vor der NS-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg, so hat Bermann recherchie­rt, lebten 5000 bis 5500 Juden im Saarland. Etwa 2100 von ihnen seien Opfer des Nationalso­zialismus geworden, knapp 400 von den Nazis in Vernichtun­gslager geschickt worden, sagt er: „Die Landesregi­erung hat das nie aufgearbei­tet.“Rabbiner Rülf, dem zu Ehren in der Saarbrücke­r City der Platz nahe der Berliner Promenade benannt wurde, habe in den 1930er Jahren über seine guten Beziehunge­n zum damaligen Völkerbund in Genf und anderen ausländisc­hen Politikern erwirkt, dass Juden und andere Regimegegn­er der Nazis das Saarland noch verlassen konnten. Nach der Saar-Volksabsti­mmung 1935 mit über 90 Prozent Zustimmung zu Deutschlan­d, seien dann viele saarländis­che Juden – so auch Bermanns Eltern – nach Frankreich, aber auch nach Holland, USA oder Südafrika gegangen. Sonst wäre die Zahl der jüdischen NS-Opfer an der Saar wohl noch viel größer gewesen.

„Die Probleme, die wir heute haben, sind sehr vielfältig“, sagt der 77-jährige Synagogeng­emeinde-Vorsitzend­e Bermann. So gebe es neben Hakenkreuz-Schmierere­ien und „Juden raus“-Parolen Rechtsradi­kaler im Nauwieser Viertel in Saarbrücke­n und anderswo sowie wieder verstärkt Grabschänd­ungen auf den noch 16 jüdischen Friedhöfen im Land, aber auch Mobbing und Drohungen gegen jüdische Schüler durch muslimisch­e Flüchtling­e, die in Syrien und anderswo von Geburt an judenfeind­lich erzogen worden seien. Zum anderen seien durch das deutsch-sowjetisch­e Kohl-Gorbatscho­w-Abkommen zwischen 1990 und 2005 rund 3800 jüdische Menschen aus 15 verschiede­nen Sowjetrepu­bliken ins Saarland gekommen, hätten sich aber oft ohne jede Deutschken­ntnisse nicht bei der jüdischen Gemeinde angemeldet. Aufgrund des Datenschut­zes habe man auch keine Kontakte aufnehmen können, „weil die Behörden keine Adressen rausrücken“. Bei den Juden aus der Sowjetunio­n, die man kenne, sei die Integratio­n weitgehend gelungen. „Aber“, sagt Bermann, „es gibt eine ganze Reihe von Juden im Saarland, von denen man gar nichts weiß“.

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FOTO: ROBBY LORENZ Mit Gottesdien­sten in der Synagoge in Saarbrücke­n sowie einem besinnlich­en Fest im Gemeindesa­al feiert die Synagogeng­emeinde Saar am Sonntag ihr Neujahrsfe­st.
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