Paketdrohne im gefährlichen Tiefflug
Die Unfallforscher der Axa-Versicherung haben bei Crashtests die Unfallrisiken durch Elektro-Zweiräder und Flugdrohnen untersucht.
DÜBENDORF/SCHWEIZ Im Kampf gegen verstopfte Innenstädte und immer längere Transportwege wird der Ruf nach neuen Mobilitätskonzepten lauter. Unter dem Druck des voranschreitenden Klimawandels geht der Trend derzeit zu elektrischen Antriebslösungen, die zumindest vor Ort abgasfrei sind.
Wie so häufig bergen neue Lösungen allerdings auch neue Risiken. Unter dem Motto „Lautlos, schnell, riskant – urbane Mobilität 2030“haben die Unfallforscher der Axa-Versicherung bei ihren diesjährigen Crashtests im schweizerischen Dübendorf einige dieser Konzepte genauer auf ihr Gefahrenpotenzial hin untersucht: Transportdrohnen, Elektrofahrräder, Elektroroller und Car-SharingAutos.
Rummms! Die etwa 70 km/h schnelle und neun Kilogramm schwere Paketdrohne erfasst das Cabrio auf der Fahrerseite – mit verheerenden Folgen für den hinterm Lenkrad sitzenden Dummy. Sein Kopf ist nach dem Zusammenprall mit der zerschellenden Drohne zur Seite geschlagen und tief gezeichnet. Ein Mensch hätte allenfalls mit schwersten Verletzungen überlebt.
Was im ersten Moment als etwas konstruierte Versuchsanordnung erscheint, könnte schon bald Wirklichkeit werden. Denn der Markt für Drohnen explodiert regelrecht. Schon gut 600 000 Einheiten sollen in Deutschland über die Ladentheke gegangen sein. Noch sind die Käufer überwiegend Privatpersonen, die damit Bild- und Tonaufnahmen machen. Doch zunehmend werden die Drohnen auch gewerblich genutzt, beispielsweise im Sicherheits- oder Landwirtschaftssektor. Künftig könnten sie auch als Paketboten oder in entsprechender Größe womöglich gar als Flugtaxis unterwegs sein.
Zahlreichere, schnellere, größere und schwerere Drohnen bergen eine höhere Wahrscheinlichkeit technischer Defekte sowie von Zusammenstößen in der Luft oder am Boden. „Erste Unfälle mit Drohnen sind bereits passiert“, berichtet Bettina Zahnd, Leiterin Unfallforschung und Prävention bei Axa Schweiz. „Zum Glück blieb es bisher bei Sachschäden. Mit der zunehmenden Verbreitung von Drohnen ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis auch erste Personenschäden durch Drohnen verursacht werden.“
Seit Oktober 2017 gilt deshalb in Deutschland eine Kennzeichnungspflicht für Drohnen ab einem Viertel Kilogramm. Besondere Flugkenntnisse müssen ab zwei Kilogramm nachgewiesen werden und ab fünf Kilogramm eine Erlaubnis der Landesluftfahrtbehörde. Oberhalb von 100 Metern Flughöhe ist sogar eine behördliche Ausnahmeerlaubnis erforderlich. Über Wohngrundstücken, Naturschutzgebieten, Menschenansammlungen und Industrieanlagen gilt hierzulande ein generelles Flugverbot.
Der Hauptdarsteller des nächsten Crashtests rollt auf zwei Rädern und sollte möglichst nicht durch die Luft fliegen. Es handelt sich um ein elektrifiziertes Lastenfahrrad. Während E-Bikes der arbeitenden Bevölkerung ermöglichen, ohne zu schwitzen bei der Arbeit zu erscheinen, können ältere Semester in den Bergen dank des Hilfsmotors wieder Almhütten ansteuern.
Bei einem Überholmanöver kommt das 45 km/h schnelle Lastenrad frontal in den Gegenverkehr, der Dummy durchbricht die Windschutzscheibe und prallt danach hart auf den Asphalt. Ein derartiges Unglück hat schwere bis tödliche Verletzungen zur Folge.
Noch hat sich kaum jemand an die elektrifizierten Turbo-Fahrräder gewöhnt. Fahrer stürzen über 50 Prozent häufiger ohne Fremdeinwirkung als gewöhnliche Radler und werden von anderen Verkehrsteilnehmern häufiger falsch eingeschätzt. Insgesamt ist das Unfallrisiko mehr als doppelt so hoch und die Verletzungen sind schwerer als beim normalen Drahtesel – insbesondere mit zunehmendem Alter der Radfahrer. Vorausschauendes und langsameres Fahren sind geeignete Maßnahmen, um den Schaden zu vermindern.
Im dritten und letzten Versuch übersieht ein Car-Sharing-Nutzer beim Auffahren auf die Straße einen herannahenden Elektro-Roller. Woran könnte es gelegen haben? Unaufmerksamkeit gilt bereits heute als häufigste Unfallursache. Wenn man sich zunächst mit einem neuen Auto vertraut machen muss, verstärkt sich dieses Problem. In den vergangenen Jahren haben sich die Schäden beim Führen fremder Fahrzeuge in der Schweiz mehr als verdoppelt. Wer also sinnvollerweise ein Auto mit anderen teilt (Car sharing), sollte bei der Nutzung solcher Angebote zunächst die wichtigsten Funktionen vor der Abfahrt durchgehen – und nicht erst inmitten des Verkehrsgetümmels.
Eine weitere Ursache für das Übersehen des Elektro-Rollers dürfte in dessen kaum hörbarem Fahrgeräusch liegen. Bislang waren Verkehrsteilnehmer daran gewöhnt, herannahende Motorräder oder Motorroller zu hören. Bei EFahrzeugen kann das geringe Geräusch zum Risikofaktor werden. „Man kann sich immer weniger auf die Ohren verlassen, sondern muss mit allen Sinnen bei der Sache sein“, sagt Bettina Zahnd.