Lassen wir ihnen doch ihr Kopftuch!
Bei meinem letzten Hamburg-Besuch ist mir bislang zum zweiten Mal eine Frau in der Nikab begegnet. Sollte ich die Person angesichts hoher Temperaturen bedauern oder belächeln? „Wer tut sich so etwas an?“, ging mir durch den Kopf. Ihr Mann, hinter dem sie ein paar Schritte zurückblieb, dem Wetter angepasst, in luftiger Kleidung. Was würden wohl Nudisten denken, wenn ich mit Badehose und Shirt am Nacktbadestrand läge? Wie würde ich mich dabei fühlen? Ich würde es gerne mal erleben, dass bei einer Großdemo alle Teilnehmer die islamische Vollverschleierung tragen. Die Verzweiflung der Sicherheitsorgane wäre wohl groß, das Vermummungsverbot greift an dieser Stelle offensichtlich nicht. Es gibt für uns viele kaum nachvollziehbare Gründe, warum sich Frauen einer uns fremden Kultur verhüllen (müssen). Vielleicht ist es eine Art einer religiös begründeten neurotischen Störung, nicht der Frauen, sondern der Männer dieser Kultur. Mit der Diskussion um die Vollverschleierung oder dem Tragen eines Kopftuches kommen wir nicht weiter und lösen bestenfalls eine Art Trotzreaktion der Betroffenen aus. Islamische Frauen unterliegen oft Gruppenzwang und grenzen Geschlechtsgenossinnen aus,
wenn sie kein Kopftuch tragen. Mädchen wollen manchmal eines, weil Mama es auch trägt. 14-Jährige tragen ihr Kopftuch mit gewissem Stolz, da sie so besondere Anerkennung erfahren. Keine Frage, streng gläubige Muslime sind überzeugt, dass Allah dies fordert. So wäre die Frage zur Freiwilligkeit beantwortet. Gehen katholische Kinder mit neun Jahren freiwillig zur Kommunion? Unterliegen sie nicht dem Druck der Eltern und Gruppenzwang? Lassen wir den islamischen Frauen ihr Kopftuch, den orthodoxen Juden ihre Hüte, Haarlocken oder die Kippa, erfreuen wir uns daran, dass der christliche und liberale Gott auf eine bestimmte Kleiderordnung verzichtet.
Sie steuern unsere Sichtweise bezüglich der Welt und Gesellschaft. Hier wird das Zerrbild, das Männer vom Weiblichen geschaffen haben, transportiert: die reine, brave Frau einerseits, die bedrohliche Verführerin andererseits. Das hatten wir im Christentum auch, es wirkt im Unterbewusstsein bis heute. Dies ist kein gutes Leitbild für heranwachsende Mädchen.
Wie man jetzt erlebt, zeigt sich der Wert einer solchen Bestimmung erst, wenn Menschen tatsächlich damit konfrontiert werden. Zurzeit ist es der Islam mit seinem umstrittenen Symbol „Kopftuch“, der heftige Diskussionen auslöst. Was, wenn andere große Religionsgemeinschaften nachziehen und auf ihre grundgesetzlich verankerten Rechte pochen? Da hilft uns wohl nur die konsequente Trennung von Religion und Staat.