Ruhige Zeiten auf Madeiras kleiner Schwester
Auf der portugiesischen I nsel Porto Santo war einst schon K olumbus zu Besuch. Vom großen Tourismus blieb sie aber verschont.
VILA BALEIRA An diesem Morgen weht ein leichter Wind vom offenen Atlantik und sortiert den Sand neu, schraubt die Körnchen in winzigen Wirbeln nach oben und lässt sie in den Dünen wieder fallen. Es ist noch nicht lange her, dass die Sonne aufgegangen ist. Wie eine riesige Sahara-Düne, die es über Tausende Kilometer hierher geweht hat, zieht sich der Strand von Ponta da Calheta bis Vila Baleira die Südküste entlang.
Zwei Paare liegen auf ihren Badetüchern im warmen Sand und lauschen der Brandung, zwei Frauen spazieren dort, wo die Wellen ausrollen. Es werden außerhalb der Hochsaison-Monate Juli/August und abseits der Wochenenden kaum viele mehr. Es ist wie jeden Tag. Denn Porto Santo ist vom großen Tourismus nur gestreift – dem Traumstrand zum Trotz. Vorsichtig gesagt: Auf Mykonos zum Beispiel ist mehr los, sogar auf der OstseeInsel Usedom.
Aber Porto Santo, dieses 42 Quadratkilometer kleine Eiland im Atlantik, eine gute Flugstunde vor der Küste Portugals, hat den deutlich größeren Flughafen – bei weit weniger Betrieb. Die Piste ist sogar Jumbojet-tauglich, gebaut einst als Notfall-Ausweich-Flughafen für Transatlantik-Maschinen sowie für die Jets, deren eigentliches Ziel die viel gebirgigere und nebenbei achtzehnmal so große Nachbarinsel Madeira sein sollte.
Wann immer die
ohnehin schwierigen Windverhältnisse das Landen auf der direkt an die Felskante gezimmerten und teils auf Stelzen ins Meer hinaus verlängerten Piste auf Madeira unmöglich machen, steuern die Jets die zwanzig Flugminuten entfernte Schwesterinsel Porto Santo an und warten dort auf Wetterbesserung am eigentlichen Ziel.
Porto Santo mit dem Bilderbuch-Hauptstädtchen Vila Baleira bringt es nur auf gut fünfeinhalbtausend Einwohner. Und hat vergleichsweise wenig Gäste – dafür viel Ruhe, reichlich Sonne und jenen herrlichen Sandstrand, goldgelb und wie eine Sichel geschwungen. Kein Wunder, dass die Bewohner Madeiras neidisch auf das sind, was die kleinere Schwester in dieser Hinsicht zu bieten hat.
Zweieinhalb Stunden dauert es mit dem Schiff von dort herüber, zwanzig Minuten mit kleinen Propellermaschinen. Meistens sind es bloß Tagesbesucher, die für einen Ausflug herüberkommen, darunter am Wochenende viele Einheimische aus Madeira. Wer bleibt, steigt in den wenigen Hotels ab oder mietet Ferienhäuser, kauft im winzigen Supermarkt ein und macht Selbstversorger-Urlaub auf Portugiesisch. Oder geht essen und probiert in kleinen Restaurants zum Beispiel pechschwarzen Degenfisch, der aus mehreren tausend Metern Tiefe kommt und besonders gut schmeckt, wenn er mit Bananen oder Mangos angerichtet wird.
Prominenten Besuch gab es auf Porto Santo auch schon. Vor inzwischen über 500 Jahren war Christoph Kolumbus hier im übertragenen Sinne gestrandet, heiratete kurzerhand Filipa Moniz, die Tochter des Insel-Gouverneurs, und segelte doch bald wieder weiter.
An der Ziegelsteinwand des Hauses von Columbus mitten im Zentrum von Vila Baleira lehnt an diesem Nachmittag ein Motorrad. Der Fahrer flirtet eine Straßenbiegung weiter im Café mit den Inselschönheiten. Warum er nicht am Strand sitze? „Ach“, sagt er, „da sind doch schon so viele Touristen.“Alles auf der Welt ist relativ.