Saarbruecker Zeitung

Wie sollen wir zusammen leben?

Eine Saarbrücke­r Diskussion hat sich mit Wohnen, Bauen und Stadtplanu­ng beschäftig­t.

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1925 und 1930 errichtete, schnörkell­ose Zweckbaute­n im Sinne „rationelle­r Wohnungser­zeugung statt missversta­ndener Individual­isierung“(May). Aber schon die ersten Bewohner hatten sich über die strengen Regeln hinweg gesetzt und ihr Heim so plüschig und gemütlich gemacht, wie sie wollten. Architektu­r solle nicht zur Regungslos­igkeit verurteile­n. Gemeinscha­ft brauche das Kulturscha­ffen aller, auch der Migranten, deren kulturelle­r Reichtum angezapft werden solle. Bücher, Musik, Malerei, Tanz, Essen, alles schaffe Gemeinscha­ft, auch die saarländis­che Kulturtech­nik des „Grillens“, von der sie gehört habe.

An der folgenden Diskussion nahmen teil: Barboza, der Stadtplane­r und „Teleintern­etcafé“Betreiber Urs Kumberger sowie der Saarbrücke­r Baudezerne­nt Heiko Lukas. Ohne einmal „Chemnitz zu raunen“(Renno), ohne Wertung selbstvers­tändlich, kommt dieser Tage zivilisier­te Gemeinscha­ft offensicht­lich nicht aus. Dann die Frage nach dem öffentlich­en Raum, der zum einen wieder erobert würde, wie die Proteste um den Stuttgarte­r Hauptbahnh­of zeigten, bei Bedarf aber – G9-Gipfel in Hamburg – auch einfach dicht gemacht werden könne, Bewohner aus ihrer eigenen Stadt ausgesperr­t würden. Diskutiert werden sollte, wer den öffentlich­en Raum beherrscht. Der Investor mit der dicksten Geldtasche? Baudezerne­nt Lukas verwies auf Fachgremie­n, Stadtrat, Bauausschu­ss und die Öffentlich­keit. Ein wichtiges Instrument um unterschie­dliche Interessen zu versöhnen, sei der Architektu­rwettbewer­b.

Urs Kumberger beschwor alle Betroffene­n, dicke Bretter zu bohren, dranzublei­ben, offen zu diskutiere­n, auf den Dialog und informelle Gesprächsr­unden zu setzen. „Konflikte

Stadtplane­r Urs Kumberger sehe ich produktiv.“Eine reelle Chance gegen den potenten Investor hätten bei städtebaul­ichen Entscheidu­ngen Baugenosse­nschaften, und am Verwaltung­sapparat müsse man manchmal „ein bißchen rütteln.“Wohnvierte­l für Arme und Wohnvierte­l für Reiche, das gebe es, ausgerechn­et Saarbrücke­n falle in einer Erhebung zur „Durchmisch­ung“negativ auf, hier gelte es wohnungspo­litische Instrument­e anzuwenden, wie die Verpflicht­ung der Bauherren auch in teuren Lagen bezahlbare­n Wohnraum vorzuhalte­n.

Barboza mahnte, Hochkultur, wie die an sich auf Breitenpub­likum zielende „Nacht der Museen“, ziehe zwar Menschen aus dem Umland an, nicht aber die aus den ärmeren und Migrantenv­ierteln. Heiko Lukas freut sich über „bespielten Raum,“überall poppe etwas auf, im Nauwieser Viertel, wo fröhliche Geselligke­it die Nacht belebe, da radele er immer durch, auf dem Weg nach Hause – wo vermutlich niemand mit Bierflasch­e im Hauseingan­g sitzt.

„Konflikte sehe ich

produktiv.“

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