Das iPhone unter den Motorrädern
Die Straßenmaschine Husqvarna Vitpilen 701 ist minimalistisch und extravagant, aber auch sehr teuer.
STOCKHOLM Skandinavisches Design ist extrem puristisch. So gesehen kann die neue Husqvarna Vitpilen 701 eigentlich nur aus dem Norden Europas stammen. Genauer: Die schwedische KTM-Tochter hat um den stärksten EinzylinderMotor der Welt herum ein minimalistisches Motorrad kreiert. Husqvarnas „weißer Pfeil“Vitpilen sieht auch in matt schimmerndem Silbergrau aus wie ein iPhone auf Rädern. Die lifestyle-orientierte Optik und österreichische Hochleistungstechnik gehen eine einzigartige Verbindung ein. Wie ein rollendes Kunstwerk wirkt dieses progressive Stück Motorradkultur, das zum stolzen Preis von 10 195 Euro solvente Käufer sucht.
Sie fährt sich sehr eigen. Wie eine Enduro erklimmt man die Husqvarna Vitpilen 701 in lichter Höhe von 830 Millimetern. Das ist nichts für Kurzbeiner. Dann fühlt sie sich an wie ein Streetfighter, denn man setzt die Füße auf relativ hohe Rasten und muss mit engen Kniewinkeln fertig werden. Und schließlich fühlt man sich wie auf einem Café Racer, denn die tief angesetzten Stummellenker erzwingen eine deutlich nach vorn gebeugte Haltung des Fahrers. Also drei Bikes in einem.
Das Fahren mit dem 166 Kilogramm schweren, wieselflinken Eisen ist eine wahre Freude. Die schmale Maschine geht wie von selbst in Schräglage. Diese wird nicht von aufsetzenden Teilen begrenzt, sondern von den verblüffenden 60 Grad, die die Serienbereifung von Bridgestone angeblich zulässt – ein eher theoretischer Wert, denn selbst die tollkühnen Fahrer der Motorrad-Königsklasse „MotoGP“lehnen ihre 250-PS-Geschosse bis maximal 68 Grad in die Kurve.
Die Vitpilen 701 ist nicht nur ungewöhnlich wendig, sondern auch sehr spritzig. Dafür sorgt der legendäre Einzylinder aus der KTM Duke 690. Die 75 PS Leistung versprechen mächtig Druck, 72 Newtonmeter Drehmoment klingen nach impulsiver Schubkraft. Aber sie liegen erst bei 6750 Umdrehungen pro Minute an. Der Wert lässt erahnen, was sich beim Fahren bestätigt: Der Einzylinder verlangt nach Husqvarna Vitpilen 701 Ausführung: Straßenmotorrad Preis: 10 195 Euro
Sitzhöhe: 830 Millimeter Leergewicht: 166 Kilogramm Radstand: 1,43 Meter Lenkkopfwinkel: 65 Grad
Motor: Einzylinder
Hubraum: 693 ccm
Leistung: 75 PS/55 kW Drehmoment: 72 Nm (6750/min) Tankinhalt: 12 Liter
Spitze: 200 km/h Normverbrauch: 4,0 Liter Super
hoher Drehzahl. Unterhalb vom 3000 Touren hackt er so unrhythmisch vor sich hin wie ein übel gelaunter Holzfäller. Aber wehe, wenn sich der mächtige 105-Millimeter-Kolben mit ausreichend Schwung auf den Weg macht, die 80 Millimeter Hub rauf- und runter zu eilen. Dann prescht das austroschwedische Gerät wie wild drauf los und versetzt seine Besatzung in schiere Euphorie.
Neben dem klassischen SingleBetrieb ist die Vitpilen 701 auch für einen Sozius geeignet, obwohl man dies der spartanischen Sitzbank gar nicht ansieht. Doch so richtig Fahrspaß bereitet die Husqvarna eher, wenn der Pilot alleine draufsitzt. Dann reizt der „weiße Pfeil“sein hervorragendes Leistungsgewicht so richtig aus. Edle Komponenten ergänzen die gute Papierform, da ließen sich die Entwickler nicht lumpen. Das progressive Design, das den schwedischen KTM-Ableger wie ein fahrbares iPhone erscheinen lässt, stammt übrigens von KTMs bewährter Formenschmiede Kiska. Dort war kurioserweise der junge Franzose Maxime Thourenin dafür zuständig, der österreichischen Basis einen skandinavisch-puristischen Look zu verpassen.
Ob die Vitpilen 701 erfolgreich sein wird, hängt auch von der Strahlkraft der schwedischen Traditionsmarke ab. Husqvarna begann 1903 mit dem Bau von Motorrädern. Nach jahrzehntelangen Erfolgen vor allem abseits asphaltierter Straßen ging die Marke 2013 an KTM über. Der Offroad-Spezialist Husqvarna soll künftig auch befestigte Straßen erobern. Im April 2018 gingen die Modelle Vitpilen und Svartpilen an den Start – der urbane Roadster Vitpilen als 701 und 401 mit 690 oder 375 ccm Hubraum, die etwas robustere Svartpilen zunächst nur als 401.
Wegen des hohen Preises muss sich die Husqvarna den Vergleich mit zwei KTM-Modellen gefallen lassen: mit der gleich starken und dennoch um gut 1500 Euro günstigeren 690 Duke. Und sogar mit der neuen Zweizylinder-Mittelklasse der Österreicher, denn selbst die 105 PS starke 790 Duke ist schon für 9790 Euro zu haben. Mit ihren hochwertigen Komponenten, dem progressiven Design und vielen handwerklich liebevoll gestalteten Details ist die Husqvarna Vitpilen 701 allerdings ein hochpreisiges Luxusgut. So etwas funktioniert bekanntlich in vielen Branchen, warum nicht auch beim Motorrad?